Legal Tech-Berufe

Wie die Digitalisierung die juristische Berufswelt verändert

Fünf spannende Legal Tech-Berufe im Überblick

Von Verena Schillmöller

Die juristische Arbeitswelt befindet sich im Wandel – dank zunehmender Digitalisierung und dem damit einhergehenden Einsatz von Legal Tech-Tools. In diesem Kontext entstehen neue Berufe, die sich mit der Digitalisierung der juristischen Arbeit befassen und ein breites Spektrum an Möglichkeiten für Interessierte mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten eröffnen. In diesem Blogbeitrag stellen wir vier Legal Tech-Berufe vor, die in den letzten Jahren entstanden sind und verraten, was das jeweilige Berufsbild ausmacht.

Legal Engineer – an der Schnittstelle zwischen Jura und IT

Den Legal Engineer oder die Legal Engineerin gibt es nicht, meint Legal Engineer Christian Hartz. Das Berufsbild des Legal Engineers ist vielfältig und die Aufgabenbereiche hängen davon ab, ob man in einem Unternehmen oder in einer Kanzlei tätig ist. Was Legal Engineers – unabhängig vom Arbeitsort – gemeinsam haben, ist, dass sie oft sowohl juristisches als auch technisches Wissen mitbringen. Das versetzt Legal Engineers in die Lage, zwischen IT und Jurist:innen zu vermitteln und sicherzustellen, dass beide Seiten richtig miteinander kommunizieren. Viel wichtiger, als selbst programmieren zu können ist hierbei die Fähigkeit von Juristen und Juristinnen, Programmierer zu verstehen und zu vermitteln.

Zu den Aufgaben im Arbeitsalltag gehören dann etwa die Prozessoptimierung bestehender oder die Entwicklung neuer, digitaler Prozesse, wie die automatisierte Bearbeitung der Eingangspost.

„Es gibt nicht das Berufsbild des Legal Engineers, aber es gibt Gemeinsamkeiten: Legal Engineers bringen häufig sowohl juristisches als auch technisches Wissen mit, teilweise ergänzt um Wissen zu (agilem) Projektmanagement. Durch diese Kombination verstehen sie beide Seiten – die juristische und die technische. Sie sind in der Lage, zwischen diesen beiden Seiten zu vermitteln und sicherzustellen, dass eine gemeinsame Sprache gesprochen wird.“

– Christian Hartz, Legal Engineer bei Wolters Kluwer  

Was muss man mitbringen? Die Wege zum Legal Engineer sind vielfältig. Wichtig ist, dass man sowohl über juristische als auch technische Kenntnisse verfügt und in diesen Bereichen Interesse zeigt. So ist z. B. der Weg über das klassische Jurastudium mit anschließenden Weiterbildungen im Bereich IT und Legal Tech vorstellbar. Ebenfalls möglich ist der Weg aus der Informatik mit einer entsprechenden juristischen Weiterbildung. Es gibt jedoch nicht den einen Weg, um Legal Engineer zu werden.

Wer stellt ein? Legal Engineers sind gefragt: So suchen sowohl Großkanzleien, Unternehmen als auch Softwareanbieter nach Legal Engineers.

Lesetipps:

Legal Tech Manager:in – Leitung der digitalen Transformation

Ähnlich dem Legal Engineer arbeitet auch ein Legal Tech Manager an der Schnittstelle zwischen Recht und Technologie. Der Legal Tech Manager oder die Legal Tech Managerin ist verantwortlich für die Leitung und das Management des Einsatzes von Technologie im juristischen Umfeld, um die Effizienz zu steigern und die juristischen Dienstleistungen zu modernisieren. Dazu gehören die Implementierung und das Management von Legal Tech-Lösungen, die Automatisierung von Rechtsdienstleistungen und die Entwicklung von Strategien für die digitale Transformation. Da es nicht immer Standard-Tools gibt, gehört zu den Aufgaben des Legal Tech Managers auch, neue technische Lösungen zu entwickeln bzw. die Entwicklung zu verantworten. Häufig wird in interdisziplinären Teams gearbeitet.

Was muss man mitbringen? Legal Tech-Manager benötigen sowohl ein Verständnis der juristischen Prozesse und Vorschriften als auch der Informationstechnologie und des Projektmanagements. Möglich ist z. B. ein klassisches Jurastudium und ein Legal Tech-Master. Das Zweite Staatsexamen ist für den Beruf nicht unbedingt erforderlich, dafür ein großes Interesse für Technik und Legal Tech.

Wer stellt ein? Legal Tech Manager arbeiten in (Groß-)Kanzleien, aber auch in Unternehmen, z. B. in Start-ups oder juristischen Verlagen bzw. bei Softwareanbietern.

Head of Innovation and Legal Tech – Digitalisierung mit kreativen Ansätzen gestalten

Die oder der Head of Innovation and Legal Tech verbindet juristische Expertise mit technologischem Wissen und Innovationsmethoden. Er oder sie ist verantwortlich für die Leitung von Teams und Projekten, die sich mit der Entwicklung und Umsetzung von Legal Tech-Lösungen beschäftigen und nutzt kreative Ansätze, um Probleme zu lösen, Strukturen und Prozesse zu verändern oder sogar komplett neu zu gestalten.

„An meinem Job gefällt mir besonders, dass ich viel kommuniziere und viel über die Bedürfnisse und Denkweisen von Menschen lerne. Ich arbeite sehr gerne im Team und freue mich, moderne Methoden wie Design Thinking anwenden zu können. Außerdem gefällt es mir sehr, agil zu arbeiten und für mich und mein Team nach den Prinzipien von New Work zu arbeiten. Das heißt selbstbestimmt, eigenverantwortlich und mit viel Vertrauen.“

- Clara Raschewski, Head of Innovation and Legal Tech bei SKW Schwarz

Was muss man mitbringen? Die Kernkompetenzen, die ein Head of Legal Tech mitbringen muss, sieht Clara Raschewski weniger in den Studienabschlüssen als vielmehr in Projektmanagement, modernen Problemlösungsmethoden, Kommunikationsfähigkeit und Empathie. Sie betont auch, wie wichtig Durchhaltevermögen ist, vor allem in einem Umfeld, in dem nicht jeder Lust auf Veränderung hat. Sie selbst hat ein erstes Staatsexamen und einen Bachelor in Modedesignmanagement sowie verschiedene Weiterbildungen absolviert, unter anderem in Design Thinking und zum Scrum Master.

Wer stellt ein? Heads of Legal Tech and Innovation können in Großkanzleien, innovativen Start-ups, Softwareanbietern oder Unternehmensrechtsabteilungen arbeiten, die die Möglichkeiten von Legal Tech aktiv nutzen wollen.

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Legal Designer – interdisziplinärer Beruf zwischen Tech, Recht und Design

Bei „Legal Design“ handelt es sich um einen Innovationsansatz, der die Denkweisen, Arbeitsmethoden und Gestaltungsprinzipien von professionellen Designern nutzt, um kreative und innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen im juristischen Bereich zu entwickeln. Der Legal Designer oder die Legal Designerin arbeitet dementsprechend interdisziplinär und kombiniert Elemente der Rechtswissenschaft, Legal Tech und des Design-Thinking. Zu ihren Aufgaben gehört zum Beispiel, juristische Prozesse, Dienstleistungen und Produkte benutzerfreundlicher und für juristische Laien zugänglicher zu gestalten.

„Ich schätze an meinem Beruf am meisten, zu erleben, wie wir in den verschiedensten Bereichen des Rechts und den unterschiedlichsten Organisationen mit der Methodik Legal Design zu mehr Einfachheit und Klarheit beitragen können. Und wie schön es ist, wenn ich Projektpartnern eine neue Denkrichtung mitgeben kann.“

- Astrid Kohlmeier, Legal Designerin

Was muss man mitbringen? Laut Rechtsanwältin und Beraterin für Legal Design Astrid Kohlmeier ist ein hohes Maß an juristischem Grundverständnis für den Beruf des Legal Designers entscheidend; das heißt, Legal Designer müssen keine Volljurist:innen sein. Vielmehr sind ihrer Meinung nach folgende Kompetenzen für den Beruf wichtig:

  • Rechtsverständnis
  • Designkenntnisse
  • Technologieaffinität
  • Erfahrung in Business und Operations

sowie bestimmte Verhaltensweisen wie offene Kommunikation, ein Arbeitsverständnis, das auf radikale Zusammenarbeit ausgerichtet ist und ausgeprägte Moderationserfahrung. Legal Designer können somit aus unterschiedlichen Fachbereichen kommen und unterschiedliche Kompetenzen aufweisen.

Wer stellt ein? Legal Designer können in Kanzleien, Rechtsabteilungen, Legal Tech-Unternehmen, Beratungsfirmen oder als freiberufliche Berater arbeiten.

Lesetipps:

Legal Tech Data Analyst/Scientist – Herrscher:in über die Daten

Ein Legal Tech Data Analyst oder Data Scientist verwendet Datenanalyse-Tools und -methoden, um große Mengen an juristischen Daten zu verstehen, zu interpretieren und zu nutzen. Diese Rolle überbrückt die Lücke zwischen IT, Data Science und Recht, indem sie Datenanalysen einsetzt, um rechtliche Prozesse zu optimieren und die rechtliche Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Der Data Analyst/Scientist hat verschiedene Aufgaben: Dazu gehören das Sammeln von Daten aus verschiedenen Quellen, die Bereinigung und Aufbereitung der Daten für die Analyse sowie die Entwicklung und Implementierung von Datenmodellen. Die Rolle kann auch die Entwicklung und Implementierung von algorithmischen Lösungen umfassen, um juristische Texte automatisch zu analysieren, zu klassifizieren und komplexe Muster und Beziehungen zu identifizieren, damit Verfahrensstrategien und Handlungsempfehlungen daraus abgeleitet werden können.

Was muss man mitbringen? Ein Legal Tech Data Analyst/Scientist sollte sowohl über fundierte Kenntnisse im Bereich Data Science, einschließlich Kenntnisse in Programmiersprachen wie Python oder R, als auch über ein solides Verständnis des Rechtssystems verfügen. Häufig wird ein abgeschlossenes Studium der (Wirtschafts-)Informatik oder -Mathematik vorausgesetzt. Es gibt aber auch vereinzelt Stellenangebote, die keine Programmierkenntnisse voraussetzen.

Wer stellt ein? Legal Tech Data Analysts werden z. B. in Kanzleien oder in Legal Tech-Unternehmen bzw. Start-ups beschäftigt.

Fazit: Mehr Jobmöglichkeiten für Jurist:innen als je zuvor

Die Digitalisierung bringt tiefgreifende Veränderungen für die juristische Berufswelt mit sich, die bereits zahlreiche neue Legal Tech-Berufe hervorgebracht haben und sicherlich noch hervorbringen werden. Gemeinsam ist diesen neuen Berufen, dass häufig Personen gesucht werden, die keine klassische juristische Ausbildung absolviert haben, sondern neben juristischen auch andere Kenntnisse mitbringen. Die neuen Berufe spiegeln zudem eine zunehmende Verschmelzung von Recht und IT wider, was das Berufsfeld insbesondere für technikaffine Juristinnen und Juristen attraktiv macht. Dieser Wandel betrifft aber nicht nur Juristinnen und Juristen, die sich auf Legal Tech spezialisieren wollen. Auch für klassische Juristinnen und Juristen wird es immer wichtiger, sich digitale Fähigkeiten und Kenntnisse anzueignen. Denn unabhängig davon, ob man sich für einen Legal Tech-Beruf entscheidet oder nicht, ist die Fähigkeit, Technologie in der juristischen Arbeit zu nutzen und zu verstehen, eine zunehmend relevante Kompetenz im heutigen digitalen Zeitalter.

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Bild: Adobe Stock/©Tierney
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Verena Schillmöller ist beim FFI-Verlag in den Bereichen Produktmanagement und Redaktion tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der Bereich Legal Tech.

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