Legal Design

Legal Design: So gelingt Legal Tech

Von Lina Krawietz

Legal Design ist 2022 aus der Rechtsbranche nicht mehr wegzudenken. Insbesondere im Legal Tech-Bereich, hat sich dieser Innovationsansatz in den vergangenen Jahren als neue Best Practice etabliert, sowohl für die Gestaltung von Software als auch die Konzeption damit notwendigerweise einhergehender Veränderungen, Implementierungs- und Kommunikationsstrategien. Mittlerweile kommt Legal Design in Rechtsabteilungen, Kanzleien und Legal Tech-Unternehmen, ebenso wie in Rechtsschutzversicherungen und im öffentlichen Sektor zum Einsatz. Das am häufigsten verfolgte Ziel: Den Erfolg von Digitalisierungsvorhaben gewährleisten.

I.  Was hat es mit Legal Design genau auf sich?

Legal Design ist ein Innovationsansatz, der die Art und Weise, wie professionelle Designer und Designerinnen denken, arbeiten und gestalten, nutzbar macht, um innovative Lösungen für komplexe Probleme im Rechtsbereich zu entwickeln. Komplexe Probleme sind solche, die von vielen verschiedenen Variablen und Unwägbarkeiten geprägt und daher nicht leicht zu fassen, geschweige denn zu lösen sind.

Die von Juristen und Juristinnen angestrebte digitale Transformation ist eine solche komplexe Herausforderung. Zum einen aufgrund der zunehmenden, kaum überschaubaren Regulierung, Digitalisierung und Internationalisierung rechtlich geprägter Kontexte. Insbesondere jedoch auch aufgrund der sich stetig weiterentwickelnden Bedürfnisse, Erwartungen und Gewohnheiten all jener, in deren Lebens- und Arbeitsrealitäten sich digitale Tools idealerweise nahtlos einfügen sollen. Gegenüber herkömmlichen, rational-analytischen Problemlösungsansätzen, die sich vornehmlich mit technischen, rechtlichen, und betriebswirtschaftlichen Aspekten auseinandersetzen, legt (Legal) Design daher einen gezielten Fokus auf den Faktor Mensch.

Was passiert, wenn der Faktor Mensch nicht hinreichend berücksichtigt wird, lässt sich derzeit zahlreich beobachten: Insbesondere Rechtsabteilungen und Kanzleien haben damit zu kämpfen, dass sie reihenweise Legal Tech-Lösungen eingekauft haben, diese jedoch kaum zur Anwendung kommen und sich somit auch nicht rentieren. Die erhoffte Modernisierung läuft in diesen Fällen entsprechend schleppend und hinterlässt regelmäßig frustrierte Mitarbeitende. Mithilfe von Legal Design lässt sich Legal Tech hingegen von vornherein so gestalten, dass die jeweilige Software am Ende gut und gerne genutzt wird und so überhaupt einen Mehrwert entfalten kann.

Wie wirkmächtig eine design-getriebene Herangehensweise sein kann, zeigt sich mit einem Blick auf Unternehmen wie Apple, Amazon, Netflix & Co. Diese Tech-Riesen sind nicht etwa deshalb so erfolgreich und begehrenswert, weil ihre Software besonders kunstvoll programmiert wurde. Sie sind sich einfach nur schon länger darüber im Klaren, dass eine bewusste, ganzheitliche und vor allem nutzerzentrierte Gestaltung der Beziehung zwischen Mensch und Computer, Voraussetzung für ihren Erfolg ist. Darum haben sie nutzerzentriertes Design früh zu einem Teil ihrer DNA gemacht. Legal Tech als Schnittstelle von Recht, Tech und Mensch kann die Vorteile guten Designs durch die Implementierung von Legal Design ähnlich effektiv für sich nutzen.

II. Wie funktioniert der Legal Design-Ansatz?

Legal Design wirkt auf zwei Ebenen: Auf der Prozessebene und auf der Formebene.

Der Legal Design-Prozess sieht vor, dass zunächst das jeweilige Problem aus der Nutzerperspektive untersucht und definiert wird. Dies geschieht im Rahmen einer umfassenden Bedarfsanalyse. (Teilweise erfordert dies, dass man sich von der ursprünglich formulierten Problemstellung wegbewegt, weil sich diese aus Sicht der Zielgruppe doch anders darstellt als gedacht.) Erst dann geht man in einem zweiten Schritt dazu über, ganzheitliche, den Kontext miteinbeziehende Lösungs- ansätze zu entwickeln. Die Ideen, die dabei entstehen, werden früh, etwa mithilfe von Skizzen und einfachen, greifbaren Prototypen sowie im Austausch mit der Zielgruppe getestet. Basierend auf den dabei gewonnenen Erkenntnissen, werden sie Schritt für Schritt – natürlich unter wiederholter Einbeziehung der Zielgruppe – weiterentwickelt.

Auf diese Weise wird sichergestellt, dass man eine Lösung nicht an dem eigentlichen Problem und den diesem zugrundeliegenden Nutzerbedürfnissen vorbeientwickelt. Neben einem durchgängigen Nutzerfokus fördert der Legal Design-Prozess ein innovationsfreundliches Mindset und Umfeld. Dazu gehört u. a. die Arbeit in interdisziplinären und diversen Teams, eine gute Fehlerkultur, Ergebnisoffenheit, Experimentierräume und Kollaboration.

Darüber hinaus befasst sich Legal Design immer auch mit der Form, die eine Lösung annimmt, d. h. wie diese konkret ausgestaltet wird. Eine besondere Rolle spielen dabei etwa wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Wahrnehmungspsychologie und Verhaltensforschung. So hat man z. B. herausgefunden, wie Texte gestaltet werden müssen, damit ihr Inhalt besonders einprägsam ist und für relevant erachtet wird. Auch die Wirkung von Farben, Formen und deren Anordnung folgt gewissen Gesetzmäßigkeiten.

Wo in einem Interface Informationen, Links und Buttons platziert werden, hat Einfluss auf die Qualität des Nutzererlebnisses und die Wortwahl beeinflusst die subjektive Wahrnehmung des jeweiligen Themas. Trotz dieser vorhandenen – hier nur auszugsweise angedeuteten – Wissensbasis ist es unumgänglich, die Form, die eine Lösung möglicherweise erhalten soll, mithilfe von Nutzertests zu validieren (s. o.). Kein Innovationsvorhaben gleicht dem anderen, so dass vermeintlich einschlägige Gestaltungsprinzipien niemals als allgemeingültig und in jedem Fall zielführend verstanden werden sollten. Während prototypisierte Lösungsansätze in ersten Nutzertests oft noch sehr rudimentär daherkommen, werden diese mit der Zeit immer ausgereifter – bis eine nutzbare Version entsteht.

Achtung: Viele denken bei dem Begriff „Design“ direkt an das visuelle Gestalten einer Oberfläche. Doch Design ist viel mehr als das, was man sieht. Gutes Design ist zu einem großen Teil unsichtbar. Es kommt immer auch darauf an, wie ein Design wirkt, welche Beziehungen Menschen zu einem Design bzw. durch ein Design entwickeln, zu welchem Handeln oder Denken sie dadurch verleitet werden und wie sie sich dabei fühlen. Ein großer Teil dessen, was Design leistet, ist für das menschliche Auge demnach nicht sichtbar.

III. Legal Design in der Legal Tech-Praxis

Legal Design ist eine noch recht junge Disziplin. Nichtsdestotrotz gibt es bereits zahlreiche Praxisbeispiele, die aufzeigen, wie Legal Tech-Akteure von diesem Innovationsansatz profitieren. Die folgenden Anwendungsfälle aus dem Wirkbereich der Autorin sollen einen ersten Eindruck davon verschaffen, wie vielseitig Legal Design in Innovationsvorhaben zum Tragen kommt:

So hat eine internationale Großkanzlei mithilfe der auf den Rechtsbereich spezialisierten Innovationsberatung This is Legal Design innerhalb eines Monats eine umfassende Legal Tech-Bedarfsanalyse durchgeführt. Diese erfolgte im Rahmen von vier virtuellen Legal Design-Workshops mit ca. 30 Teilnehmenden. Darunter Partner und Partnerinnen, Associates, Assistenzen und Personen aus Marketing, Business Development und IT. Dabei wurden die größten Innovationspotentiale und -bedarfe identifiziert. Dank der interdisziplinären Zusammensetzung der Gruppe war es möglich diese ganzheitlich zu beleuchten und klar zu definieren. Die Erkenntnisse und Ideen, die sich daraus ableiten ließen, bildeten sodann die Grundlage für die Entwicklung der Legal Tech-Strategie dieser Großkanzlei.

Für ein Legal Tech-Unternehmen hat This is Legal Design vor einiger Zeit ein Legal Design-Projekt durchgeführt, in dem es darum ging, eine App für die Kundschaft des Unternehmens zu gestalten. Vorab wurde eine Nutzerrecherche durchgeführt, um herauszufinden, welche Funktionen die App erfüllen müsste, um den Bedarf der Kundschaft zu decken. Sodann wurden die einzelnen User Flows definiert, die dafür notwendig wären und die dazugehörigen User Interfaces skizziert. Diese Skizzen wurden sodann in ux‑optimierte, digitale Wireframes übersetzt und schließlich zu einem ausgereiften, digitalen Prototyp weiterentwickelt.

Die Rechtsabteilung eines großen, börsennotierten Unternehmens hat This is Legal Design kürzlich hinzugezogen, um das Zustandekommen von Influencer Verträgen effizienter und effektiver zu gestalten. Dabei wurde zunächst, gemeinsam mit dem zuständigen Legal- und Marketing Team, der Vertragsprozess analysiert und die vorhandenen Pain Points identifiziert. Sodann wurde ein entsprechender Self Service entwickelt, der es dem Marketing ermöglicht, in Standardfällen, eigenständig Influencerverträge zu verhandeln. Dazu gehörten u. a. ein stark vereinfachter Prozess und nutzerfreundlich neugestaltete Dokumente, die so aufbereitet wurden, dass sie sich einfach und schnell mit einem Vertragsgenerator automatisieren lassen.

IV. Fazit

Legal Design ist kein Hype, sondern ein wichtiger Baustein für die Gestaltung der digitalen Transformation der Rechtsbranche. Ohne ein strategisches, nutzerzentriertes Vorgehen, bleibt der Erfolg juristischer Innovationsvorhaben dem Zufall überlassen. Ein ganzheitlicher, design-orientierter Ansatz ist daher vorzuziehen.

Bild: Adobe Stock/Rawpixel.com

Hinweis | Der Beitrag wurde erstveröffentlicht im Nomos Verlag in der Zeitschrift
LegalTech: Zeitschrift für die digitale Rechtsanwendung.

Alle Infos zum Abonnement finden Sie hier:

 

Weitere Beiträge

Lina Krawietz ist Juristin, Designerin & Mitgründerin von This is Legal Design, einer auf den Rechtsbereich spezialisierten Innovationsberatung.

Nach oben scrollen