Legal Design

Mit Legal Design von automatisierten zu tatsächlich digitalen Dokumenten

Von Dario Dill

Dokumentenautomation ist bei Juristinnen und Juristen in aller Munde. Verschiedenste Softwarelösungen haben sich am Markt etabliert und sind über Lizenzmodelle ganz einfach im „Abo” erhältlich. Mit Hilfe dieser „Tools” können erste Entwürfe automatisiert und schneller erstellt, Kapazitäten freigeschaufelt und auch die Fehleranfälligkeit bei der Anpassung von Mustern an neue Fallkonstellationen reduziert werden. Dabei entstehen Wissensdatenbanken, die sich zentral verwalten und aktualisieren lassen. Soweit, so gut – doch durch die Entwicklung oder den Einkauf solcher Tools ist ein Dokument noch lange nicht automatisiert und schon gar nicht vollumfänglich digitalisiert. Dieser Artikel befasst sich mit der Automatisierung und Digitalisierung von Dokumenten sowie damit, wie Legal Design in diesem Zusammenhang besondere Mehrwerte schaffen kann.

Automation ist noch lange keine wertschöpfende Digitalisierung

Wenn wir von Dokumentenautomation sprechen, meinen wir häufig, dass Dokumente (teil-)automatisiert erstellt werden können. Doch wird ein Dokument durch diesen Vorgang noch lange nicht wertschöpfend digital, geschweige denn „smart”. Ein auf dem Computer gespeichertes Word-Dokument oder PDF ist lediglich digital abgelegt. Es hat die gleiche DIN-A4-Darstellung und ist genauso wenig „intelligent” wie ein handgeschriebenes, analoges Dokument. Der Vorteil gegenüber einem handgeschriebenen Dokument liegt gerade einmal darin, dass es sich virtuell versenden lässt, keine Handschrift entziffert werden muss, Eingaben schneller getätigt werden, Wörter per Suchfunktion gefunden werden können und Papier gespart wird. Allerdings ist das „Digital-Potenzial” von Dokumenten damit noch lange nicht ausgeschöpft. Vor allem nicht aus Perspektive ihrer Adressaten – in der Regel Mandanten.

Ein fertiges, rechtssicheres Dokument ist – selbst dann, wenn es automatisch erstellt wurde – erstmal  „nur” das Endprodukt seines Entstehungsprozesses. Als solches enthält es aufbereitete Informationen, z. B. Daten, Rechte, Pflichten und Risiken, die Anwältinnen und Anwälte ihren Mandanten im Rahmen einer Dienstleistung verkaufen. Inhaltlich sieht es aus wie immer. Jedoch lassen sich sowohl dieses Endprodukt „Dokument” und die damit erbrachte Dienstleistung als auch dessen Entstehungs- und Nutzungsprozess so gestalten, dass über eine bloße Automatisierung hinaus für Anwalt wie Mandant neue Mehrwerte entstehen.

Mit Legal Design Dokumente und Prozesse verbinden

Beim Erschließen und Ausschöpfen dieses weiterführenden „Digital-Potenzials” von Dokumenten muss der tatsächliche Regelungsinhalt des Dokuments und die um das Dokument liegenden Prozesse definiert werden. Hierfür spielt Legal Design eine entscheidende Rolle. Als Innovations-Framework lenkt Legal Design das konkrete Vorgehen bei der Automatisierung und Digitalisierung von Dokumenten nämlich dahingehend, dass zunächst menschliche Bedürfnisse erkannt, analysiert und definiert werden. Im nächsten Schritt werden im Rahmen des technisch Möglichen passgenaue Lösungen zugeschnitten, die eine individuell angepasste Nutzung der auf dem Markt erhältlichen (oder auch selbst entwickelten) Lösungen. Da Herausforderungen in Legal-Design-orientierten Prozessen ganzheitlich angegangen werden, nimmt man dabei nicht nur das Dokument und die darin enthaltenen Informationen selbst, sondern auch die Prozesse in den Blick, in die es als Produkt eingebettet ist.

Dem Mandanten Informationen zugänglicher machen

Der Adressat juristischer Dokumente hat häufig das Problem, dass er die gegebenen Inhalte als Laie nicht hinreichend versteht bzw. die für ihn relevanten Informationen überall im Dokument verstreut und daher Zusammenhänge schwer zu erfassen sind. Dass ein Dokument mithilfe eines Dokumentenautomations-Tools erstellt wurde, ändert daran erstmal nichts. Dabei ist es technisch ohne weiteres möglich, den Automationsprozess so zu gestalten, dass z. B. neben einem Dokument eine entsprechende „Executive Summary” entsteht, welche die wesentlichen im Dokument enthaltenen Informationen knapp und verständlich zusammenfasst. Auch das Dokument selbst, z. B. ein Vertrag, kann so gestaltet werden, dass sich die aus diesem bspw. hervorgehenden Rechte, Pflichten und Risiken nicht durch das gesamte, u.U. sehr lange Dokument ziehen. Stattdessen könnten sie gruppiert aufgeführt und somit insgesamt greifbarer gemacht werden. Denkbar sind etwa auch Filterfunktionen, visualisierte Daten, die Verwendung von Icons und überhaupt die Beachtung wahrnehmungspsychologischer Grundprinzipien.

Wie genau eine mandantenfreundliche Aufbereitung von Informationen auszusehen hat, lässt sich weder pauschal beantworten, noch individuell erraten. Orientierung bietet jeweils eine umfassende Nutzerrecherche mit den Adressaten eines Dokumententyps. Der Legal Design-Ansatz bietet an dieser Stelle verschiedene Methoden – von qualitativen Interview-Techniken bis hin zu facial recognition Tools. Mit ihnen lässt sich herausfinden, an welcher Stelle Innovationsbedarf hinsichtlich der Darstellung von Informationen in Dokumenten besteht und welchen Kriterien eine Neugestaltung dieser gerecht werden muss.

Dokumenten- und Kanzleiprozesse mit Legal Design neu gestalten

Dokumentenautomations-Tools schaffen dann den größten Mehrwert, wenn sie nahtlos in alltägliche juristische Arbeitsabläufe eingebunden werden können. Bei der Gestaltung von Prozessen sollte es daher nie nur um die Prozesse der Einarbeitung einzelner Dokumente gehen, sondern immer auch um die Darstellung ganzer Dienstleistungsprozesse, bei denen der Zugriff auf mehrere Dokumente notwendig werden kann. Ein Beispiel: Ein neuer Mandant kommt ins Büro (Mandatsvereinbarung), um eine Gesellschaft zu gründen (Gesellschaftsvertrag, Anmeldung, usw...). Aus einer Mustersammlung entsteht ein erster Vertragsentwurf, dieser wird verhandelt, dann finalisiert, an weitere Personen gegeben (z. B. Register) und irgendwann abgelegt. Optimal wäre es hier z. B., wenn die Daten, die bei der Mandatsvereinbarung erfasst werden, automatisch an die entsprechenden Stellen in allen weiteren Dokumenten übertragen werden würden. Zudem ließen sich mit Hilfe (teil-)automatisierter Workflows – sofern es die verwendete Software zulässt – Daten z. B. darüber erheben, wie lange bestimmte Arbeitsschritte dauern, an welcher Stelle genau Hindernisse auftreten, weil etwa zahlreiche Abstimmungsschlaufen gedreht werden müssen. So lassen sich Schwachstellen besser identifizieren und zielgerichtet beseitigen.

Entscheidend für den Erfolg technischer Lösungen ist somit nicht automatisch immer nur das Nutzererlebnis von Mandanten in Bezug auf eine juristische Dienstleistung. „Die Nutzer”, auf deren Perspektive es ankommt, sind immer sämtliche an einem Workflow beteiligte Personen, d.h. oft auch Anwält/innen und deren Mitarbeiter/innen. Legal Design stellt sicher, dass alle relevanten Perspektiven berücksichtigt werden. Im Ergebnis entstehen so Lösungen, die nicht nur theoretisch in der Lage sind, Probleme auf die effizienteste Art und Weise zu lösen, sondern dies auch wirklich tun. Dafür sollten Anwältinnen und Anwälte sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit sein, sich auf digitale Workflows einzulassen und diese im Idealfall ohne Probleme umsetzen.

Fazit: Mit Legal Design zur tatsächlich digitalen Rechtsdienstleistung

Allein anhand der hier angerissenen Beispiele wird deutlich: Es lohnt sich, Dokumentenautomation weiter zu denken als eine Eins-zu-Eins-Übertragung vom Analogen ins Digitale. Entsprechend gilt es, sich nach Anbietern umzuschauen, die ein breites Spektrum der benötigten Funktionen abdecken. Welche Funktionen genau gebraucht werden, ergibt sich aus einem umfassenden Verständnis der Nutzerperspektive. Die Berücksichtigung von Nutzerbedürfnissen bei der Gestaltung juristischer Inhalte sowie der Arbeitsprozesse, in welche diese eingebettet sind, kann den Wert einer jeden (digitalen) juristischen Dienstleistung um ein Vielfaches steigern. Das Handwerkszeug für eine Digitalisierungsstrategie, die den Anwender in den Mittelpunkt stellt, bietet der Innovationsansatz Legal Design.

Foto: Adobe.Stock/©Andrey Popov
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Dario ist Volljurist, Legal Tech-Experte & Mitgründer der Innovationsberatung „This is Legal Design”. Nach seinem 1. Staatsexamen stieg er als erster Mitarbeiter beim Legal Tech-Startup LAWLIFT GmbH ein, wo er für die Implementierung der Automations- & Knowledge-Management-Software in großen und mittelständischen Kanzleien und Unternehmen zuständig war. Als Projektmanager begleitete er die Gründungsphase des kürzlich gegründeten Bundesverband Legal Tech Deutschland e.V.

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