Von FFI-Verlag
Am 15. November fand die Konferenz Anwalt 2021 – mittlerweile zum vierten Mal – statt. Die Teilnehmenden konnten online an vier spannenden Vorträgen teilnehmen, die sich alle – mal mehr, mal weniger – mit dem Thema digitale Transformation befassten. Dabei lag ein besonderes Augenmerk auf der Frage, wie sich die (digitale) Zusammenarbeit in Zukunft verändern wird und welche neuen Synergien sich ergeben könnten. Die Antwort auf diese Frage und weitere wichtige Erkenntnisse können Sie in unserem Veranstaltungsbericht nachlesen.
Manche mögen's heiß: Aktuelle Brennpunkte der Rechtspolitik
Im ersten Vortrag schilderte RA Michael Dudek, Präsident des BAV, welche praktischen Auswirkungen aktuelle Brennpunkte der Rechtspolitik auf die Arbeit in der Kanzlei haben. Dabei gab er einen weiten, jedoch nie oberflächlichen, Blick auf die verschiedenen Themen, die die Anwaltschaft zur Zeit bewegen: Von der bevorstehenden Einführung der aktiven Nutzungspflicht des beA, Rechtsänderungen durch das Legal Tech-Gesetz, bis hin zu Haftungsfragen der Rechtschutzversicherung (BGH, Urt. V. 16.09.2021 – IX ZR 165/19, LS). Dudek ging auch näher auf das Fernabsatzrecht und das entsprechende Urteil des BGH vom November 2020 ein: Wer Vertragsabschlüsse unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (z. B. online) anbietet, bietet Fernabsatz an und muss die rechtlichen Regeln beachten. Folge: Keine Widerrufsbelehrung und kein Anwaltshonorar.
Kanzleidurchsuchung? Don't be scared – be prepared!
Ob Steuerfahndung, Datenschutzbehörde, EU-Kommission, Bundeskartellamt oder Gesundheitsamt – wenn eine Kanzleidurchsuchung droht, kann es mitunter schwierig sein, nicht in Panik zu geraten. RAin Michaela Landgraf zeigte anhand von Fällen aus der Praxis, wie man plötzlich ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten kann. Aber wer ist überhaupt befugt, meine Kanzleiräume zu durchsuchen und auf welcher Grundlage? Wie verhalte ich mich? Welche Gegenstände sind beschlagnahmefähig? Fachanwältin für Strafrecht Michaela Landgraf schuf in ihrem engagierten Vortrag mit dem Titel „Ding Dong, wer steht dort vor der Tür?! Staatsgewalt ante portas!“ Abhilfe und lieferte einen ausführlichen Überblick über die wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen, an denen man sich im Moment der Überraschung orientieren kann. Das Wichtigste hierbei: Don\'t be scared – be prepared!
Von Hierarchie zu Holokratie – die Möglichkeiten von New Work
Diplom-Psychologe Heinz-Günter Andersch-Sattler erläuterte nach der Mittagspause in seinem Vortrag die Grundlagen der durch die Digitalisierung neu entstandenen Formen der Zusammenarbeit, insbesondere Agilität und New Work, und welche Vorteile diese in der Praxis bringen. Die oft noch existierenden hierarchischen Strukturen z. B. in Anwaltskanzleien (siehe Bild 1) sieht Andersch-Sattler als nicht mehr zeitgemäß an.
Es brauche fluide Prozesse und Strategien, die Flexibilität aufweisen, sodass während der Abarbeitung der Vorgänge auch eingegriffen und umgelenkt werden könne. In der heutigen Zeit seien schnelle Reaktionen auf sich schnell verändernde Prozesse von hoher Bedeutung. Da ist eine hierarchische Organisation, in der Entscheidungen von einer Person getroffen werden, die dann durch alle Hierarchieebenen „heruntergereicht“ werden müssen, hinderlich.
Vielmehr sei die „Holokratie“ eine Möglichkeit, die Organisation des Unternehmens für die Zukunft aufzustellen:
Die im Außenkreis abgebildeten Funktionen (Führen, Reflektieren, Folgen, Informieren) sind nicht mehr an eine spezifische Rolle gebunden. Mitarbeitende arbeiten problemlösungs- oder produktorientiert: Sie suchen sich die Kolleginnen und Kollegen zusammen, die sie für die Lösung des spezifischen Problems bzw. das Produkt brauchen. Die Teamauswahl geschieht dann abteilungsübergreifend und achtet nicht auf Hierarchien.
Merkmale von New Work:
- Hohe Flexibilität
- Agilität
- Enthierarchisierung
- Partizipation
- Projektorientierung
- Gesteigerte Sinnstiftung
- Selbststeuerung
Die BRAO-Reform: Neue Möglichkeiten für die Zusammenarbeit?
Im letzten Vortrag am frühen Nachmittag referierte DAV-Präsidentin, Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann über neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit nach der Reform des anwaltlichen Berufsrechts. Neben Änderungen beim Zulassungsverfahren für Berufsausübungsgesellschaften und neuen Haftungsaspekten wird im Zuge der Reformen insbesondere die interprofessionelle Zusammenarbeit einfacher. So wird allen Personen, die einen freien Beruf ausüben – der mit der Tätigkeit des Anwalts nicht unvereinbar ist – ermöglicht, sich mit Anwälten und Anwältinnen zusammenzuschließen – beispielsweise Architekten oder Versicherungsmathematiker. Auch aufgrund des Fachkräftemangels können traditionelle Gesellschaftsformen wie die GmbH für Anwältinnen und Anwälte interessanter werden. Denn dann kann der Anwalt bzw. die Anwältin als Ausbilder zur Bürokauffrau/zum Bürokaufmann auftreten und Arbeiten, die in einer Anwaltskanzlei anfallen, darüber hinaus an Mitarbeitende vermitteln.
Fazit: Bunter Themenmix spiegelt Anforderungen an die Anwaltschaft wider
Mit der Einführung der aktiven beA-Nutzungspflicht sowie der BRAO-Reform steht die Anwaltschaft im Jahr 2022 vor (digitalen) Herausforderungen und Veränderungen. Aber auch abseits davon wird die Anwaltschaft mit Themen wie der Optimierung und Digitalisierung der kanzleiinternen Organisation und Zusammenarbeit konfrontiert. Geschäftsführerin der MAV GmbH, Angela Baral führte die Teilnehmenden auch in diesem Jahr wieder souverän durch die Vorträge, die sowohl „härtere Themen“ (Berufsrecht, Haftung) als auch „weiche Themen“ (New Work und Agilität) abdeckten. Die Beschäftigung mit beidem wird Anwältinnen und Anwälten helfen, in Zukunft moderner, mobiler und agiler zu arbeiten – und damit wettbewerbsfähig zu bleiben.
Fotos: Bayerischen Anwaltverband e.V./Anwalt 2021
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