Künstliche Intelligenz Kanzlei

Künstliche Intelligenz in kleinen und mittelständischen Rechtsanwaltskanzleien

Drei Einsatzmöglichkeiten


Von Dr. Michael Wagner und  Jana Then

AI, ML, NL, DL, KI. Wer jetzt an internationale Ländercodes denkt, liegt nicht ganz richtig. Tagtäglich werden wir mit Begriffen rund um das Themengebiet der Künstlichen Intelligenz konfrontiert. In Nachrichten und Social Media liegt das Thema hoch im Trend. Spätestens seit ChatGPT große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erlangt hat, spielt Künstliche Intelligenz in vielen Bereichen eine zunehmende Rolle und wird langfristig auch zu Veränderungen in der Rechtsberatungsbranche führen.

Was sich in Großkanzleien oder Rechtsabteilungen schon seit geraumer Zeit etabliert hat, liegt für viele kleine und mittelständische Rechtsanwaltskanzleien aber noch in weiter Ferne: Der nachhaltige und effektive Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Das Themenfeld ist für viele Juristinnen und Juristen undurchsichtig. Nur selten konnten bereits im Studium Erfahrungswerte in diesem komplexen Themengebiet gesammelt werden. Aber auch Kanzleimitarbeitende stehen vor neuen Herausforderungen. Wer nicht gerade ein IT-begeisterter und vor allem IT-affiner Mensch ist, wird bei dem Thema schnell abgehängt. Was steckt also hinter der Künstlichen Intelligenz? Und wie können auch kleine und mittelständische Rechtsanwaltskanzleien von intelligenten Softwarelösungen im Arbeitsalltag profitieren?

Was bedeutet KI?

KI steht für Künstliche Intelligenz und wird auch als AI (englisch: artificial intelligence) bezeichnet. Ganz vereinfacht dargestellt, handelt es sich um Technologien, die es Computersystemen und Maschinen ermöglichen, verschiedene Aufgaben zu lösen, die eigentlich natürliche, menschliche Intelligenz erfordern würden. Bei Künstlicher Intelligenz handelt es sich um einen allgemeinen Überbegriff. Es gibt verschiedene Arten, Bereiche und Methoden von Künstlicher Intelligenz. Machine Learning (ML), das Verarbeiten natürlicher Sprache bzw. Natural Language Processing (NLP) oder Deep Learning (DL) sind nur einige Beispiele der verschiedenen Teilbereiche. Die entsprechenden Systeme basieren in der Regel auf Algorithmen und Modellen, die es ermöglichen, Datenmuster zu erkennen und Entscheidungen zu treffen. KI-Technologien werden bereits in vielen Branchen eingesetzt. Auch im alltäglichen Leben sind sie in vielen Anwendungen enthalten und heute eine Selbstverständlichkeit. Schwache und lernende Künstliche Intelligenz haben viele Menschen tagtäglich im Einsatz: Die Gesichtserkennung am Smartphone oder Sprachassistenten wie Alexa und Siri zählen hierzu. Aber auch autonome KI erleichtert den Alltag, denkt man beispielsweise an die vielen Assistenten in neuen Fahrzeugen. KI-Technologien entwickeln sich sehr schnell weiter und haben das Potenzial, alle Lebensbereiche zu beeinflussen. Allen voran: die Arbeitswelt.

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Drei Einsatzmöglichkeiten von KI in der Rechtsberatung

In der Rechtsberatungsbranche befindet sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auch nicht mehr in den Kinderschuhen. Technische Lösungen werden häufig als Legal Technology bzw. Legal Tech bezeichnet. Legal Tech setzt sich dabei aus mehreren Stufen zusammen. Von einfachen E-Mail-Programmen, über die typische Kanzleiverwaltungssoftware bis hin zu intelligenten Systemen, welche durchaus das Potenzial haben, die anwaltliche Tätigkeiten zu erleichtern. Der Begriff Legal Tech umfasst grundsätzlich also erst einmal insgesamt den Einsatz technischer Lösungen in der Rechtsberatungsbranche. Besonders kleine und mittelständische Rechtsanwaltskanzleien haben regelmäßig zwar die üblichen Kanzleisoftware-Lösungen im Einsatz, KI-basierenden Lösungen finden im Kanzleialltag aber oft noch keine Anwendung. Dabei kann auch hier vom Einsatz intelligenter Softwarelösungen auf verschiedene Weise profitiert werden.

1. Automatische Zuordnung von Nachrichten

Durch die Automatisierung von sich ständig wiederholenden Aufgaben, wie dem Abruf und dem Zuordnen von Nachrichten zur jeweiligen Akte, können sowohl Kanzleimitarbeitende als auch Berufsträgerinnen und Berufsträger viel Zeit sparen und entlastet werden. Dies ist gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel ein nennenswerter Vorteil. Jeden Tag finden eine Vielzahl von E-Mails und beA-Nachrichten ihren Weg in die Kanzleipostfächer. Diese Nachrichten manuell den entsprechenden Ordnern und Akten zuzuordnen, ist mühselig und zeitaufwendig. Dabei kann diese Arbeit schon heute fast vollständig von entsprechenden Softwarelösungen übernommen werden, indem digitale Posteingänge automatisiert abgelegt werden.

2. Unterstützung bei der Dokumentenerstellung

Auch für die Dokumentenerstellung und -bearbeitung existieren ausgereifte Legal Tech-Lösungen auf dem Markt. Durch die Analyse des Dokumenteninhalts profitieren hier vor allem Berufsträgerinnen und Berufsträger hinsichtlich der eigentlichen anwaltlichen Leistungserstellung. Dokumenteninhalte können übersichtlich dargestellt und Sachverhalte zusammenfasst werden. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz kann auch bei der juristischen Recherche unterstützen, indem relevante Gerichtsurteile und Rechtsprechungen automatisiert ermittelt werden.

3. Integration von Chatbots auf der Kanzleiwebsite

Besonders häufig werden aktuell alle Formen von Chatbots diskutiert. Abgesehen von ChatGPT existieren aber auch andere Chatbot-Lösungen, um beispielsweise den Mandatsanbahnungsprozess zu vereinfachen. Chatbots können auf einfachste Weise auf der Kanzleiwebsite integriert werden. Potenzielle Mandanten und Mandantinnen haben die Möglichkeit, hierüber den ersten Kontakt mit der Kanzlei herzustellen. Je nach eingesetzter Lösung kann so eine erste Kommunikation inklusive Abfragen von relevanten Sachverhaltsinformationen rund um die Uhr stattfinden. Auch das Vermeiden von Fehlerquellen ist ein guter Ansatzpunkt für den Nutzen von Legal Tech-Lösungen. Unterstützend können hier beispielsweise Anwendungen zur automatisierten Fristenberechnung in Betracht kommen.

Verbesserungspotenziale identifizieren

Bevor jedoch in entsprechende Systeme investiert wird, sollte zunächst eine umfassende Evaluierung der Verbesserungsmöglichkeiten sowie der Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung in der Kanzlei stattfinden. Welche Kanzleiprozesse benötigen noch viele manuelle Arbeitsschritte? Welche Tätigkeiten und Prozesse sind besonders zeitintensiv?

Geht viel Zeit verloren, weil keine gute Ablagestruktur vorhanden ist, kann eine Investition in Software mit entsprechender Ablageorganisation durchaus bereichernd sein. Hier kann der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die Routineaufgaben wie Dokumentenklassifikation und deren Zuordnung automatisiert, einen echten Mehrwert liefern. Auf dem Markt ist aktuell eine starke Dynamik erkennbar. Es bestehen vielfältige Möglichkeiten, um die juristische Arbeit durch den Einsatz intelligenter Softwarelösungen zu vereinfachen.

TIPP: Der Einsatz intelligenter Unterstützer in der Anwaltskanzlei soll den Kanzleialltag erleichtern. Es ist zunächst empfehlenswert, Verbesserungspotenziale in der Kanzlei gründlich zu identifizieren. Das Angebot an Legal Tech-Tools ist breit und wächst stetig weiter. Investieren Sie Zeit und informieren Sie sich ausreichend über den Einsatz von Legal Tech-Lösungen.

Fazit: Auch kleine und mittelständische Kanzleien können von KI profitieren – wenn sie KI gezielt einsetzen

Können kleine und mittelständische Kanzleien von Künstlicher Intelligenz nachhaltig profitieren? Ja! In Zeiten des Fachkräftemangels kann der Einsatz von intelligenten Tools auch in kleinen und mittelständischen Kanzleien durchaus dabei helfen, die Auswirkungen des Fachkräftemangels zumindest abzumildern. Durch den gezielten Einsatz intelligenter Systeme können zeitaufwendige und sich wiederholende Aufgaben automatisiert und die Arbeitsbelastung von Anwaltschaft und Kanzleimitarbeitenden spürbar reduziert werden. Das gründliche Evaluieren der Verbesserungspotenziale in der Kanzlei sollte jedoch nicht vernachlässigt werden.

Auch allgemeine Bedenken beim Einsatz Künstlicher Intelligenz sollten im Voraus sorgsam analysiert werden. Sorgen, dass die Berufe komplett obsolet werden, sind jedoch zumindest zum jetzigen Zeitpunkt unbegründet. Künstliche Intelligenz ist kein Ersatz für menschliche Expertise und Erfahrung, sondern lediglich ein Werkzeug, welches Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Kanzleimitarbeitende bei der Arbeit unterstützt und die Effizienz der Kanzlei steigern kann. Abgesehen von den noch ungeklärten Fragen zum Einsatz von KI-Technologien, wie beispielsweise dem Umgang mit Datenschutz und Ethik, ergeben sich auch für kleine und mittelständische Rechtsanwaltskanzleien viele Vorteile und Möglichkeiten beim durchdachten Einsatz von intelligenten Helfern. Erforderlich für die Zukunft ist zudem ein Umdenken bei der Ausbildung im juristischen Bereich. Neue Technologien werden eine immer größere Rolle in Kanzleien spielen und müssen damit unbedingt Bestandteil in juristischen Ausbildungen sein.

Adobe Stock/ (c) PCH.Vektor
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Als Leiter des Rechtsanwaltsmarkts bei DATEV eG verantwortet Dr. Michael Wagner Strategie und Produkte für die Mitglieder und Kunden der DATEV eG aus dem anwaltlichen Bereich. Schwerpunktthemen sind dabei die Digitalisierung der Anwaltskanzlei und die Unterstützung der anwaltlichen Arbeit durch Legal Tech.

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Als Business Analyst im Rechtsanwaltsmarkt bei DATEV eG gestaltet Jana Then die Produktstrategien und begleitet Produkte über den gesamten Lebenszyklus, von der Markteinführung bis hin zur Abkündigung. Darüber hinaus analysiert und bewertet sie Markt- und Kundenanforderungen, damit das Produktportfolio an den Bedürfnissen und Prozessen der Kunden ausgerichtet wird.

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