Schweitzer Zukunftsforum

Legal Tech – so wichtig wie noch nie zuvor?

Impulse vom 5. Schweitzer Zukunftsforum „Legal Tech“

Von FFI-Verlag

„Seitdem ich mich mit Legal Tech beschäftige, ist noch nie so viel passiert wie in den letzten drei, vier Monaten“, stellte Legal Tech-Experte Patrick Prior in seinem Eröffnungsvortrag zum 5. Schweitzer Zukunftsforum Legal Tech fest. Höchste Zeit also für das diesjährige Schweitzer Zukunftsforum, das – wie zu erwarten – eine Vielzahl an Vorträgen zu den aktuellen Themen Künstliche Intelligenz und ChatGPT für die Anwaltspraxis bot. Das Veranstaltungsformat wurde in diesem Jahr leicht angepasst: Die Vorträge fanden über drei Tage verteilt nachmittags statt; zwei Nachmittage richteten sich an Kanzleien und ein Nachmittag hatte Rechtsabteilungen zur Zielgruppe. In unserem Veranstaltungsbericht fassen wir wichtige Impulse aus vier Vorträgen für Sie zusammen.

Tag 1: Legal Tech für Kanzleien

Wo steht Legal Tech heute?

Trotz des neuen Veranstaltungsformats begann das Schweitzer Zukunftsforum wie jedes Jahr mit dem Vortrag von Patrick Prior, der ein Update zu den Entwicklungen des Legal Tech-Markts im Vorjahr gab. Auffällig war, dass die Investitionen in den Legal Tech-Bereich im letzten Jahr um etwa 40 Prozent zurückgegangen sind. Zwar ist auch der gesamte VC-Funding Bereich zurückgegangen, aber nur um 21 Prozent.

Zusätzlich war das große Thema in Priors Update natürlich ChatGPT und die Auswirkungen auf die Rechtsbranche. Müssen Anwälte und Anwältinnen jetzt Angst um ihren Job haben? Nein, so Prior, sogar ganz im Gegenteil: Er zitierte den Google-CEO Sundar Pichai, der der Auffassung ist, dass der Anwaltsberuf durch KI sogar attraktiver wird: Schließlich könne die KI Anwältinnen und Anwälten sämtliche repetitive, ungeliebte Aufgaben abnehmen. Er prophezeit, dass es in zehn Jahren sogar mehr Berufsträger:innen geben wird als heute.

Prior schloss mit dem Appell, dass es vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz noch nie so wichtig war wie jetzt, im Legal Tech-Bereich up-to-date zu bleiben. Er empfahl Kanzleien mit mehreren Mitarbeitenden, jemanden einzustellen, der sich mit dem Thema Legal Tech beschäftigt und Kolleg:innen auf dem Laufenden hält.

Papierlos denken und arbeiten – Erfahrungen einer Kanzlei

Rechtsanwalt Cornel Pottgiesser gab in seinem Vortrag einen Einblick, wie seine Kanzlei die Umstellung auf die papierlose Arbeit vollzogen hat. Seiner Meinung nach sind dafür drei Schritte notwendig:

1. Papierloses Arbeiten vorbereiten

In diesem Schritt geht es darum, die Kanzlei auf die papierlose Arbeit vorzubereiten, indem man sich im Vorfeld Gedanken über die Technik macht, die zum papierlosen Arbeiten benötigt wird. Pottgiesser empfiehlt – neben geeigneter, leistungsfähiger Software – mindestens drei Bildschirme für jede:n Mitarbeiter:in anzuschaffen sowie Zeit in Spracherkennung und in gute Scanner zu investieren. Außerdem seien Backups unverzichtbar.

2. Papierlos denken

Dieser Schritt bezieht sich auf die Arbeitsweise: Es sei wichtig, dass nach der Umstellung alle Mitarbeiter:innen ausschließlich digital arbeiten. Das bedeutet: Es darf keine Medienbrüche mehr geben. So sollte z. B. nichts mehr ausgedruckt und unterstrichen werden.

3. Papierlos arbeiten

Stimmt die IT und ist die Mentalität des papierlosen Arbeitens bei den Mitarbeiter:innen angekommen, bietet papierlose Arbeit zahlreiche Vorteile wie Homeoffice-Möglichkeiten und flexibles Arbeiten von nahezu überall. Das führt dazu, dass die Arbeit und auch die Kanzlei als Arbeitsgeber attraktiver wird.

Tag 2: Legal Tech für Rechtsabteilungen

Unternehmerisches Handeln nachhaltig gestalten

Am Nachmittag des zweiten Veranstaltungstages führte Manuel Wehrle von der Haufe Group in das Thema Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialaspekten im Rahmen der Corporate Governance (ESG) ein. Das Thema ist für Unternehmen mit einem erhöhten regulatorischen Aufwand verbunden und wird nach Festlegung konkreter Standards auch für die anwaltliche Beratungspraxis relevant.

Treibende Kraft für das Thema Nachhaltigkeit in Unternehmen ist die EU mit ihrem Bestreben, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Auch die Kundschaft sowie Mitarbeitende eines Unternehmens betrifft das Thema: So sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vermehrt bereit, ihren Job zu kündigen, wenn das Unternehmen, für das sie arbeiten, nicht nachhaltig aufgestellt ist. Zusätzlich schätzen CFOs das Thema Nachhaltigkeit bei Finanzierungen als wichtig ein.

Folge dieser Entwicklung sind beispielsweise Regularien durch das Lieferkettengesetz sowie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Letztere ist im Januar in Kraft getreten und verpflichtet in Deutschland „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ mit mehr als 500 Mitarbeitenden ab 2024 zu einem erweiterten Nachhaltigkeitsbericht.

Schweitzer Zukunftsforum
Abb: Treiber der Nachhaltigkeit in Unternehmen

Tag 3: Legal Tech für Kanzleien

Intelligentes Aktenmanagement per KI

Derzeit spielt der effiziente Einsatz vorhandener Ressourcen eine größere Rolle denn je. Hier kommt JUNE ins Spiel, eine neue Kanzleisoftwarelösung, die RAin Katja Nikolaus im Vortrag „Expert:innen effizient einsetzen mit modernem Case Management“ vorstellte. Hauptziel der Software ist es, Akten zu strukturieren und Arbeitsabläufe zu optimieren – zumal das Know-how zur Prozessoptimierung in vielen Kanzleien noch fehle. Jüngste Weiterentwicklung von JUNE ist die Integration von ChatGPT. Damit lassen sich wiederkehrende Aufgaben wie das Eintragen von Fristen automatisieren und der Arbeitsaufwand reduzieren. Die Software nutzt KI, um Akten aufzubereiten, Themen herauszufiltern sowie Schriftstücke, Notizen und Aktennotizen zu erstellen. Das Ganze ausschließlich kanzleiintern und damit datenschutzkonform.

So helfe die Software, dem sich wandelnden Rechtsmarkt gerecht zu werden, in dem u. a. Fallpauschalen und Preiskampf zunehmen und Mandant:innen immer häufiger ein kontinuierliches Reporting erwarten.

Automation Schweitzer Zukunftsforum
Abb.: Katja Nikolaus spricht über die Automation bei JUNE

Legal Tech-Branche so spannend wie nie

Dem Schweitzer Zukunftsforum gelang es auch dieses Jahr, eine schöne Mischung an interessanten und praxisnahen Themen für den Kanzleialltag zu finden – auch jenseits der Hypethemen ChatGPT und Künstliche Intelligenz. Dass das Programm ansprechend und gut ausgewählt war, zeigte auch die rege Teilnehmerzahl. Das diesjährige Schweitzer Zukunftsforum hat noch einmal verdeutlicht, dass die Entwicklungen der Legal Tech-Branche momentan so spannend sind wie lange nicht mehr. Wir sind schon gespannt, welche Entwicklungen das Schweitzer Zukunftsforum nächstes Jahr aufgreifen wird – bis dahin halten wir Sie natürlich auf legal-tech.de auf dem Laufenden.

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