crm

Legal Tech Tools im Customer Relationship Management (CRM)

Teil 2: CRM in der Praxis


Von Dr. Anette Schunder-Hartung

Im ersten Teil des Beitrags Legal Tech Tools im Customer Relationship Management gab es eine Einführung in das Thema CRM und eine Übersicht darüber, in welchen Bereichen CRM eingesetzt werden kann. Der zweite Teil des Beitrags beschäftigt sich näher mit Legal Tech-Tools und Anbietern und was beim Einsatz des CRMs in der Kanzlei beachtet werden muss.

I. Professioneller CRM-Einsatz in Systemen

1. Systematik

Im professionellen Angang unterscheidet man im CRM die analytische und die operativen Mandantenpflege. Erstere zielt, wie der Name schon sagt, auf eine systematische Zergliede­rung der Kundenbeziehungen ab. Danach führt letztere die so gewonnenen Daten einer tatsächlichen Verwendung zu. Übertragen auf den Kanzleialltag erhält man auf diese Weise Aufschluss über Fragen wie:

  • Welche Vorgänge verdienen die meiste Aufmerksamkeit („A-Mandate“)? Welche Vorgänge sind weniger wichtig, welche weniger dringend? Was lässt sich nicht nur delegie­ren, sondern womöglich eliminieren?
  • In welchen neuen Rechtsgebieten lohnt es sich, mit einem Mandantenbrief oder anderen Maßnahmen nachzufassen?

Sodann bedient das kommunikative CRM die Schnittstelle zum (potenziellen) Mandanten auf unterschiedlichen Kom­munikationskanälen. Schließlich bedient sich das Collabora­tive CRM, wie der Name schon sagt, kanzleiübergreifender Kooperationsformen wie etwa externer Vertriebspartner, die es in ein integriertes Konzept mit einbezieht. In der Praxis ist das zunehmend mit Blick auf die bereits erwähnten Legal Tech-Plattformen von Interesse.

Im Sinne einer konsistenten Gesamtstrategie ist dabei aus Mandantensicht (Empfängerhorizont!) die Frage zu beantwor­ten, warum man

  • ausgerechnet diese Kanzlei
  • ausgerechnet jetzt
  • ausgerechnet mit den aktuellen juristischen Herausforde­rungen

betrauen sollte.

Entsprechend ist zunächst einmal in einem strukturierten Ver­fahren zu ermitteln, wer man ist – und vor allem: wer eher nicht. Erst aus der Antwort darauf ergibt sich die unverwech­selbare Markenbotschaft einer Sozietät. Je klarer und passgenauer eine Kanzlei ihr Profil ermittelt hat, umso besser kann sie es in einer multimedialen Welt dann auch schärfen.

Unter dem Strich steht ein erfolgreiches CRM im Digitalzeit­ alter damit für eine Kombinationsstrategie: Kanzleien müssen deutlich machen, warum es in einer verschärften Marktsitua­tion ohne sie nicht geht, und zwar mit professioneller, ganz­heitlicher Umsicht.

2. Tools und -Anbieter

Um in einem digitalen Umfeld wirksame Kundenpflege zu betreiben, bietet sich der Einsatz zahlreicher Softwareinstru­mente an. Zu ihnen zählen schlichte Outlook-Anwendungen und Excel-Tabellen genau wie Onlineformulare. Frage- und Antwort-Tools sind ebenso im Einsatz wie automatisierte Dia­logsysteme. Entsprechende Chatbots geben als virtuelle Assistenten auf entsprechende Text- oder Audioeingaben hin automatisierte Sofortantworten. Einer aktuellen Studie zufolge wird bereits 30 % der digitalen Kundenkommunikation über Chatbots abgewickelt, und zwar vor allem im Erst­kontakt (97 %) und im Kundenservice (51 %), daneben in der Produktberatung (39 %). Entsprechend hoch ist die Akzeptanz im Markt.

Allerdings sind in der strukturkonservativen Anwaltsbranche nach Beobachtung der Autorin Chatbots sehr viel weniger verbreitet als in den von Ihnen beratenen Unternehmen. Im Anwaltsmittelstand arbeitet man offenbar nicht selten noch mit Versatzstücken und tatsächlich: händisch gepflegten Tabellen. Professionelle CRM-Systeme sind nach Beobachtung der Autorin nur in einer sehr kleinen Gruppe von Großkanz­leien und technikaffinen Mittelständlern im täglichen Einsatz. Dabei handelt es sich häufig um international tätige Einheiten.

Ein im Toolbereich mehrfach genannter Name ist Salesforce. Mehrere Befragte betonten, zwar sei Salesforce nicht optimal auf ihren Arbeitsbetrieb zugeschnitten; es gilt als vertriebslastig. Im Vergleich empfänden sie diese Anwendung aber als am ehesten brauchbar. Zudem ist das System individuell anpassungsfähig. Als weitere bekannte CRM-Anbieter firmieren unter anderem CT Mobile, Eloqua, Facelift, HubSpot, Insightly, Microsoft Dynamics CRM, Monday, NetSuite, Ora­cle, Pipedrive, SAP, Scoro, Smartsheet, Sugar, Sunrise Soft­ware, SuperOffice, TecArt, Zendesk oder auch Zoho. Entspre­chende Testvergleiche werden regelmäßig auf freizugängli­chen Internetportalen veröffentlicht.

Eine große Anzahl von Vorgängen lässt sich allerdings auch über Plattformen wie LexisNexis InterAction oder mit Microsoft Dynamics 365 abbilden. Für Mittelständler sind (Cloud-)Angebote von actaport über Kleos bis pipedrive geeignet. Dabei ist generell zu beachten, dass zahlreiche Kanzleisoftware-Anbieter integrierte CRM-Systeme anbieten. Dienstleister wie DATEV vertreiben lieber entsprechende eigene Erweiterungen als Schnittstellen zu externen Tools. Schließlich lassen sich die Online-Akten einer Kanzleisoftware wie AnNoText sogar auf kanzleieigene Websites einbinden.

II. CRM im Praxiseinsatz

1. Festlegung von Arbeitszielen

Vor der Implementierung eines zu aufwändigen Systems kann trotz allem nur gewarnt werden: Dass ein System zuverlässig und einfach zu bedienen ist, sollte im Konfliktfall wichtiger als der Einsatz innovativer Funktionen sein. Um ein CRM­ Tool effektiv nutzen zu können, ist vor allem eines von Bedeutung – man muss wissen, wozu man es nutzen möchte.

So sollte sich die Sozietät frühzeitig klarmachen, zu welchem Zweck sie ein CRM-System einsetzen möchte. Daten zu migrieren, bestehende Informationen durchzusehen, zu aktua­lisieren und anzureichern ist aufwändig. Umso wichtiger sind präzise Zweck- und Verantwortlichkeits-Festlegungen. Eine entsprechend saubere Definition der Anordnungen an das kanzleieigene System, verbunden mit entsprechenden Milesto­nes, ist das A und O. Um zu einer solchen Definition zu gelan­gen, hat sich in der Praxis strategischer Geschäftsentwicklung das Vorgehen nach der so genannten SMART-Formel bewährt. Um ein brauchbares Ziel festzulegen, fassen Sie es danach möglichst spezifisch, messbar, attraktiv, realisierbar und termi­niert.

Schließen Sie an Ihre SMARTe CRM-Zielfestsetzung unbedingt eine qualifizierte Vorteils-Nachteils-Prüfung an. Wie jede andere Zielerreichung ist die CRM-Implementierung nämlich nicht nur mit Vorteilen verbunden, sie birgt auch materielle und immaterielle Kosten. Umgekehrt ist ein Kol­lateralnutzen damit verbunden, wenn Sie alles beim Alten lassen: Im einfachsten Fall ersparen Sie sich entsprechenden Aufwand, zudem gehen Sie keine Risiken ein, die auf Sie zurückfallen könnten. Wenn Sie Art und Umfang dieser Fak­toren nicht sauber herausarbeiten, riskieren Sie die Selbstsabo­tage.

Geht es nach dem Ergebnis einer entsprechenden Prüfung dann z. B. nur um die Ablösung der bisherigen Adressdatenbank, benötigt man kein allzu aufwändiges System. Im Gegenteil: Unnötiger Aufwand schreckt ab. Die Alternative ist die von einigen Kanzleien bereits praktizierte Schaffung umfangreicher Schnittstellen zu weiteren Kommunikations­tools, zu Dokumentenmanagementsystemen und Abrechnungsprogrammen.

2. Pflichtenhefte

In der Praxis hat sich bei der Auswahl des zum Anforderungs­profil am besten passenden CRM-Systems die Anlage eines Pflichtenhefts bewährt. Dort lassen sich operative Anforde­rungen – etwa Schnittstellenbeschreibungen – ebenso doku­mentieren wie Qualitätsanforderungen – etwa Effizienz und Benutzerfreundlichkeit. Daneben sind technische, Ressourcen- sowie Validitäts- und Wartungsanforderungen zu berück­sichtigen, bei denen es beispielsweise auch um Schulungsde­tails gehen kann. Wesentliche inhaltliche Bestandteile des Pflichtenhefts sind:

  • Eindeutigkeit und Verständlichkeit. Danach sind die Anforderungen der Kanzlei an das System interpretations­ frei beschrieben, Fachbegriffe werden separat erörtert, und auch IT-Termini werden in eine für Laien verständliche Sprache übersetzt.
  • Nachvollziehbarkeit und Verifizierbarkeit. Danach ist plausibel beschrieben, wie das Anforderungspaket zum erwünschten Erfolg beitragen wird. Die Erfüllung der gestellten Anforderungen ist in verhältnismäßigem Rah­men nachprüfbar.
  • Vollständigkeit und Konsistenz. Die Anforderungen sind weder lückenhaft beschrieben noch stehen sie einander im Wege.
  • Es muss Spielraum für Anpassungen geben.

Dem Pflichtenheft vorgelagert empfiehlt sich in komplexen Fällen die Anlage eines Lastenhefts, in dem die Wünsche und Anforderungen an das CRM-System kanzleiweit zusammenge­tragen werden. Entsprechende Lastenhefte eignen sich nicht zuletzt als Grundlage für entsprechende Ausschreibungen. Das einmal ausgewählte System lässt sich dann in vielen Fällen im Probebetrieb nutzen. Zahlreiche Anbieter stellen zu diesem Zweck zeitlich begrenzte Demo-Systeme zur Verfügung, die auch Testdaten umfassen. Zudem lässt sich auf die Erstellung von Prototypen in einem Testsystem zurückgreifen.

In jedem Fall ist eine systematische, nachvollziehbare und transparente Datenpflege von essenzieller Bedeutung. Dass nicht auch in der nächsten Vorweihnachtszeit wieder das Adresschaos um die Weihnachtskarten einsetzt, ist 2022 Minimalstandard. Darüber hinaus lassen sich im CRM Mandatsvereinbarungen ebenso hinterlegen wie Reminder für turnusmäßige Gespräche mit Mandanten über Honorarerhöhungen. Über Reporting- und Controlling-Funktionalitäten lassen sich Erfolge und Misserfolge von Marketingmaßnahmen heute in hohem Maße verfolgen. Tatsächlich berichten die Marketingmanager vieler Kanzleien, dass dieser Umstand großen Einfluss auf Ihre tägliche Arbeit hat. Das gleiche gilt im Übrigen mit Blick auf Akquisemaßnahmen, erfolgreiche und erfolglose Pitches und vieles mehr.

3. Anbindung

Ein essentieller Vorteil eines guten CRM ist die Möglichkeit, im Mandatsgeschäft Querverbindungen zu ziehen: Welcher Anwalt, womöglich an einem anderen Standort oder in einer anderen Praxis- bzw. Branchengruppe, hat zum gleichen Mandanten inwiefern ebenfalls eine Beziehung aufgebaut? Hier lassen sich erhebliche weiterführende Cross-Selling­-Potenziale heben. Voraussetzung dafür ist zusätzliches Wissen über Expertise und Interesse der (potenziellen) Geschäftspartner, das dann auch entsprechend abrufbar sein muss – sei es, dass die Betreffenden leidenschaftliche Stadtmenschen sind, Oldtimer sammeln oder sich ein Treffen mit dem Dalai Lama wünschen. Solche ergänzenden Anknüpfungspunkte jenseits der fachlichen Ebene sind als Hilfestellungen nicht zu unterschätzen. Ergänzend empfehlen sich Angaben über die Historie und das Zustandekommen des Kontakts.

III. Fazit

Als Anwaltssozietät können Sie im Rahmen Ihrer Mandantenbetreuung entweder auf ein professionelles Customer Relationship Management- oder CRM-System zurückgreifen. Oder aber Sie behelfen sich mit konventionelleren Maßnahmen, die deswegen noch lange nicht auf das analoge Zeitalter beschränkt bleiben müssen. Um CRM-Instrumente effektiv nutzen zu können, ist vor allem eines von zentraler Bedeutung: Sie müssen sich kanzleiweit darüber im Klaren sein, wozu Sie sie verwenden wollen. CRM ist ebenso sehr eine Frage der subjektiven Einstellung wie der objektiven Organisation. Es ist ein Mittel zum Zweck, ersetzt allerdings auch im Digitalzeitalter nicht Ihr sorgfältig abgeklärtes Selbstverständ­nis hinsichtlich Ihrer Sondermerkmale im Markt. In diesem Sinne tragen CRM-Maßnahmen zur besseren Mandantenzen­trierung bei und sind ein entsprechend zentraler Baustein ihres Kanzleierfolgs.

Lesen Sie im ersten Teil des Beitrags, in welchen Bereichen CRM eingesetzt werden kann und warum sich der Umgang damit lohnt.

Hinweis | Dieser Beitrag wurde für die Veröffentlichung auf legal-tech.de gekürzt. Den vollständigen Beitrag können Sie in der Zeitschrift LTZ Ausgabe 2/22 nachlesen.

Alle Infos zum Abonnement finden Sie hier:

Bild: Adobe Stock/©photon_photo
Weitere Beiträge

Dr. Anette Schunder Hartung ist seit über 30 Jahren Juristin und war in dieser Zeit in unterschiedlichen Positionen tätig, u. a. viele Jahre lang als Schriftleiterin der NJW-Gruppe, zuletzt als Chefredakteurin des Anwaltshandbuchs Kanzleien in Deutschland. Zudem hatte die Rechtsanwältin an der Frankfurter Universität von 2008 – 2013 den Lehrauftrag für Vergaberecht inne. Seit 2015 berät sie als Inhaberin von aHa Strategische Geschäftsentwicklung mit ihrem Team Kanzleien, Unternehmen, Medienhäuser und Hochschulen.

Was ist Ihr beruflicher Status?

close-link
Nach oben scrollen