Legal Tech CRM

Legal Tech Tools im Customer Relationship Management (CRM)

Teil 1: Einführung und CRM als Maßnahmenpaket


Von Dr. Anette Schunder-Hartung

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind Dienstleister. Auch wenn § 1 BRAO seit jeher betont, dass es sich bei ihnen um unabhängige Organe der Rechtspflege handelt, so muss doch gleichzeitig die Kasse stimmen. Ansonsten droht ihnen der Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Das wiederum heißt, dass sie auch ökonomisch gedeihliche Mandantenbeziehungen führen müssen. Um das professionell zu tun, sind sie gut beraten mit einem systematischen Customer Relationship Management oder kurz: CRM. Legal Tech Tools können sie dabei nachhaltig unterstützen.

I.  Einführung: Mandantenpflege im Strukturwandel

Customer Relationship Management oder CRM ist ein Ins­trument aus der Betriebswirtschaftslehre, genauer: dem Mar­keting. Im wörtlichen Sinne steht der Begriff für die Handha­bung von Kundenbeziehungen aller Art an der Schnittstelle zwischen Marketing-, Vertriebs- und Serviceprozessen. Gemeint ist damit in unserem Fall das Nachhalten, das Steu­ern, Kontrollieren, entsprechende Optimieren von Mandan­tenbeziehungen. Dabei gelten im anwaltlichen Bereich zahl­reiche Besonderheiten. Die Juristenwelt ist ungeachtet aller Marktveränderungen[1] eine strukturkonservative Branche, die auch im Bereich der Digitalisierung eher zögerlich auf Neue­rungen reagiert. Dabei ist vom „individualistisch-skeptische(n) Grundtypus des anwaltlichen Beraters“[2] die Rede, der „konser­vativ und veränderungsresistent“ ist. Zwischen Anwaltskanzleien und beispielsweise Werbetreibenden, bei denen Augmented Reality Solutions in Marketing, Vertrieb und Bera­tungsservice gelebte Realität sind, liegen im Jahr 2022 Welten. Insoweit spielt auch eine Rolle, dass Anwaltssozietäten noch immer werberechtlichen Restriktionen unterliegen. Eine zen­trale Rolle nehmen dabei §§ 43 ff. der Bundesrechtsanwaltsord­nung (BRAO) ein. Zwar ist hier eine Liberalisierung zu beob­achten. Von einer Gleichstellung mit anderen Dienstleistern kann aber keine Rede sein.

In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich das CRM vom Punkt, an dem Sie auf sich auf sich aufmerksam machen, über die Akquise mit Erstkontakt und Angebotserstellung bzw. einem Pitch bis hin zur Kundenpflege und Kundenbindung und ent­sprechenden Ausbaumaßnahmen mit Blick auf den Geschäfts­kontakt.

Das alles kann händisch geschehen, effektiver funk­tioniert der beschriebene Prozess aber mit automatisierten Vertriebstools. Dabei sind die Zeiten, in denen Rechtsdienst­leistungen im Gegensatz zu anderen in einer Art Black Box daherkommen konnten, lange vorbei. Auch die Nachfrage­seite ist heute juristisch versierter als früher. Dort, wo sie nicht gleich entsprechend vorgebildet ist, womöglich selbst Anwaltserfahrung besitzt, besteht oft angelesenes (Internet-)Wissen. Zahllose Ratgeber und Leitfäden, Verbände oder auch Auskünfte im Zuge anderer Tätigkeiten nach § 5 des Rechts­dienstleistungsgesetzes (RDG) tragen dazu bei, den Druck zu erhöhen. Passend dazu sagt ein Trendpapier des US-Marktforschungsinstituts Gartner vom Februar 2021 für Unternehmens­mandate zunehmend aggressive Entscheidungskämpfe vor­aus.

Gleichzeitig gewinnen allenthalben standardisierte Optionen an Bedeutung, die über nicht kanzleigebundene Plattformen vertrieben werden. Hier geht es längst nicht mehr um einfa­che Wenn-Dann-Subsumtionen. Vielmehr stehen Lösungsan­gebote von stetig steigendem Umfang und wachsender Quali­tät in Rede. Je größer die dort verfügbaren Datenbestände sind, vor allem. Je besser die sie verarbeitenden Algorithmen werden, umso qualifizierter werden solche Rechtsdienstleis­tungen teils großer Drittanbieter. Obwohl der Vertrieb von Rechtsdienstleistungen entsprechend schwieriger wird, ver­läuft die anwaltliche Pflege der Kundenbeziehungen auch in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts oft eher unsystematisch. 2013 hatte anlässlich des Deutschen Anwaltstags eine große Prognos-Studie der überwiegenden Mehrheit der Sozietäten eine „breit gestreute, nicht fokussierte Mandantenansprache“[3] attestiert – daran hat nach eigener intensiver Beobachtung auch die heraufziehende digitale Transformation nichts Grundlegendes geändert. In vielen Fällen wechseln noch immer zu textlastige Homepages, redundante Newsletter und jährliche Mandantenveranstaltungen einander aufs langwei­ligste ab.

Was analoge Formate betrifft, wurden diese mit Einsetzen der Covid-19-Krise im März 2020 ihrerseits in nie gekanntem Maße ausgebremst. Als digitale CRM-Mittel der Wahl traten zunächst viele Webinar-Angebote auf den Plan, allerdings zeig­ten sich auf Mandantenseite schon bald Ermüdungseffekte. Ursächlich dafür erscheint nicht zuletzt die mangelnde Einbettung solcher Formate in eine konsistente Gesamtstrategie. Onlinepublikum neigt zur Ungeduld – wer ihm nichts Beson­deres bietet, verliert rasch seine Aufmerksamkeit.

II.    CRM als Maßnahmenpaket

CRM-Maßnahmen bedeuten nicht automatisch die Verwen­dung von CRM-Software. Im Rahmen einer gelungenen CRM-Kommunikation bietet sich eine Mischung aus unter­schiedlichen Instrumentarien an, die allein, miteinander kom­biniert bzw. zeitversetzt zum Einsatz gebracht werden können. Organisatorisch unterscheidet man insoweit zwischen „Out­bound“ gestalteten Angeboten, bei denen die Sozietät von sich aus Kontakt zur potenziellen und bestehenden Mandantschaft aufnimmt. Der „Inbound“-Bereich hingegen zielt auf die Sichtbarkeit und Markenbekanntheit der Kanzlei ab. Hier sollen Mandanten und Mandantinnen Inhalte finden, wenn diese zu dem entsprechenden Zeitpunkt für sie relevant sind, z.B. abrufbare Serviceleistungen. Unter Inbound wird u.a. aber auch Suchmaschinenoptimierung und -werbung sowie Social Media Marketing subsumiert. Teilweise gibt es insoweit Überschneidungen mit Fragen der herkömmlichen Büroorganisation, die ihrerseits zu den integralen Bestandteilen des modernen Kanzleimanagements zählt.

1. Virtueller Bereich

Einige Möglichkeiten, die sich im virtuellen Kommunikati­onszeitalter insoweit besonders anbieten, sind:

  • Artikel in Onlinemedien
  • Audio- oder Video-Podcasts
  • Blogpublikationen in eigenen oder fremden Formaten
  • Diskussionsteilnahmen in externen virtuellen Foren
  • Marketingmaßnahmen aller Art, z. B. visuelle Ads
  • Online-Newsletter und -seiten
  • Online-Pressespiegel
  • Search Engine Advertisement (SEA)
  • Social Media-Accounts
  • Virtuelle Empfänge und virtuelle Messen
  • Webinare Webinar-Sponsorings
  • Websiteerstellungund -pflege

Dabei sind seit dem In-Kraft-Treten der Datenschutz-Grund­verordnung (DSGVO) im Mai 2018 allerdings aus Marketing­perspektive einige Erschwernisse zum Schutz der Mandantens­phäre zu gewärtigen. Sie betreffen unter anderem das Verbot eines ungefragten Nachverfolgens oder „Trackens“ – auch – durch Untersuchungsinstrumente wie Google Analytics als Drittanbieter. Damit sich Kanzleien entsprechender Mittel zur Abfrage des Suchverhaltens bedienen dürfen, müssen sie von den Besucherinnen und Besuchern ihrer Websites eine entsprechende Zustimmung für die Verwendung von Cookies und Online-Tracking auf Ihrer Website einholen, die der DSGVO und ePrivacy-Richtlinie (ePR) entspricht.

2. Social CRM

Für die Mandantenkommunikation über soziale Medien oder Netzwerke, das heißt

  • Beiträge auf LinkedIn, Xing, Twitter, Facebook, Instagram
  • Kommentare in Blogs und sonstige Posts sowie den
  • Mailverkehr

hat sich seit einigen Jahren der Begriff der Social CRM etabliert. Während man hier in kommunikationstheoretischer Hinsicht je nach Austauschstruktur unterscheiden kann zwi­schen von der Kanzlei selbst erstellten Inhalten oder anderer­seits User-generated bzw. Third Party Content und Dialog Media, ist aus kanzleistrategischer Sicht vor allem eine Nut­zenklassifizierung sinnvoll. Insoweit bieten sich[4] unter ande­rem zum Einsatz an:

  • Social Analytics oder SA mit der Analyse strukturierter Daten wie etwa Likes auf LinkedIn-Beiträge
  • Social Community Management oder SCM als themenba­sierte Gruppeninteraktion

Erfolgsvoraussetzungen sind in allen Fällen, dass die betreffenden Maßnahmen beständig fortgeführt und weiterentwi­ckelt werden, während gleichzeitig eine intensive Auseinandersetzung mit der Materie aus Empfängerperspektive stattfin­det.

Lesen Sie im zweiten Teil des Beitrags, welche Tools und Anbieter es für das CRM in der Kanzlei gibt und wie Sie dieses in der Praxis einsetzen.

Hinweis | Der Beitrag wurde erstveröffentlicht im Nomos Verlag in der Zeitschrift
LegalTech: Zeitschrift für die digitale Rechtsanwendung.

Alle Infos zum Abonnement finden Sie hier:

[1] Schieblon/Tillmanns, Marketing für Kanzleien und Wirtschaftsprüfer, 4. Aufl. 2018, S. 33.
[2] Zitat aus der Ansprache der ehemaligen Bundesjustizministerin Zypries vom 9.2018 auf dem AnwaltsZukunftsKongress 2018 vom 13. und 14.9.2018 in Düsseldorf.
[3] Prognos, Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030, 2013, S. 14.
[4] Nach Müller, CRM in der Praxis, 2015, S. 31.
Bild: Adobe Stock/©Sammby
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Dr. Anette Schunder Hartung ist seit über 30 Jahren Juristin und war in dieser Zeit in unterschiedlichen Positionen tätig, u. a. viele Jahre lang als Schriftleiterin der NJW-Gruppe, zuletzt als Chefredakteurin des Anwaltshandbuchs Kanzleien in Deutschland. Zudem hatte die Rechtsanwältin an der Frankfurter Universität von 2008 – 2013 den Lehrauftrag für Vergaberecht inne. Seit 2015 berät sie als Inhaberin von aHa Strategische Geschäftsentwicklung mit ihrem Team Kanzleien, Unternehmen, Medienhäuser und Hochschulen.

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