Von Dr. Anette Schunder-Hartung
„Tech“ meint mehr als Softwarelösungen im Backoffice. Diese Erkenntnis hat sich Anfang der 20er Jahre auch in der Legal Community festgesetzt. Entsprechend wichtig ist es besonders für den gestaltend-anwaltlichen Bereich, entsprechende Handlungsstrategien zu entwickeln. Diesem Vorhaben widmet sich ein neues Beck-Softcover, das Dr. Frank Remmertz gerade mit Unterstützung einiger hoch renommierter Kolleg:innen herausgegeben hat.
Der Fokus seines Werkes liegt auf dem anwaltlichen Berufsrecht. Dazu hat Remmertz gemeinsam mit Dr. Susanne Offermann-Burckart und Dr. Tanja Nitschke sowie Dr. Alexander Siegmund das zentrale zweite Kapitel verfasst, das allein fast die Hälfte des Buches einnimmt. Den Anschluss-Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit mit entsprechenden Legal Tech-Akteuren. Im Rahmen dessen untersucht mit Stephan Kopp ein weiterer langjährig erfahrener Praktiker die Möglichkeiten und Grenzen nach anwaltlichem Gesellschaftsrecht. Dabei kommen auch weiterführende Beteiligungsfragen und Reformbestrebungen zu Wort.
Allein, dass der Verlag die Co-Autor(inn)en des Buchs nicht ausführlicher vorstellt, ist sehr zu bedauern.
Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Zeitalter
Was die Autorinnen und Autoren – auch zu datenschutz-, versicherungs-, haftungs- und sanktionsrechtlichen Fragen – zu sagen haben, hat es nämlich wirklich in sich: Es geht um nicht weniger als um die Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Anwaltschaft im digitalen Zeitalter. Um nur eine Beispielsfrage herauszugreifen: Wie offen ist unser Berufsrecht für innovative Vertriebsmodelle? Das betrifft den Einsatz von Chatbots und Online-Formularen ebenso wie Rechtstextgeneratoren und Smart Contracts. Die saubere verständliche Erläuterung des Umstands, dass es sich dabei eigentlich um Programme (und nicht i.e.S. um Verträge) handelt, zählt ebenso wie die einführenden Begriffserklärungen von Dr. Susanne Reinemann zu den vielen Stärken des Buches.
Von Vermittlungsplattformen über das beA bis hin zu berufsrechtlichen Fragen
Ebenfalls sehr zu loben ist das ausführliche Eingehen auf Vermittlungsplattformen für anwaltliche Leistungen. Nach Meinung vieler Expert:innen stehen wir im E-Plattformbereich generell erst am Anfang einer Entwicklung, deren Auswirkungen sich auch auf unseren Berufsstand noch gar nicht abschätzen lassen. Eine weitere wichtige Frage ist die nach Berufsausübungsgesellschaften, und selbstverständlich spielt auch der Umgang mit dem beA eine besondere Rolle. Ein gut strukturiertes steuerrechtliches Kapitel von Dr. Kai Greve, ausführliche Schrifttumsnachweise und schließlich auch ein Index runden das Buch ab.
Vergegenwärtigt man sich, dass die Anwaltschaft zwischen Covid-Krise und Convenience-Angeboten ohnehin stärker unter Druck denn je steht, kann es eigentlich nur eines geben: Ärmel aufkrempeln, Gegenstrategien entwickeln. Hier kommt die Neuerscheinung von Remmertz genau zum richtigen Zeitpunkt.
Legal Tech-Strategien für Rechtsanwälte
Dr. Frank Remmertz
Verlag C.H.Beck, München 2021, ISBN 978-3-406-74372-6, 317 Seiten, 89,00 EUR
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Weitere Rezensionen (i. Ausw.): https://aha-kanzleientwicklung.de/aktuelles/publikationen/
Foto: Buchcover „Legal Tech-Strategien für Rechtsanwälte“
Dr. Anette Schunder Hartung ist seit über 30 Jahren Juristin und war in dieser Zeit in unterschiedlichen Positionen tätig, u. a. viele Jahre lang als Schriftleiterin der NJW-Gruppe, zuletzt als Chefredakteurin des Anwaltshandbuchs Kanzleien in Deutschland. Zudem hatte die Rechtsanwältin an der Frankfurter Universität von 2008 – 2013 den Lehrauftrag für Vergaberecht inne. Seit 2015 berät sie als Inhaberin von aHa Strategische Geschäftsentwicklung mit ihrem Team Kanzleien, Unternehmen, Medienhäuser und Hochschulen.