German Legal Tech Hub

„Im Fahrersitz von Legal Tech sitzt immer noch der Mensch“

Thorsten Ramus, Mitgründer des German Legal Tech Hubs, über das Jahr 2023

Anfang 2023 ist der German Legal Tech Hub (GLTH) an den Start gegangen mit dem Ziel, eine Plattform für den Austausch zwischen den verschiedenen Marktteilnehmenden zu schaffen und den Zugang zu Legal Tech zu erleichtern. Ein Jahr nach dem Launch der Plattform blickt der German Legal Tech Hub auf ein erfolgreiches Jahr zurück, in dem unter anderem erstmals der „German Legal Tech Summit“ in Hannover stattfand. Wir sprachen mit Thorsten Ramus, Co-Founder des German Legal Tech Hubs, über die Entwicklung der Legal Tech-Startup-Szene in 2023, die wichtigsten Erkenntnisse aus dem German Legal Tech Summit und die Pläne für 2024. Im Interview verrät der GLTH außerdem, welche Start-ups und Themen derzeit für die Legal Tech-Branche besonders relevant sind.

Thorsten, wie hast du das Jahr 2023 aus Legal Tech-Perspektive wahrgenommen?

Thorsten Ramus: Im November 2022 wurde durch den Durchbruch von OpenAI eine große Welle in Gang gesetzt. 2023 ging es darum, zu verstehen, welchen Nutzen die Large-Language-Modelle für die Rechtsbranche stiften können. Da die Rechtsbranche immaterielle Güter absetzt, wurde schnell klar: Das Potential ist riesig. Unseres Erachtens ist das in den Köpfen der Erwerbstätigen mit juristischen Tätigkeiten – egal ob in der Justiz, dem öffentlichen Dienst, in Kanzleien oder Rechtsabteilungen – schnell angekommen und hat verstärktes Interesse ausgelöst: in der Vernetzung, der Pilotierung, aber auch, wie zukünftig strategisch damit umzugehen ist.

Sehr interessant ist auch zu beobachten, welche neuen Ansätze für die Kund:innenansprache entstehen. Sowohl neue Kanäle als auch die Technologisierung spielen hierbei wieder eine bestimmende Rolle. Low-/No-Code-Anbieter, wie z. B. LoyJoy aus Münster, aber auch die Hyperpersonalisierungs-Vorreiter der Personal Business Machine AG aus Köln sind uns besonders aufgefallen. Nicht zuletzt finden wir die Aktivitäten von stp.one sehr spannend, da sie mit der Akquisition von Knowliah im Juli 2023 in den Rechtsabteilungsmarkt eingestiegen sind und mit ihrem Marketplace-Ansatz den Nerv der Zeit treffen.

Wie hat sich die Legal Tech Start-up-Szene aus deiner Sicht in 2023 entwickelt?

Zwei Themen sind besonders aufgefallen:

  • Legal Analytics / Monitoring
    In diesem Bereich sind zwei Unternehmen auf einem richtig guten Weg: Als erstes ist hier iur.crowd zu nennen – die Gewinner der Start-up Trophy unseres German Legal Tech Summits 2023. Das Start-up hilft Anwält:innen, indem es das Entscheidungsverhalten der Justiz analysiert, wodurch die Mandate intelligenter und systematischer bearbeitet werden können. Das zweite Unternehmen ist LEX AI. Als wir LEX AI kennenlernten, assoziierten wir sie sofort mit „Blinkist für den Rechtsmarkt“. Wenn wir an die ansteigende Komplexität hinsichtlich der Regulatorik denken, ist diese Plattform äußerst effektiv und nutzer:innenorientiert.
  • Legal Automation mit angrenzenden Wirtschaftszweigen
    Hierfür ist das Unternehmen AQUATY ein gutes Beispiel, da sie Unternehmen und Investierende zukünftig effizienter zusammenbringen möchten, als über aktuelle SPV (Special Purpose Vehicle) in Form von Unternehmensbeteiligungen. Um solch ein Geschäftsmodell zu entwickeln, sind sehr spezielle Fähigkeiten aus Banking, Regulatorik, Gesellschaftsrecht und Softwareentwicklung vonnöten.

Ihr habt im November zum ersten Mal den German Legal Tech Summit veranstaltet, der mit rund 200 Teilnehmenden auf großes Interesse gestoßen ist. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Summit?

Die wichtigsten Erkenntnisse waren für uns, dass wir eine Atmosphäre geschaffen haben, in der Themen rund um den Bereich Legal Tech diskutiert werden konnten – auf Augenhöhe, mit Zuversicht und im „geschützten Raum“. Es war eine überaus positive Stimmung unter den diversen Teilnehmenden zu spüren, die aus dem ganzen Bundesgebiet nach Hannover gekommen sind. Besonders hat uns auch der Schulterschluss von drei niedersächsischen Ministerien gefreut, die das Thema umtreibt und uns sehr zugewandt sind.

Konsens herrschte auch darüber, dass im Fahrersitz von Legal Tech immer noch der Mensch sitzt. Technologien an sich entfalten erst ihren Nutzen, wenn wir sie verstehen, akzeptieren und anwenden.

Dafür müssen Organisationen Strukturen und Prozesse anpassen. Aber auch die Geisteshaltung und Leadership spielen eine wesentliche Rolle, um zukünftig (noch) erfolgreich zu sein. Das hat uns unsere Keynote Speakerin Jo Aschenbrenner in ihrem Vortrag auch in bemerkenswerter Weise mit auf den Weg gegeben.

Eindrücke vom German Legal Tech Summit 2023

Was war euer persönliches Legal Tech Highlight aus dem letzten Jahr?

Wir sind 2023 auf der Legal Tech-Landkarte erschienen und haben physische Präsenz gezeigt, was im ersten German Legal Tech Summit mündete. Zudem haben wir eine digitale Community-Plattform rund um das Thema Legal Tech initiiert und installiert. Sie versteht sich als Expert:innen-Netzwerk der Branche, bringt Beteiligte fernab von persönlichen Begegnungen zusammen und hält alle Mitglieder „up to date“. Das war viel Arbeit, die glücklicherweise auf sehr positive Resonanz stößt und uns Rückenwind gibt. Für das erste Quartal in 2024 planen wir ein „Grand Opening“ für alle Legal Tech-Interessierten. Also: Stay tuned.

Was können wir in 2024 vom German Legal Tech Hub erwarten?

Der German Legal Tech Summit wird in die nächste Runde gehen: Mehr Interaktion und noch mehr „frisches Blut“ in den Legal Tech-Markt zu bringen, sind uns besondere Anliegen. Wir haben festgestellt, dass viele Lösungsanbietende den Rechtsmarkt gar nicht auf dem Schirm haben, obwohl gerade hier der Bedarf sehr hoch ist. 2024 planen wir, u. a. vier große Städte mit unserer Roadshow anzusteuern; im Gepäck immer die neuesten Themen, Entwicklungen und Persönlichkeiten, die aus dem Legal Tech-Nähkästchen berichten.

Nicht zuletzt brauchen wir mehr Hände, um unser Start-up-Programm, das uns sehr am Herzen liegt und inspiriert, auf ein breiteres Fundament zu stellen. Die Anfragen sind größer als ursprünglich gedacht, daher brauchen wir noch personelle Unterstützung im Team. Bei Interesse meldet Euch gern unter info@germanlegaltechhub.com

Vielen Dank für das Interview.

Bildquelle: Adobe Stock/Moor Studio
Weitere Beiträge

Thorsten bringt mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Finanzierung von Start-ups, dem Aufbau und Betrieb von Start-up-Programmen sowie dem Bereich von Corporate-Innovation mit. Er ist zudem Design Thinking & Lean Start-up Coach und beschäftigt sich seit längerem mit Agile Leadership.

LinkedIn Profil

Nach oben scrollen

Immer up-to-date in Sachen Legal Tech
mit dem Legal Tech-Newsletter!

Abonnieren Sie jetzt unseren
Newsletter und erhalten Sie
alle Magazinausgaben und
die neusten Beiträge des Blogs direkt in Ihr Postfach: