ChatGPT Jurastudium

Drei Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT im Jurastudium und in der Examensvorbereitung

Tipps von einem GPT-Fanatiker

Von Michael vom Feld

In diesem Beitrag möchte ich dir drei Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT im Jurastudium und in der Examensvorbereitung vorstellen. ChatGPT kann dir unter anderem helfen,

  • Rechtsnormen besser zu verstehen,
  • Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und
  • Quiz zwecks aktiver Abfrage zu erstellen.

Jedoch möchte ich die Einsatzmöglichkeiten nicht bloß theoretisch beschreiben. Deshalb findest du nachfolgend zu jeder der o. g. Einsatzmöglichkeiten ein passendes Beispiel. Dabei bezeichnet Input jeweils den Prompt respektive die Eingabeaufforderung und Output die »Antwort« von ChatGPT. Ich werde zunächst einen gängigeren, weniger durchdachten Prompt verwenden und diesen dann verfeinern. Diese Vorgehensweise kann dir einen Eindruck davon vermitteln, wie du bei der Arbeit mit dem Tool „nachhelfen“ kannst, um die nützlichsten Ergebnisse zu erhalten.

I. Bildung von Mini-Fällen zum besseren Verständnis von Rechtsnormen

Ein innovativer Ansatz, ein besseres Bild von Rechtsnormen und ihrem praktischen Nutzen zu gewinnen, ist die Bildung von Mini-Fällen mithilfe von ChatGPT. Diese simplen, superkurzen Fälle – oder wie ich sie nenne: tatsächlich einfachen Fälle – ermöglichen es Studierenden, komplizierte abstrakte Konzepte in konkreten Kontexten zu erfassen und ihre Anwendung zu erlernen.

Durch die Zitation und Eingabe von Paragrafen kann ChatGPT Mini-Fälle erstellen, die auf spezifische Normen zugeschnitten sind.

Input:

Bitte bilde einen tatsächlich einfachen Fall zu § 832 Abs. 1 S. 1 BGB.

Output:

gpt_screenshot1

Das hat überhaupt nicht funktioniert – geht ja gut los! 🤣 ChatGPT wirft Normen gerne durcheinander. Der Bot arbeitet viel zuverlässiger, wenn du einen Rahmen schaffst, in dem er sich bewegen kann, ohne – vereinfacht gesprochen – in den Daten wühlen und »nachsehen« zu müssen, welchen Fall § 832 Abs. 1 S. 1 BGB regelt.

Input-Alternative:

Bitte bilde einen tatsächlich einfachen Fall zu dieser Norm.

§ 832 Haftung des Aufsichtspflichtigen

(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

Output:

gpt_screenshot2

Der Unterschied in der Präzision des Outputs ist evident. Solange du ChatGPT einen äußeren Rahmen stecken kannst, erhältst du so gut wie immer bessere Resultate.

II. Filterung von Kernaussagen aus umfangreichen Texten zur Priorisierung des Lernstoffs

Du wirst bereits früh im Jurastudium mit einer gigantischen Stoffmenge konfrontiert – und jeden Tag werden etliche Urteile gefällt, die theoretisch Gegenstand deiner nächsten Klausur sein könnten.

Das Ergebnis: Du bist heillos überfordert und fragst dich, wie du dir das alles merken sollst. Du glaubst, alles sei mehr oder weniger gleich wichtig, und siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Dabei vergisst du, dass du 80 Prozent (und mehr!) der Informationen, die dir im Laufe des Studiums begegnen, überhaupt nicht benötigst, um das Examen zu bestehen. Der Großteil aller Klausuren lässt sich nämlich schon mit den richtigen Denk- und Arbeitsmethoden bewältigen.

Da wir ganz ohne Wissen aber auch nicht klarkommen, benötigst du eine Technik, die es dir erlaubt, zu unterscheiden, was von alldem lediglich »nice to know« ist – eine Technik, die dich dafür sensibilisiert, dass eben nicht alles gleich wichtig ist.

Mit seiner Fähigkeit, umfangreiche Textmengen zu verarbeiten, ermöglicht ChatGPT eine schnelle Extraktion und Kondensierung von relevanten Informationen.

Input:

Was sind die drei Kernaussagen des nachfolgenden Textes?

a) ausdrückliche Zustimmung
Nach ganz überwiegender Ansicht kommt es darauf an, dass der Rechtsgutsträger ausdrücklich oder konkludent die Zustimmung zur Rechtsgutsgefährdung und -verletzung erklärt. Wie § 116 BGB zeige, spiele die nicht kommunizierte innere Willensrichtung in diesem Fall keine Rolle: Eine Willenserklärung, die trotz geheimen Vorbehalts gem. § 116 BGB zivilrechtlich wirksam ist, muss auch strafrechtlich wirksam sein.

b) konkludente Zustimmung
Andenken könnte man, ob eine konkludente Zustimmungserklärung als ausreichend anzusehen ist. Der Erklärungswert etwaiger Indizien für eine Einwilligung muss hierfür aber unmissverständlich die Rechtsgutspreisgabe erkennen lassen.

c) innere Zustimmung
Eine Einwilligung ließe sich demnach nur dann bejahen, wenn man mit einer vereinzelt vertretenen Ansicht die innere Zustimmung für ausreichend erachtet, d. h. auf deren Kundgabe vollständig verzichtet, und überdies annimmt, eine innere Zustimmung liege nicht erst dann vor, wenn der Rechtsgutsträger die Rechtsgutsbeeinträchtigung frei von Irrtum und Zwang erstrebt, sondern bereits dann, wenn er die bloße Gefahrschaffung billigt und höher gewichtet als den eigenen Rechtsgutsschutz.

Gegen die Berücksichtigung der inneren, nicht kommunizierten Willensrichtung des Rechtsgutsträgers spricht jedoch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Weder lässt sich ex post mit hinreichender Sicherheit die innere Willensrichtung des Rechtsgutsträgers ermitteln noch ist zuverlässig abgrenzbar, welche konkreten Anforderungen an die Annahme einer rein inneren Zustimmung zu stellen sind.

Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Rechtsgutsträger die Rechtsgutsverletzung an sich gerade nicht erwünscht ist und er auf deren Nichteintritt hofft, gleichzeitig aber bereit ist, aufgrund anderer Ziele eine mehr oder weniger große Gefährdung in Kauf zu nehmen. Auf die Kundgabe einer Einwilligungserklärung kann damit für eine Rechtfertigung nicht verzichtet werden.

Output:

gpt_screenshot3

Nicht unbrauchbar, aber sicher auch nicht das, was wir uns erhofft haben. Sehen wir uns die Input-Alternative an.

Input-Alternative:

Angenommen, jede Information lässt sich gedanklich einer von insgesamt drei Kategorien zuordnen:

KATEGORIE 1: COULD-KNOW
Hierzu zählen Einzelwissen und generell vertieftes Wissen der Rechtsprechung und Literatur.

KATEGORIE 2: SHOULD-KNOW
Hierzu zählen anerkannte Analogien, gefestigte richterliche Rechtsfortbildung und die sagenumwobenen Standardstreits.

KATEGORIE 3: MUST-KNOW
Hierzu zählen die gesetzlichen Grundstrukturen und tatsächlich einfachen Fälle der wesentlichen Rechtsnormen, Prinzipien und sonstige Informationen mit hoher natürlicher Frequenz.

Bitte ordne die Informationen des nachfolgenden Textes den drei Kategorien zu.

[…]

Output:

gpt_screenshot4
Ganz witzig (und aufschlussreich zugleich) ist es übrigens auch, ChatGPT zu bitten, den Text in einen Tweet (max. 280 Zeichen) umzuwandeln.

III. Generierung falscher Multiple-Choice-Optionen zur Erstellung eines Quiz

Ein entscheidender Aspekt der Prüfungs- und Examensvorbereitung im Jurastudium besteht in der gezielten Abfrage von prüfungsrelevantem Wissen. Hierbei erlaubt ChatGPT die Generierung falscher Multiple-Choice-Optionen, um dich für typische Fallstricke und Irreführungen in Prüfungen zu sensibilisieren. Der Bot kann auf Basis eingegebener Fragen und richtiger Antworten falsche Antwortmöglichkeiten entwerfen, die typische Missverständnisse oder häufige Fehlerquellen repräsentieren.

Multiple-Choice-Quiz eignen sich immer dann besonders gut, wenn die Gefahr besteht, Dinge miteinander zu verwechseln.

Input:

Ich bin gerade dabei, ein Multiple-Choice-Quiz zu erstellen.

Frage: Bei welchem Rechtsinstitut tritt der Schaden im Dreipersonenverhältnis aus Zufall nicht in ein und derselben Person ein?

Antwort: Drittschadensliquidation

Bitte generiere eine oder mehrere Antwortmöglichkeiten, die ich leicht mit der Drittschadensliquidation verwechseln könnte.

Output:

gpt_screenshot5

Letztlich unbrauchbar. Wir sind nicht geneigt, diese Antwortmöglichkeiten mit der DSL zu verwechseln, weil wir nie von ihnen gehört haben; sie existieren nämlich nicht (zumindest nicht meines Wissens😅).

Input-Alternative:

 Ich bin gerade dabei, ein Multiple-Choice-Quiz zu erstellen.

Frage: Bei welchem Rechtsinstitut tritt der Schaden im Dreipersonenverhältnis aus Zufall nicht in ein und derselben Person ein?

Antwort: Drittschadensliquidation

Bitte generiere eine oder mehrere Antwortmöglichkeiten mit anderen anerkannten Rechtsinstituten, die ich leicht mit der Drittschadensliquidation verwechseln könnte.

Output:

gpt_screenshot6
Damit kann ich arbeiten. Evtl. benutze ich für mein Quiz zwar nicht alle vier Optionen, aber ein bis zwei auf jeden Fall.

IV. Fazit: Probieren geht über Studieren

Ich hoffe, dieser Beitrag hat dir soliden Input gegeben (no pun intended) und dich motiviert, deine Prüfungsvorbereitung mithilfe von ChatGPT ein Stück effizienter zu gestalten. Ich habe diese und sämtliche Einsatzmöglichkeiten letztlich durch Trial-and-Error gefunden und würde dir empfehlen, selbst umfassend mit dem Tool herumzuexperimentieren, statt dich auf die hier gemachten Vorschläge zu beschränken. Lass mich gerne in den Kommentaren, bei Instagram, YouTube oder LinkedIn wissen, welche weiteren nützlichen Einsatzmöglichkeiten du siehst. Frohes Schaffen!

Bild: Adobe Stock/Jacob Lund
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Michael vom Feld arbeitet seit dem Erwerb des mag. iur. im Jahr 2016 als selbstständiger Repetitor in Bonn. 2019 gründete er endlich jura. Sein Ziel mit endlich jura. ist es, allen Jura-Studierenden eine Examensvorbereitung in Rekordzeit zu ermöglichen, ohne endlos Prüfungsschemata, Meinungsstreits und Definitionen auswendig lernen zu müssen.

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