Die Blockchain: Energiefressender Hype oder bahnbrechende Zukunftstechnologie?

Von Alexandra Milena Stojek

Unbestritten hat die Blockchain-Technologie großes Potenzial. Etwas stiefmütterlich werden allerdings die Herausforderungen und Risiken behandelt, die die Technologie mit sich bringt. Umso aufschlussreicher, dass diese beim letzten Legal Tech Meetup in Karlsruhe als auch beim Computational Law & Blockchain Festival in Sydney, Australien diskutiert wurden. Dieser Artikel fasst Herausforderungen und Risiken zusammen und verrät, warum Anwältinnen und Anwälte die Blockchain im Blick behalten sollten.

Perspektive aus Karlsruhe – Blockchain-Konzepte noch nicht ausgereift

In Karlsruhe übte Dr. Mathias Landhäuser, Gründer und CSO der thingsTHINKING GmbH deutliche Kritik an der Blockchain-Technologie. Kritisch sieht Landhäuser, dass es für den Einsatz der Technologie umfassende Expertise braucht, um die gewünschte Nutzung zu gewährleisten.

Nach heutigem Stand ist es nahezu unmöglich, eine komplexe Software fehlerfrei zu programmieren. Nun will man auch noch vertragliche Rechte in sogenannten Smart Contracts, also programmierten Verträgen, die sich bei Erfüllung von vorab definierten Bedingungen automatisiert ausführen, sichern. Wer sich mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschäftigt, weiß, wie schwierig es ist, sämtliche Eventualitäten abzudecken. Für Smart Contracts braucht es also nicht nur fähige Entwickler, sondern natürlich auch fähige Juristen. Die größte Schwachstelle sieht Landhäuser derzeit in fehlenden sinnvollen Geschäftsmodellen. Eine Blockchain allein sei noch kein Geschäftsmodell, so Landhäuser. Stattdessen müsse kritisch hinterfragt werden, welche Vorteile die Technologie bietet. So ist beispielsweise der Vorteil eines dezentralen Blockchain-Netzwerks, dass es eben keine zentrale Instanz vorsieht. Bei einer privaten Blockchain hingegen wird der Zugang zum Netzwerk kontrolliert. Damit ist die Idee einer dezentralen Blockchain ad absurdum geführt. Auch muss die Frage erlaubt sein, ob es tatsächlich einer Blockchain bedarf oder ob nicht auch eine kryptografisch abgesicherte Datenbank ausreicht.

Perspektive aus Sydney – Blockchain soll Zugang zum Recht erleichtern

Zuversichtlicher ging es beim diesjährigen Computational Law & Blockchain Festival in Sydney zu. Auf diesem stellte Stevie Ghiassi, CEO von Legaler Aid Ltd und Präsident der Australian Legal Technology Association („ALTA“), seine Vision von mehr sozialer Gerechtigkeit vor. Laut Ghiassi haben in der globalen, eine Billion-US-Dollar schweren Rechtsbranche rund vier Milliarden Menschen keinen Zugang zum Recht. Mit Hilfe von Legaler Aid will er das ändern und eine gemeinnützige Organisation schaffen, die auf Basis von Smart Contracts Bedürftige und pro bono-tätige Rechtsanwälte zusammenbringt, um so für einen vereinfachten Zugang zum Recht zu sorgen. Mark Ebeling hingegen, CTO bei IBM Australia Ltd leitete seinen Vortrag mit den Worten ein, dass wir uns in einer Welt des Hypes befänden und der Blockchain-Hype der stärkste Hype sei, den wir seit der Dotcom-Blase erleben. Er vertritt ebenso wie Landhäuser die Auffassung, dass man use cases kritisch auf Sinnhaftigkeit überprüfen müsse, um den Einsatz der Blockchain-Technologie zu rechtfertigen. Als deren Chefarchitekt stellte er aber auch die Australian National Blockchain vor. Die neue Infrastruktur in der digitalen Wirtschaft Australiens soll die größte und industrieunabhängige digitale Plattform des Landes werden, die es jedem Unternehmen des Landes ermöglichen soll, sich anzuschließen, um so über Smart Contracts zusammenzuarbeiten und Daten auszutauschen.

Blockchain-Technologie: Ein rechtliches Minenfeld mit zahlreichen offenen Fragen

Will man diese Idee auf Deutschland übertragen, stellt man fest, dass man sich bei der Blockchain-Technologie in einem rechtlichen Minenfeld bewegt. Da eine vertiefte Darstellung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, hier nur ein paar Denkanstöße: Wie lässt sich das besondere Merkmal der Unveränderbarkeit der Daten auf der Blockchain mit dem Korrektur- und Löschungsanspruch einer betroffenen Person in Einklang bringen? Wie genügt man zwingenden Formvorschriften? Wie bildet man einen Interpretationsspielraum in einem Smart Contract ab, wenn beispielsweise die Erstellung eines Designs gefordert wird? Welches Steuerrecht findet bei grenzüberschreitenden Transaktionen Anwendung? Wie werden Verbraucherrechte, wie das Widerrufsrecht gesichert? Wer haftet für einen fehlerhaften Code, von dem eine unüberschaubare Anzahl von Verträgen betroffen ist? Und welche Rolle spielt eigentlich das Geldwäschegesetz?

Der heikelste Kritikpunkt an der Blockchain: Immenser Stromverbrauch

Doch selbst wenn es gelingt, die bisher genannten juristischen Herausforderungen zu meistern, bleibt noch ein Aspekt, dem in diesen Tagen besondere Beachtung geschenkt werden muss: Der enorme Energiebedarf. Vor allem das auf der Blockchain-Technologie basierende Bitcoin-System steht aufgrund seines immensen Stromverbrauchs in der Kritik. Hierzu hat am 12. Juni 2019 ein Team aus Wissenschaftlern der Technischen Universität München in einer Studie die bislang fundierteste Kalkulation des CO2-Fußabdrucks des Bitcoin-Systems veröffentlicht. Der Studie zufolge wurden im November 2018 durch das Bitcoin-Netzwerk rund 45,8 Terawattstunden Strom verbraucht. Der Ausstoß an Kohlendioxid pro Jahr beträgt dabei zwischen 22 und 22,9 Megatonnen und entspricht in etwa dem CO2-Ausstoß von Las Vegas. Weiterhin wurde festgestellt, dass sich rund 68 Prozent der Rechnerkraft des Bitcoin-Netzwerkes in Asien und hier überwiegend in China konzentriert. Die Hälfte der in China verbrauchten Energie wird dabei durch umweltschädliche Kohlekraftwerke erzeugt.

Dass es auch anders geht, beweist die digitale Währung „Gridcoin“. Während für die Erschaffung von Bitcoins durch den Proof-of-Work-Algorithmus sinnlose Rechenrätsel gelöst werden müssen, setzt Gridcoin auf einen „Proof-of-Research“-Algorithmus in Kombination mit einem Proof-of-Stake-Algorithmus. Gridcoin ist mit dem Berkeley Open Infrastructure for Network Computing („BOINC“) verknüpft. Bei BOINC handelt es sich um eine Plattform, auf der man die ungenutzte Rechenleistung seines Computers wissenschaftlichen Berechnungen zur Verfügung stellt. Auf diese Weise kann man beispielsweise die Krebs- oder Klimaforschung unterstützen oder sich auch an der Suche nach außerirdischem Leben beteiligen. So braucht man für letzteres nur das SETI@home-Programm („SETI“ steht für „Search for Extraterrestrial Intelligence“) herunterladen. Sodann werden Daten von Radioteleskopen bereitgestellt, die mit der zur Verfügung gestellten Rechenkapazität auf Hinweise nach außerirdischem Leben analysiert werden. Unterstützt man BOINC dabei als Teilnehmer des Gridcoin-Teams, wird man für seine Forschungsleistung mit Gridcoin belohnt.

Blockchain-Technologie und die anwaltliche Tätigkeit: Halten Sie sich auf dem Laufenden!

Bleibt abschließend die Frage, was das alles für die Arbeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zu bedeuten hat. Noch spielt die Blockchain-Technologie bei der täglichen Arbeit für die meisten kaum eine Rolle. Es ist aber gut vorstellbar, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis das Thema Blockchain auch in kleinen und mittelständischen Kanzleien Bedeutung gewinnt. Die Blockchain Studie 2019 von Deloitte ergab, dass immer mehr Unternehmen Projekte im Blockchain-Bereich fördern. Im Hinblick auf das beschriebene rechtliche Minenfeld besteht also jede Menge Beratungsbedarf. Um von der weiteren Entwicklung nicht unangenehm überrascht zu werden, hilft es, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Dafür braucht es übrigens keine teuren Konferenzen. Mittlerweile gibt es in Deutschland immer mehr Legal Tech Meetups, die in der Regel kostenlos besucht werden können, um sich zu informieren.

In diesem Sinne: Bleiben Sie neugierig!

Foto: Adobe Stock/peshkov
Alexandra Milena Stojek
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Alexandra Milena Stojek, LL.M. ist Fachanwältin für IT-Recht, Syndikusanwältin des Deep-Tech-AI-Start-ups thingsTHINKING GmbH und Gebietsleiterin der Arbeitsgemeinschaft IT-Recht des Deutschen Anwaltvereins für den Südwesten. Darüber hinaus beschäftigt sie sich als Referentin und Autorin mit dem Thema Digitalisierung juristischer Arbeit.

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