Florian Glatz Uni Köln

Was macht eigentlich ein Blockchain-Anwalt?
Vortragsreihe Legal Tech an der Universität zu Köln

Von Bettina Taylor

„Es gibt heutzutage so viel mehr Möglichkeiten als in einer Großkanzlei zu enden“, mit diesen Worten eröffnete Florian Glatz seinen Vortrag „Die Arbeit des Juristen der Zukunft“ an der Universität zu Köln am 19.11.2018. Der Blockchain-Anwalt stellte den Studierenden seinen Berufsweg vor, um zu zeigen, welche Karrierewege ihnen die Digitalisierung und Legal Tech eröffnen.

Der Blockchain-Anwalt als Beispiel für den Juristen der Zukunft?

Florian Glatz ist seit jeher in der juristischen und technischen Welt zu Hause. Als Schüler gründete er u. a. eine eigene Webdesign-Firma und brachte viele IT-Grundlagen mit, als er mit 20 Jahren sein Jurastudium begann. Heute ist er Rechtsanwalt, Software-Entwickler, Unternehmer, Mitbegründer des Legal Tech Centers und Präsident des Blockchain Bundesverbands. Obwohl er als gefragter Experte in Sachen IT und Recht gilt, sei sein Fachgebiet, wie er erläuterte, „nichts Neues“: Schon seit den 60er-Jahren beschäftigen sich Rechtsinformatiker mit den Wechselwirkungen von Computertechnologie und Recht. Das Thema sei jetzt erst zum Hype geworden, weil die Digitalisierung nun auch den Alltag bestimme. Auch wenn das Fachgebiet von Florian Glatz nicht neu ist, war er einer der wenigen, die die Blockchain-Technologie bekannt machten und ihr ökonomisches Potential nutzten. So kaufte er die Domain blockchain.lawyer zu einem günstigen Preis, als das Thema noch keinen Anwalt interessierte. Unternehmerisches Geschick zementierte schließlich den Erfolg: Durch die Gründung von Startups und als Berater entwickelte Glatz seine Ideen gewinnbringend weiter. Auch in politischen und gesellschaftlichen Bereichen wirbt er für die Blockchain-Technologie: Dank der Arbeit des Blockchain Bundesverbands sei das erste „Blockchain-Gesetz“ in Entwicklung. Darüber hinaus gibt er sein Wissen auch in Flüchtlingsprojekten und in einer kostenlosen Legal Tech Summer School für Studenten weiter.

Jura und IT haben mehr gemeinsam als man denkt

Glatz machte den Studierenden in seinem Vortrag Mut, sich mit den Technologien der Digitalisierung auseinanderzusetzen, auch ohne besondere IT-Kenntnisse: „Die juristische Welt und die Welt der IT liegen gar nicht so weit auseinander. Was ihr im Jurastudium lernt, ist strukturiertes Denken und das braucht man beim Programmieren genauso.“ Viele Menschen aus anderen Berufszweigen hätten diese Fähigkeit nicht. Wer sich gerne mit Teilbereichen von Legal Tech auseinandersetzt und diese als potentielle Karrierewege ins Auge fasst, habe viele Möglichkeiten neben der klassischen juristischen Arbeit wie wir sie heute kennen. Wie zuvor die Frankfurter Goethe Universität mit dem Legal Tech Lab und die Ludwig-Maximilians-Universität München, will man auch den Studierenden an der Universität zu Köln mit einer Arbeitsgruppe Gelegenheit geben, sich mit dem Thema Digitalisierung von Recht auseinander zu setzen. Prof. Dr. Frauke Rostalski, die auch die Vortragsreihe veranstaltet, spricht als Leiterin der Arbeitsgruppe auch Studierende aus der Informatik an.

Blockchain als „Vertrauensmaschine“ statt Gesetze?

Nachdem Glatz den Studierenden schilderte, wie er zu Legal Tech und „der Blockchain“ fand, gab er einen Einblick in sein Fachgebiet. Er begann mit dem Versuch einer Definition: Eine Blockchain sei eine dezentralisierte Datenbank, die von algorithmisch unterstützenden Konsensmechanismen lebe. Ähnlich wie bei einem Grundbuch stellten die darin enthaltenen Informationen eine „Wahrheit“ da, die nicht manipulierbar sei. Für Florian Glatz ist die Blockchain-Technologie somit eine Art „trust machine“ (zu Deutsch „Vertrauensmaschine“), bei der durch die digitale Technik universelle „Vertrauensstrukturen“ hergestellt werden. Welche „Wahrheiten“ zugelassen würden, entscheide der Code.

Am Beispiel einer Finanztransaktion zählte Glatz auf, welche wesentlichen Vorteile die Blockchain-Technologie berge:

  • „Trade und Settlement passieren zeitgleich auf derselben Plattform.
  • Alle Vertragsparteien sehen denselben Zustand eines Trades, inkl. Auditoren und Regulatoren.
  • Vertragsbedingungen werden automatisch kontrolliert und durchgesetzt.
  • Eignet sich besonders zur Digitalisierung von Assets und verknüpften Handelsprozessen die bislang weitestgehend händisch passieren.“

Wenn die Software zum Richter wird

Was macht die Blockchain-Technologie mit diesen Eigenschaften jedoch so bahnbrechend und „disruptiv“, wie man in der Legal Tech-Szene gerne sagt? Florian Glatz erklärte: „Mit der Blockchain werden zentralisierte Machtstrukturen dezentralisiert. Unbemerkte Manipulation ist somit nicht möglich, weil der Code es nicht zulässt.“ Eine Blockchain sei damit eine „normative Umgebung“, in der verbindliche Regeln festgelegt und konkrete Handlungsspielräume geschaffen werden, so Glatz. Dieses Prinzip ließe sich theoretisch auch auf andere Strukturen wie Wahlen, Gesellschafterversammlungen oder das Sozialsystem übertragen. Ein Programm könnte zum Richter werden und die Rechtsprechung damit automatisieren und transparenter machen. Auf lange Sicht könne die Blockchain-Technologie den Staat sogar „abschaffen“, da sie eine technische Infrastruktur bilde, in der gesellschaftlicher Konsens automatisch verwaltet und ausgeführt werden könne.

In der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmern stellten die Studierenden auch kritische Fragen zu Glatz‘ Thesen. Warum sollte man den Staat abschaffen wollen? Wäre es nicht fatal, wenn jemand eine Blockchain doch manipulieren könne? Schließlich seien Kryptowährungen, die ebenso auf Blockchain-Basis laufen, schon gehackt worden. Florian Glatz konnte die Einwände nachvollziehen und bezeichnete seine vorgetragenen Thesen als Zukunftsmusik. Die Blockchain-Technologie stecke noch in den „Kinderschuhen“ und habe daher noch viel Potential.

Berufsverständnis im Wandel

Was dies für die Juristen von morgen bedeutet, ließ der Vortrag offen. Nicht alle Anwälte werden sich mit Blockchain-Technologie beschäftigen können und wollen. Wie Florian Glatz offen sagte, könne er die Frage, die hinter dem Titel des Vortrags „Die Arbeit des Juristen der Zukunft“ steckt, nicht beantworten. Vielmehr bringe er neue Fragen mit. Er gab zumindest einen Einblick, was für Juristen der Zukunft möglich sein kann. Die Kölner Studierenden wurden zum „Träumen“ angeregt. Genauso deutlich wurde jedoch, dass ein grundlegend anderes Berufsverständnis notwendig ist, um in der Rechtsbranche von morgen zu bestehen.

Kommende Vorträge

Kommende Vorträge

10.12.2018
Pre-Policing als Gefahr für die Freiheit? Mit Vorführung der Dokumentation „Pre-Crime“
Referent: Matthias Heeder

17.01.2019
Kann künstliche Intelligenz den Juristen (schon) ersetzen?
Referent: Michael Grupp

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Bettina Taylor arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Als studierte Online-Journalistin gehören SEO, webgerechtes Texten und Content-Marketing zu ihren Spezialgebieten. ffi-verlag.de

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