Anwaltszukunftskongress

Rechtsmarkt und Legal Tech: Der aktuelle Forschungsstand

Von FFI-Verlag

Welche Herausforderungen und Chancen bringt Legal Tech meiner Kanzlei? Verdrängt Legal Tech die Arbeit der Anwaltschaft? Und wie steht es um das aktuelle Verständnis von Legal Tech? Über diese und weitere Fragen wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Anwaltszukunftskongresses 2019 in Köln aufgeklärt. Drei aktuelle Studien aus unterschiedlichen Teilbereichen von Legal Tech verschafften einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand und der Zukunft des Rechtsmarktes.

Studie Nr. 1: Legal Operations verschaffen Vorteile!

Dirk Hartung, Executive Director Legal Technology der Bucerius Law School in Hamburg, berichtete über die steigende juristische Komplexität, die Anwältinnen und Anwälte bewältigen müssen und wie Legal Operations dort Abhilfe schaffen können. Legal Operations können unter anderem Tools zum Risiko-, Technologie-, Wissens- oder auch Finanzmanagement sein. In der aktuellen Bucerius-Studie „Legal Operations: Getting More from In-House Legal Departments and Their Outside Counsel“ zeigte sich, dass Anwältinnen und Anwälte heutzutage fünfmal mehr zu tun haben als noch vor 20 Jahren. Das hänge vor allem damit zusammen, dass das deutsche Gesetz umfangreicher geworden ist – es müsse also mehr Zeit in das Lösen juristischer Probleme investiert und dementsprechend auch länger auf ein Urteil gewartet werden. Wenn man diese steigende Komplexität bewältigen will, bieten sich laut Hartung zwei Möglichkeiten an: Entweder man stellt mehr Anwältinnen und Anwälte ein, was aufgrund des Kostenfaktors keine gute Option sei, oder man investiert in Legal Operations.

Auch die Studie der Bucerius Law School zeige: Legal Operation gibt es in allen möglichen Bereichen! Das Ziel von Legal Tech-Tools ist es, die Anforderungskriterien wie „schnell, gut und günstig“ unter einen Hut zu bringen und somit für eine Professionalisierung und Optimierung von Rechtsdienstleistungen zu sorgen, egal ob in einem Unternehmen oder einer Kanzlei.

Eine bis jetzt noch ungeklärte Frage, mit der sich auch Dirk Hartung und sein Team beschäftigen, ist, wie Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen, die Legal Operations schon eingeführt haben, dabei vorgegangen sind und wer den Einsatz von Legal Operations in Rechtsabteilungen vorantreiben kann. Sicher ist – laut Studie – jedenfalls: Kanzleien, die Legal Operations nutzen, haben klare Vorteile und können sich stark von der Konkurrenz abheben!

Studie Nr. 2: Rückgang der Anwaltszahlen – Wer füllt die Lücke?

Die zweite Studie, „Anwaltsmarkt 2019“ des Soldan Institut, beschäftigt sich in erster Linie mit dem aktuellen und zukünftigen Stand der Anwaltsstatistiken. Prof. Dr. Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts, präsentierte mithilfe aktueller Statistiken die rückläufige Entwicklung von niedergelassenen Anwältinnen und Anwälten. Während in den USA und in England die Zahl der Juristinnen und Juristen steige, ginge sie in Deutschland seit 2017 um zwei bis drei Prozent pro Jahr zurück. Auch die Anzahl an Jurastudierenden wird laut den Erhebungen bis 2050 stark sinken. Es entstehe also immer mehr Arbeit für immer weniger Anwältinnen und Anwälte. Mittlerweile versorgten 29 Prozent der Anwaltschaft 60 Prozent der Bevölkerung!

Zudem spiele auch das Thema Kosten eine große Rolle: 16 Prozent aller Mandate könnten aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht zu Ende gebracht werden, erläuterte Kilian. Eine weitere Herausforderung betrifft den geschlechtsspezifischen Wandel. Immer mehr Rechtsanwältinnen stiegen aus familiären Gründen auf Teilzeit um, sodass auch hier eine weitere Lücke entstehe. Es stellt sich also die Frage, wer diese Lücke schließen könne bzw. die anfallenden Arbeiten in Zukunft erledige. Legal Tech-Tools?

Die Soldan-Studie möchte Anwältinnen und Anwälten näherbringen, dass Legal Tech die menschliche Anwaltschaft keinesfalls verdrängt, sondern eine wesentliche Rolle bei der Problemlösung einnehmen kann. Sie könne helfen, Arbeit und Familie besser miteinander in Einklang zu bringen, eine Arbeitskraft mit knappen Ressourcen optimal zu nutzen oder ein vernünftiges Arbeitsumfeld für Leistungserbringer zu schaffen. Insgesamt sei dies auch das Ziel der Studie – neben dem Erreichen von besonders „gefährdeten“ Bevölkerungsgruppen, soll vor allem sichergestellt werden, dass der Zugang zum Recht auch in ländlichen Regionen gewährleistet wird.

Studie Nr. 3: Technologien treffen auf zu wenig Verständnis

Inwiefern Legal Technology schon von Unternehmen und Kanzleien eingesetzt wird, zeigte die Studie „The Future Ready Lawyer“ von Wolters Kluwer Deutschland. Johannes Klostermann, Leiter der Abteilung Innovation und User Experience, erläuterte zu Beginn, wie die Studie durchgeführt wurde: Circa 700 Expertinnen und Experten aus Anwaltskanzleien, Unternehmen und Rechtsdienstleistern wurden befragt, wie sie zu den Themen „Tools und Technologie“, „Kundenbedürfnisse und Kundenerwartungen“ und „Organisation und Talente“ stünden. Dabei sollten sie erläutern, wie sie diesbezüglich aufgestellt sind und welche Veränderungen sie für die nächsten drei Jahre prognostizierten. Die Studie konzentrierte sich dabei, anders als die meisten Studien, nicht nur auf den US-amerikanischen Markt, sondern blickte schwerpunktmäßig nach Europa.

Dabei zeigte sich, dass die Bewältigung der zunehmenden Informationsmenge und Komplexität, sowie der Fokus auf mehr Effizienz und das Verständnis für Technologie die größten Herausforderungen für Kanzleien darstellten. Diese Herausforderungen wurden von den Studienteilnehmern aber auch als wichtige Trends für die Zukunft gewertet, auf die sie reagieren müssen, um einen höheren Mehrwert für Mandanten zu schaffen.

Darüber hinaus hatte sich in der Studie folgendes Muster gezeigt: Die „Technologieführer“, also die Kanzleien, die Technologien schon einsetzen, seien ihren Konkurrenten ein großes Stück voraus. Sie seien profitabler, besser auf Veränderungen vorbereitet und besser für den zukünftigen Rechtsmarkt geeignet, so Klostermann. Sie setzten sich insgesamt intensiver mit ihrer Kanzlei auseinander – und das zahle sich scheinbar aus. Von den Befragten Kanzleien, die sich noch im Übergang zu digitalisierten Arbeitsabläufen befinden, äußerten nur 19 Prozent, dass sie sich auf die bevorstehenden Veränderungen gut vorbereitet fühlten. Der geringe Einsatz von Technologien liege hier besonders im noch geringen Verständnis für die Technologien selbst. Zwar seien sich 69 Prozent der Studienteilnehmer der Bedeutung von Technologie bewusst, aber weniger als 24 Prozent wüssten, laut Studie, wie man sie richtig und sinnvoll einsetze.

Wie kann man also erreichen, dass die Technologien, deren Einsatz schon als wichtig erkannt wurde, auch häufiger eingesetzt werden? Diese Frage stellte Klostermann zum Abschluss seines Vortrags. Seine Antwort: In vielen Kanzleien und Rechtsabteilungen müsse der Widerstand der Geschäftsleitung überwunden werden. Man müsse dafür ein größeres Verständnis schaffen und es müsse akzeptiert werden, dass die Kosten, die neue Technologien und Arbeitsweisen erforderten, auf Dauer einen „Return On Investment“ – also ein Gewinn durch Investitionen – bringen würden. Technologie sei nicht nur ein Veränderungstreiber, sondern auch ein Mittel, um mit Veränderungen umgehen zu können!

Mut zu Legal Tech!

Alle drei Studien zeigen deutlich: Die Zahl der Anwältinnen und Anwälte geht zurück, der Arbeitsaufwand und die juristische Komplexität steigen – es führt kein Weg an Legal Tech vorbei. Wer mit seiner Kanzlei der Konkurrenz voraus sein will, sollte in Legal Tech-Tools investieren.

Um das Arbeitsumfeld von Juristen und Juristinnen attraktiver zu machen und vermehrt junge Leute zum Jurastudium zu bewegen, sollte man sich mit der Digitalisierung der Rechtsberatung beschäftigen. Als Grundlage dafür muss zuerst einmal mehr Verständnis für die große Menge an Möglichkeiten digitalisierter Rechtsberatung geschaffen werden. Ist diese Hürde überwunden, steht einer sicheren Zukunft des Rechtsmarktes nichts im Wege.

Weitere Hintergrundinformationen und Studienmaterial rund um Legal Tech finden Sie auf legal-tech.de/legal-tech-studien/

 

Fotos: FFI-Verlag
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