Von Katrin Augsten
Das Coronavirus SARS-CoV-2 hat unsere Welt gründlich verändert. Manche Dinge mit seltsamen Namen, die vom Nischen- zum Massenphänomen wurden (jede Art von Mund-Nasen-Bedeckung) oder von der Nachricht aus einer anderen Welt zur eigenen Erfahrung (Lockdown, Ausgangssperre, Homeschooling), werden sich hoffentlich schon bald wieder in ihre Nischen zurückziehen oder besser noch gänzlich überflüssig.
Die Erfahrung mit Online-Meetings und -schulungen, mit mobilem Arbeiten und dem kritischen Hinterfragen der Notwendigkeit von Terminanfragen – kurz das Homeoffice – wird uns aber bleiben.
Homeoffice, Telearbeit, mobiles Arbeiten – bitte, was?
Diese Nachfrage, was denn mit dem Begriff des Homeoffice genau gemeint ist, sollten Sie sich stets erlauben.
Bis dato jedenfalls gibt es keine gesetzliche Definition des Begriffs im deutschen Recht. Im Allgemeinen – und so werden wir das auch in diesem Artikel halten – wird im deutschen Sprachraum unter Homeoffice das Arbeiten im Privatbereich oder an einem vom Beschäftigten grundsätzlich selbstgewählten, geeigneten Arbeitsplatz verstanden. Inhaltlich klarstellen müssen wir deshalb stets, ob das Homeoffice in Form des Telearbeitsplatzes nach § 2 Abs. 7 ArbStättV erbracht wird, ob wir vom selbstgewählten Arbeitsplatz (mobiles Arbeiten) sprechen oder von klassischen Tätigkeiten im Außendienst bzw. mit ständig wechselnden Einsatzorten.
Der Telearbeitsplatz ist letztlich nichts anderes als ein klassischer, voll eingerichteter Büroarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten. D. h. bei Vorliegen einer Telearbeitsplatzvereinbarung, die zwingende Voraussetzung ist, ist der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin verpflichtet, für die ordnungsgemäße und vollständige Ausstattung eines Arbeitsplatzes in einem Raum zu sorgen, der dem Privatbereich der Beschäftigten zuzurechnen ist. Meist handelt es sich um einen eigenständigen Arbeitsraum in der Wohnung der Beschäftigten. Denkbar ist aber auch, dass ein geeigneter Raum an anderer Stelle dafür vereinbart wird. Vorstellbar wäre zum Beispiel ein Arbeitszimmer in der Wohnung von Verwandten oder Freunden.
Ein vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin angemieteter Raum/Bereich, z. B. in einem Coworking Space, würde schon wieder nicht der Definition des Telearbeitsplatzes unterfallen, da sich dieser eben gerade nicht im Privatbereich der Beschäftigten befinden würde.
Ein solcher Bereich kann aber natürlich durchaus als Arbeitsort in Frage kommen, wird dann aber je nach Ausgestaltung der Nutzung im Detail eher als eine Betriebsstätte der betreffenden Kanzlei oder Ort zu sehen sein, an dem Beschäftigte gelegentlich mobile Arbeit leisten.
Der klassische Außendienst mit ständig wechselnden Einsatzorten wird letztlich in der anwaltlichen Praxis vermutlich eine eher untergeordnete Rolle spielen. Ausgeschlossen ist es zwar wohl nicht, dass spezialisierte Beschäftigte ausschließlich die Mandantschaftsakquise betreiben und dann wie Versicherungsvertreter die abendliche Dokumentation im Hotelzimmer absolvieren.
Wir wollen uns im Folgenden aber darauf beschränken, bei dem Begriff Homeoffice an einen Ort zu denken, den die Beschäftigten grundsätzlich (und möglicherweise auch ständig neu) selbst frei wählen (mobiles Arbeiten) und für dessen Einrichtung und Erscheinungsbild sie grundsätzlich auch selbst sorgen.
Mit letzterem ist aber noch nichts darüber gesagt, wer in diesem Zusammenhang welche Kosten trägt und welche Schlussverantwortung innehat.
Kosten und Verantwortung in der mobilen Kanzlei
Grundsätzlich ist es die ureigene Pflicht und Verantwortung der Kanzleiinhaber:innen, die Kosten zu tragen, die den Beschäftigten in Ausübung ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit entstehen. Daran ändert eine vollständige oder teilweise Verlagerung des Ortes, an dem diese Tätigkeiten erbracht werden, aus der eigentlichen Kanzlei in die Wohnung der Beschäftigten oder an andere Orte natürlich nichts.
Andererseits ist es in den Grenzen der Schutzvorschriften der Rechtsordnung auf der Basis der Vertragsfreiheit natürlich möglich, diesen Grundsatz zu modifizieren. In der Praxis durchaus üblich und für die meisten Fälle wohl auch angemessen und sinnvoll ist es z. B. zu vereinbaren, dass der gem. § 670 BGB geschuldete Ersatz für die Aufwendungen der Beschäftigten, die im Zusammenhang mit Homeoffice z.B. für Strom, Heizung etc. entstehen, pauschal mit ca. 30 bis 50 Euro monatlich erfolgt. Sicherheitshalber sollte in solchen Fällen die Vertragsklausel auch eine Möglichkeit für die Beschäftigten vorsehen, ggf. entstehende höhere Aufwendungen im Einzelfall nachzuweisen und erstattet zu bekommen.
Als Arbeitgeber:innen sind Kanzleiinhaber:innen natürlich auch für die Einhaltung sämtlicher Schutzvorschriften verantwortlich. Auch in Bezug auf Arbeitsschutz, aber auch den Schutz der Daten der Beschäftigten und natürlich der Mandantinnen und Mandanten sind die Anforderungen bei einer Tätigkeit im Homeoffice nicht geringer als in den klassischen Kanzleiräumen.
Details würden an dieser Stelle den Rahmen sprengen – bezogen auf den Arbeitsschutz sei aber der Hinweis gegeben, dass die Arbeitsstättenverordnung zwar im Grundsatz im Homeoffice nur in der Form der Telearbeit Anwendung findet, das Arbeitsschutzgesetz aber für alle denkbaren Varianten gilt. Es erscheint daher nicht nur sinnvoll, sondern m. E. besteht auch die gesetzliche Verpflichtung, mit den Beschäftigten vor der Vereinbarung von Homeoffice auch über mögliche Gefahrenquellen zu sprechen und ggf. Maßnahmen zur Gefahrenminimierung zu vereinbaren. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sollte auch immer wieder in den Blick genommen werden. Dies bezieht sich natürlich ganz wesentlich auch auf Fragen der Ergonomie, Lichtverhältnisse, Gestaltung des Arbeitsplatzes / -umfelds, Stolperfallen etc.
Es mag vertretbar sein, am schlecht beleuchteten Küchentisch schnell eine kurze Mandantschaftsfrage per E-Mail zu beantworten, mehrere Stunden oder gar tage- bzw. wochenlang können Beschäftigte aber so nicht arbeiten. Die Kosten, die sich der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin hier zu sparen glaubt, in dem er nicht für angemessenes Equipment sogt, werden langfristig mit Sicherheit durch den Verlust an Produktivität, Arbeitsfreude und Gesundheit der Beschäftigten und beizeiten durch Entgeltfortzahlungskosten übertroffen werden.
Vor- und Nachteile des mobilen Arbeitens
Womit wir bei den möglichen Vor- und Nachteilen des mobilen Arbeitens wären, die sowohl für die Entscheidung über das „Ob“ des Homeoffice als auch für die Frage des „Wie“ zu beachten sind.
Telearbeit vs. mobile Working
Entscheiden sich die Arbeitsvertragsparteien dafür, dass Homeoffice in der formalisierten Form des § 2 Abs. 7 ArbStättV als Telearbeit auszugestalten, so hat das im Wesentlichen folgende Effekte:
- Der Arbeitsschutz ist umfassender/besser kontrollierbar.
- Das Risiko für Datenschutzverstöße ist deutlich verringert.
- Tendenziell entsteht weniger Ablenkung für die Beschäftigten, damit ist konzentrierteres Arbeiten möglich.
- Die Beschäftigten in Telearbeit befinden sich an einem fest vereinbarten Arbeitsplatz und sind damit tendenziell auch besser erreichbar.
- Eine Telearbeitsvereinbarung schließt die freie Wahl des Arbeitsortes durch die Beschäftigten aus.
Die Vereinbarung von Homeoffice in der Variante der mobilen Arbeit, die den Beschäftigten das Recht gibt, ggf. im Rahmen erforderlicher und damit zulässig vereinbarer Einschränkungen eigenverantwortlich über den Ort zu entscheiden, von dem aus sie ihre Arbeitsleistung erbringen, hat dagegen die nachstehenden Folgen:
- Der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, auf eigene Kosten einen vollständigen, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Arbeitsplatz einzurichten; damit sind die Einrichtungskosten i. d. R. deutlich geringer.
- Dafür steigt aber wie oben dargestellt auch das Risiko für Erkrankungen mit entsprechenden Ausfällen.
- Durch die freiere Wahl des Arbeitsplatzes sind die Beschäftigten flexibler, was zu besserer Vereinbarkeit privater und beruflicher Anforderungen führen kann (z. B. Arbeit aus der Wohnung der Mutter möglich, wenn diese kurzzeitig eine gewisse Unterstützung/Anwesenheit benötigt).
- Reisezeiten können effektiver genutzt werden, was aber ggf. auch zu höheren Vergütungsansprüchen führt.
- Das Risiko für Datenschutzverletzungen steigt natürlich umso mehr an, je freier der potenzielle Arbeitsort gewählt werden kann, klare Regelungen zu Verschlüsselung/Sichtschutz/Vermeiden von Mithörern etc. werden essenziell.
Wie finde ich das richtige Arbeitskonzept für meine Kanzlei – auch mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie?
In den meisten Fällen wird für Kanzleibeschäftigte, für Anwält:innen wohl noch mehr als für die Mitarbeiter:innen mit Sekretariatsaufgaben, die Vereinbarung von mobiler Arbeit mit entsprechender Ausstattung und Schulung zum ergonomischen Arbeiten sowie klaren Regelungen zu datenschutzkonformen Verhaltensweisen das Mittel der Wahl sein, um einerseits dem Flexibilisierungsinteresse der Beschäftigten und andererseits auch den Kosteninteressen der Kanzlei Rechnung zu tragen.
Ein großer potenzieller Nachteil von Homeoffice ist die Vereinsamung und Abkopplung vom Kanzleigeschehen. Das führt aus Beschäftigtensicht auch oft zu deutlichen Karriere- und/oder Vergütungsnachteilen, aus Sicht der Kanzleiinhaber zu einem Verlust an Überblick und Kenntnissen bzgl. Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen der Beschäftigten. Daher wird es in den meisten Fällen von Vorteil sein, die Möglichkeit zur Arbeit aus dem Homeoffice (nach der Pandemie) auf wenige Tage pro Woche bzw. einige im Monat zu beschränken.
Aus meiner Sicht lässt sich das für die Kanzlei beste Konzept nur in der betreffenden Kanzlei finden. Dabei bietet es sich an, die objektiven Erfordernisse (Datenschutz, Anforderungen an Internetkapazität etc) einerseits sowie die Hoffnungen/Erwartungen und No-Gos aus Sicht der Inhaber und aus Sicht der Beschäftigten andererseits zu sammeln, zu strukturieren und aus diesen Leitplanken dann klare Vereinbarungen abzuleiten, wie Homeoffice-Verträge in der Kanzlei zu gestalten sind.
Dabei ist unbedingt auch auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Kriterien zu achten, wenn nicht allen Beschäftigten in gleichem Maße der Zugang zum Homeoffice ermöglicht werden kann. Studienergebnisse zeigen klar, dass Homeoffice dort, wo es als jederzeit wieder entziehbares Privileg gehandhabt oder nach dem „Nasenprinzip“ gewährt wird, die Arbeitszufriedenheit eher verringert als steigert.
Sein Potenzial, die Zufriedenheit, Betriebsbindung und Produktivität zu steigern, kann Homeoffice nur in Organisationseinheiten entfalten, in denen klar und transparent über „ob“ und „wie“ entschieden wird und zudem die essenziellen Regelungen des Arbeitsschutzes (ergonomische Arbeitsgeräte, klare Grenzen der Erreichbarkeit und der Arbeitszeit inkl. Pausen und Ruhezeiten) eingehalten werden.
Die wichtigsten Regeln für das Homeoffice
- Erwartungen und Anforderungen klären (nicht nur bei der Einrichtung des Homeoffice, das ist ein stetiger Prozess guter Kommunikation)
- Entscheidungskriterien fair gestalten und transparent machen
- Ergonomie nicht vernachlässigen (gute Ausstattung mit externem Bildschirm etc./Schulung und Sensibilisierung der Beschäftigten)
- Beschäftigte in Planungs- und Entscheidungsprozesse einbeziehen/Mitbestimmung beachten, soweit in der Kanzlei ein Betriebsrat gewählt wurde
- Meetingzeiten – persönliche Anwesenheit, aber auch virtuelle Termine – auf die Erfordernisse des Homeoffice abstimmen (gerade in Zeiten des Homeschooling, aber auch danach)
- IT- und Datenschutzkonzepte erarbeiten, praxisnah halten, Einhaltung kontrollieren
- Für klare Trennung beruflicher und privater Daten und Unterlagen der Beschäftigten sorgen
- Zugriff auf die beruflichen Daten und Unterlagen ermöglichen, falls Beschäftigte unvorhergesehen aus dem Homeoffice heraus krank werden etc.
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„Mobile Kanzleiarbeit. Konzepte und Empfehlungen für mehr Flexibilität und Effizienz“
Bild: Adobe Stock/©Vladan
Katrin Augsten, Rechtsanwältin & Mediatorin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, verbindet Wissen und Erfahrung aus über 20 Jahren Tätigkeit in eigener Anwaltskanzlei mit denen aus angestellter Tätigkeit als Gewerkschaftssekretärin im Rechtsschutz, kennt also die Anforderungen an die Kanzleiorganisation als Inhaberin ebenso wie die Sichtweisen einer Beschäftigten. Ihr Praxisratgeber "Mobile Arbeit - Homeoffice - Telearbeit" ist gerade erschienen. Mit den Techniken und Erfahrungen als zertifizierte Mediatorin (OTH Regensburg) steht sie Kanzleiteams gern bei der Erarbeitung passgenauer Homeofficekonzepte zur Seite.