Anwaltliche Erfolgshonorare waren lange Zeit unerwünscht, obgleich es sich dabei um eine sowohl für Anwältinnen und Anwälte wie auch Mandantinnen und Mandanten interessengerechte Regelung zur Vergütung des Arbeitsaufwandes handelt. Die „Organe der Rechtspolitik“ in Deutschland wollten verhindern, dass die „Organe der Rechtspflege“ mit diesem „Teufelswerk“, welches sich im anglo-amerikanischen Rechtskreis ausgebreitet und dort zu einer „Kommerzialisierung des Rechts“ geführt hätte, auch nur in Berührung kamen. Ein deutscher Rechtsanwalt sollte nicht zum „Kaufmann für Rechtsdienstleistungen“ werden, der eigene Vergütungsinteressen mit denen seiner Mandanten durchmischte.
Diese ideologische Betrachtung, so weltfremd wie sie auch immer war, ließ sich freilich nur solange durchhalten, bis alternative Anbieter im Gewand sog. Legal Tech-Firmen auf den Rechtsdienstleistungsmarkt drangen, welche nicht denselben engen Regularien wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten unterlagen und Verbrauchern daher eben genau dieses anbieten konnten: Kein Kostenrisiko, Zahlung nur bei Erfolg. Der Gesetzgeber hat im „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ vom 10.8.2021 (kurz: Legal Tech-Gesetz) inzwischen auf dieses Bedürfnis reagiert und mit Wirkung zum 1.10.2021 das vormalige Erfolgshonorarverbot in § 49b Abs. 2 BRAO dahingehend geändert, dass nicht nur eine Erfolgsbeteiligung insoweit möglich ist, wie § 4a RVG dieses gestattete, sondern bei Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung in Inkassoangelegenheiten auch eine Übernahme des Gesamtkostenrisikos.
Eine „attraktive Regelung“ liegt darin jedoch noch immer nicht.
Limitierter Anwendungsbereich des § 4a RVG
Was gestattet § 4a Abs. 1 RVG dem Rechtsanwalt? Drei Anwendungsbereiche, wenn 1. sich der Auftrag auf eine Geldforderung von höchstens 2.000 Euro bezieht, 2. eine Inkassodienstleistung außergerichtlich oder in einem gerichtlichen Mahnverfahren erbracht wird oder 3. der Auftraggeber im Einzelfall bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.
Die erste Variante, ein Erfolgshonorar ausnahmsweise bei einem Streitwert bis 2.000 Euro zuzulassen, kann nur als erster Schritt in die richtige Richtung gesehen werden. Der Betrag ist rein willkürlich gewählt und wollte sich offenbar an der Obergrenze des Engagements von „Legal Techs“ orientieren, um „Wettbewerbsgleichheit“ mit diesen zu schaffen. Er scheitert jedoch bereits daran, dass einerseits die derzeit hohe Inflation ihn immer schneller „entwertet“, andererseits aber auch deswegen, weil Streitwerte bis 2.000 Euro eine 1,0-Gebühr von sage und schreibe 166,00 Euro mit sich bringen, was sie wirtschaftlich uninteressant macht. Übersetzt bedeutet dies nämlich außergerichtlich 235,80 Euro netto, in erster Instanz weitere 327,10 Euro netto und für eine evtl. Berufungsinstanz noch einmal 484,80 Euro netto. Was für einige Privatmandanten als „viel Geld“ erscheinen mag, deckt genau genommen nicht einmal die Betriebskosten, die die Bearbeitung dieser Mandate für viele Kanzleien mit sich bringen. Gerade „kleine Streitwerte“ haben leider die seltsame Angewohnheit, häufig überdurchschnittlich emotionale und damit langwierige Verfahren nach sich zu ziehen. Um dieses auszugleichen, müsste ein Erfolgshonorar schon in den Bereich von 50 bis 60 Prozent hineinreichen, was die Rechtsprechung sehr wahrscheinlich jedoch als „sittenwidrig hoch“ beanstanden würde.
Die zweite Variante der Inkasso- und Mahntätigkeiten ist ein eher anwaltsuntypisches Geschäft. Es kann zwar attraktiv sein für Kanzleien, die mit einem hohen Standardisierungsgrad nicht-anwaltliche Mitarbeitende mit der Bearbeitung solcher Fälle befassen. Zahlenmäßig erreicht der Gesetzgeber damit jedoch nur wenige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, da Inkassotätigkeiten nervig, arbeitsaufwendig und „unspannend“ sind. Auch nur für diese Variante lässt § 49b Abs. 2 S. 2 BRAO die Übernahme von Gerichts- und Gegnerkosten für den Fall des Unterliegens zu.
Die dritte Variante, nur soweit der Mandant bzw. die Mandantin bei verständiger Betrachtung ohne das Erfolgshonorar von der Rechtsverfolgung abgehalten würde, beinhaltet zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe, die im Streitfall wiederum durch die Gerichte auszulegen sind, was riskant erscheint. Der Beratungsaufwand bei dieser Fallkonstellation ist hoch, jedoch unsicher, wie hoch ein Erfolgshonorar ausfallen darf. Mal angenommen, es ginge um eine Forderung von 100.000 Euro, für die ein US-amerikanischer Attorney oder ein deutscher Prozessfinanzierer 30 Prozent Erfolgsbeteiligung veranschlagen würden, mithin 30.000 Euro: Reut den Mandanten oder die Mandantin nach gewonnenem Prozess ein so hohes Erfolgshonorar für die anwaltliche Vertretung und greift er bzw. sie die Vereinbarung nachträglich als sittenwidrig an, so darf das Risiko dieser Lauterkeitskontrolle vor Gericht nicht unterschätzt werden.
Wirklichkeitsverkennung des Gesetzgebers
Die Forderung nach der Zulassung von Erfolgshonoraren ist keineswegs neu; ebenso wenig die Bedenken der Rechtspolitik dagegen. Das Legal Tech-Gesetz öffnete dieses Instrument gerade wieder einmal nur soweit, wie zwingend notwendig.
Der Grundansatz des Übels liegt darin, dass die Justizminister, die Richterschaft, jedoch leider bislang auch Teile der Rechtsanwaltskammervorstände in Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine Art „forensisch tätiger Notare“ oder gar „anwaltlicher Rechtsbeamten“ erkennen, die einer Quersubventionierung unterliegen sollen - und von denen erwartet wird, höchstes Glück und Zufriedenheit darin zu verspüren, dem Rechtsstaat überhaupt zu dienen.
Ob es diese Zeiten mal gegeben hat, darf offenbleiben; sie dürften zusammen mit dem Reichsgericht untergegangen sein. Seit Umstellung von vormals der BRAGO auf das RVG im Jahre 2004 führte die gesetzliche Vergütung nur zu einem: einem realen Einkommensverlust. Während die Löhne und Richter-/Beamtenbesoldungen kaufkraftbereinigt zumindest einen Inflationsausgleich erfahren haben, konnten niedergelassene Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen den Wertverlust ihrer RVG-Vergütung nur durch Mehrarbeit kompensieren. Auch die RVG-Reform von 2021 hat den Kaufkraftverlust zwischen den Jahren 2013 und 2021 nicht einmal voll ausgeglichen.
Gewiss: Die Streitsachverhalte „kleiner Streitwerte“ im Privatbereich können irre spannend und interessant sein. Geht man jedoch davon aus, dass ein Rechtsanwalt überschlägig ca. 220 Euro netto pro Stunde verdienen müsste, um ausgehend von 41 Stunden Wochenarbeitszeit, davon 30 Prozent Betriebsabläufe, und 220 jährlichen Arbeitstagen das Äquivalent eines Richters, der Beihilfeleistungen und 70 Prozent Ruhestandsgehalt bezieht, auch nur in der Eingangsbesoldungsstufe R1 zu verdienen, wird schnell klar, dass das Mandat bis 2.000 Euro vorgerichtlich und gerichtlich nicht mehr als zwei bis drei Stunden Zeit beanspruchen darf, von der Aktenanlage bis zu ihrer Ablage. Selbst für das Arbeitsrecht ist dies jedoch kaum zu schaffen. Tatsächlich legen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bei diesen Mandaten somit Geld drauf; sie machen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Mandantinnen und Mandanten zu ihren eigenen.
Falls die Politik eine tatsächliche „Quersubventionierung“ im Rechtsmarkt wollte, würde sie diese nicht innerhalb der RVG-Gegenstandswerte, sondern daran vorbei mit grundsätzlich zulässigen Erfolgshonoraren gestatten. Also genau eine Umkehrung des bisherigen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Um eine sittenwidrig hohe Bereicherung auszuschließen, könnte dies zunächst für Streitwerte bis 100.000 Euro in unbeschränkter Höhe und in den Bereichen darüber in abgestufter Weise erlaubt werden. Kleinen und mittelgroßen Kanzleien wäre darüber eröffnet, tatsächlich den überwiegenden Teil ihrer Mandate über Erfolgsmodelle abzuwickeln, die dann aufgrund ihrer hohen Prävalenz auch rasch zu einer Überprüfung durch die Gerichte führen und Rechtssicherheit erfahren würden.
Erfolgshonorare würden damit zwar kurz und mittelfristig spürbar mehr Geld in die Kanzleien spülen; damit letztlich und im Großen und Ganzen jedoch nur wiederum die Realwertverluste der zurückliegenden zwanzig Jahre im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen ausgleichen.
Fazit: Erfolgshonorare bislang keine echte Lösung für Anwältinnen und Anwälte
Die Regelung von Erfolgshonoraren in § 4a RVG n. F. ist auch weiterhin zu kompliziert, als dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nennenswert hiervon Gebrauch machen werden. Zivilrechtsmandate mit einer Wertgrenze von 2.000 Euro sind wirtschaftlich ohnehin nicht erstrebenswert; diese können kostendeckend wohl nur von Legal Tech-Firmen mit hohem Standardisierungsgrad bearbeitet werden. Um dies zu ändern, müssten schon sittenwidrig hohe Erfolgsbeteiligungen von 50 bis 60 Prozent abverlangt werden, welche die Gerichte jedoch als überhöht beanstanden werden.