Von Marcel Horndasch
Zeit ist Geld. Gerade in der Rechtsberatung ist dieser Grundsatz maßgebend, jedoch nicht mehr nur im Rahmen der stundenbasierten Abrechnung des Rechtsanwalts oder der Rechtsanwältin. Mandant:innen von heute wollen nicht mehr Tage und Wochen auf juristische Bürokratie warten. Durch Legal Tech-Anbieter gewöhnen sie sich mehr und mehr daran, innerhalb von Minuten den gewünschten rechtlichen Rat zu erhalten.
Mit der Smartlaw-Entscheidung[1] vom 9.9.2021 hat der Bundesgerichtshof auch einem Unternehmen ohne Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) sowie ohne Inkassolizenz nach den §§ 2 Abs. 2, 10 RDG erlaubt, einen digitalen Rechtsdokumentengenerator zu betreiben, mit dem anhand eines Frage-Antwort-Systems und einer Sammlung abgespeicherter Textbausteine Vertragsdokumente erzeugt werden. Daneben dürfen Inkassodienstleister Provisionen oder Erfolgshonorare vereinbaren und sogar als Prozessfinanzierer auftreten.[2] Dies ist besonders bedenklich für die klassische Rechtsberatung, wenn solche Anbieter mithilfe von Dokumentenautomatisierung Ansprüche in Sammelklagen bündeln und finanzieren oder Rechtsdokumente massenhaft zum Niedrigpreis anbieten.
Anwaltskanzleien werden daher gezwungen, nachzuziehen, um dauerhaft konkurrenzfähig zu bleiben. Genau hier setzt eine Software zur Dokumentenautomatisierung an und hilft Kanzleien dabei, moderne Geschäftskonzepte unter eigener Flagge anzubieten.
1. Dokumentenautomatisierung – die Lösung der Herausforderungen im Kanzleialltag
Unter Dokumentenautomatisierung im engeren Sinne versteht die Allgemeinheit den Vorgang einer schnellen Erstellung von standardisierten Dokumenten und Verträgen. Dokumentenautomatisierung im weiteren Sinne erfasst darüber hinaus auch eine zumindest teilweise Automatisierung der Organisation und Aktualisierung rechtlicher Dokumente sowie der dokumentenbasierten Mandantenkommunikation. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz lassen sich eine Vielzahl von Herausforderungen der täglichen rechtlichen Arbeit und echte Mehrwerte für Kanzleien generieren.
a) Effektivitäts- und Produktivitätssteigerung – mehr Zeit für individuelle Beratung
Was in Wirtschaftsunternehmen bereits gang und gäbe ist, fällt in der klassischen Rechtsberatung meist vom Tisch – Wissensmanagement. Einige Vertragsarten, (gerichtliche) Schriftsätze und Gutachten beinhalten immer wieder dieselben oder nur leicht abgewandelte Textbausteine. Diese sind jedoch über viele verschiedene Word-Dokumente verteilt, die Rechtsanwält:innen einzeln suchen und aktualisieren müssen. Sie sind außerdem gezwungen, Gesetzesnovellen, Rechtsprechung und aufsichtsbehördliche Regulatorik manuell zu sammeln, auszuwerten, verschiedenen Klauseln zuzuordnen und in eine Vielzahl von Einzeldokumenten einzupflegen. Administrative Tätigkeiten sind so die wahren Zeitfresser der täglichen Arbeit.
Mithilfe von sogenannten Dokumentengeneratoren entwickeln deren Nutzer:innen auf der Basis ihrer bestehenden Rechtstexte standardisierte und automatisierte Formulare für die gesamte Kanzlei. Rechtsanwält:innen sammeln ein einziges Mal verschiedene Textbausteine einer Dokumentenart und verbinden sie mit einem Fragenkatalog. Anschließend können sämtliche Anwält:innen und bei Bedarf sogar Assistenzkräfte, Referendar:innen oder wissenschaftliche Mitarbeiter:innen fortlaufend per Mausklick innerhalb weniger Minuten perfekt formatierte Dokumente entwerfen. In Klauseldatenbanken können dann alle genutzten Klauseln an einem zentralen Ort aktualisiert werden. Die Software verteilt die Aktualisierung dann automatisiert über alle Formulare an Kolleg:innen und Mandant:innen (sog. Streamlining). Im besten Fall weist eine künstliche Intelligenz sogar auf neue Rechtsprechung hin und ordnet sie automatisiert einzelnen Klauseln zu.
Doch was ist der Mehrwert einer Effizienzsteigerung in einer Branche, die von Stundenabrechnungen lebt?
Kanzleien, die nicht um Mandate kämpfen müssen, können weitere Mandate akquirieren und so noch mehr Marktanteile gegenüber der Konkurrenz gewinnen. Für kleine und mittelständische Kanzleien macht Dokumentenautomatisierung es erstmals möglich, Mandate zu bearbeiten, die klassischerweise eine Vielzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einspannen würde. Viele Anwält:innen nutzen die freigewordene Arbeitszeit schließlich zur individuellen und persönlichen Betreuung ihrer Mandantschaft.
b) Mandantenzufriedenheit und Schutz vor Marktanteilsverlusten
Nicht selten übt auch die Mandantschaft selbst Druck aus. Während die Unternehmerschaft immer mehr automatisierte Prozesse etabliert, bleibt die Juristerei oft in der altbewährten Arbeitsweise und in klassischen Geschäftsmodellen stecken. Gerade jüngere Unternehmen und digitale Branchen nehmen die Kommunikation über endlose E-Mail-Ketten, hunderte Kommentierungen, die Bearbeitung von Word-Dokumenten im Markup-Modus und im Umlaufverfahren sowie eine stundenbasierte Abrechnung dieser ineffizienten Prozesse als innovationsresistent, langsam und unverhältnismäßig teuer wahr.
Moderne Software macht es möglich, automatisierte Dokumentengeneratoren auf der eigenen Kanzlei-Website einzubinden, sodass Mandant:innen on demand auf digitale Rechtsdienstleistungen unter dem Qualitätssiegel einer Rechtsanwaltskanzlei zugreifen können. Dokumentenautomatisierung schützt Kanzleien also vor Marktanteilsverlusten und ermöglicht es, sich gegenüber konkurrierenden Kanzleien noch besser zu platzieren.
c) Neue Geschäftsmodelle und passives Einkommen
Die Rechtsbranche stellt ferner fest, dass Mandant:innen immer öfter Pauschalpreise einfordern. Um diese in wirtschaftlich sinnvoller Art und Weise anbieten zu können, benötigt eine Kanzlei die Möglichkeit, interne Prozesse effizienter zu gestalten. Auf dieser Basis entwickeln verschiedene Kanzleien sehr unterschiedliche Business-Modelle. Drei Gemeinsamkeiten zeichnen sich jedoch jetzt schon ab:
- Dokumentengeneratoren und automatisierte Legal Workflows müssen nur ein einziges Mal aufgesetzt werden und können anschließend mit wenig Aktualisierungsaufwand dauerhaft vertrieben werden. Das eröffnet Anwaltskanzleien Geschäftsmodelle für ein bisher kaum profitables Kundensegment. Start-ups können ohne größeren Aufwand mit einfachen Dokumentengeneratoren zu gestandenen Mandanten und Mandantinnen herangezogen werden.
- Indem Kanzleien Dokumentengeneratoren auf der eigenen Website im Look & Feel der eigenen Marke einem unbestimmten Personenkreis zum Kauf anbieten oder spezifischen Mandant:innen zu deren einmaliger bzw. dauerhaften Nutzung zur Verfügung stellen, haben sie erstmalig die Möglichkeit, passives Einkommen zu erzielen. Man stelle sich vor, Rechtsanwält:innen sitzen in einem Meeting oder besuchen eine Konferenz und eine Software generiert im Hintergrund ohne Aufwand der Kanzlei Umsätze.
- Daneben ermöglicht die Kombination aus Dokumenten- und Prozessautomatisierung ein Geschäftskonzept, das als „Legal as a Service“ bekannt wurde. Darunter versteht der Rechtsmarkt ein vollständiges Outsourcing rechtlicher Prozesse. Ähnlich einer internen Rechtsabteilung können Anwaltskanzleien rechtliche Vorgänge in Unternehmen von außen steuern.
2. Die Bewältigung des Initialaufwands und andere Voraussetzungen
Der initiale Aufwand zur Erstellung und Aktualisierung solcher automatisierten Dokumentenprozesse ist jedoch meist sehr komplex und zeitaufwendig. Dieser Initialaufwand stellt gerade für Jurist:innen eine Hürde dar, die sie nur sehr selten selbst bewältigen können und wollen.
Die Folge daraus ist, dass viele „Legal Tech-Lösungen“ von Kanzleien getestet werden, jedoch von den eigenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kaum genutzt und letztlich wieder gekündigt werden. Der klassische Kanzlei-Software-Markt hat bis dato lediglich die Lösung hervorgebracht, die gesamte Einrichtung und Individualisierung der Software für den Kunden oder die Kundin zu übernehmen. Die Kanzlei muss dann jedoch oft Wochen oder Monate auf die Einrichtung und im Nachgang auch auf die Aktualisierungen der Dokumentenprozesse warten.
Es hilft jeder Kanzlei, den Initialaufwand zu minimieren, wenn vor dem Einsatz von Legal Tech-Lösungen eine organisierte Dokumentenstruktur aufgebaut wird. Im Bestfall werden Dokumente mit Formatvorlagen aufbereitet und verschiedene Dokumente einer Vertragsart oder Klasse in Ordnern gesammelt. Eine moderne und intuitive Software kann so schon viele Prozesse selbst vornehmen.
3. Fazit: Für die Zukunft aufstellen mit Dokumentenautomatisierung
Die Dokumentenautomatisierung im weiteren Sinne kann die Erstellung, Organisation, Freigabe, Verhandlung, Signatur und Aktualisierung von rechtlichen Inhalten betreffen. Diese Prozesse haben das Potenzial, den Rechtsmarkt auf den Kopf zu stellen. Großkanzleien haben das bereits erkannt und bauen eigene Legal Tech-Abteilungen auf. Um den Anschluss nicht zu verlieren, sollten sich kleine und mittelständische Kanzleien mit den Lösungen auf dem Markt auseinandersetzen. Denn die Konkurrenz schläft nie.
- Analysieren Sie Ihre aktuellen Prozesse und Dokumente, bevor Sie eine neue Software einführen. Suchen Sie nach sich wiederholenden Mustern und Textbausteinen. Diese sind für eine Automatisierung geeignet. Die meisten Anwältinnen und Anwälte finden hier mehr Textbausteine, als sie zunächst dachten, wenn sie darauf achten, dass auch einzelne Satzteile oder Wörter per Mausklick geändert werden können. Freilich gibt es aber auch einige Dokumentenarten, die überwiegend sehr individuell für die Mandantschaft geschrieben werden müssen. Hier kann eine Software höchstens die Struktur vorgeben, sodass definitiv keine wichtigen Absätze vergessen werden (z.B. Patentanspruch).
- Sammeln Sie alle Textbausteine einer jeden geeigneten Dokumentenart in einem Word-Dokument und markieren Sie sich Alternativen, Varianten und solche Textbausteine, die nur unter gewissen Voraussetzungen eingefügt werden sollen. Eine gute Software kann solche Dokumente mit allen Formatierungen, Querverweisen und Formatvorlagen auslesen.
- Dokumentenautomatisierung schafft neben der internen Nutzung auch neue Business Cases für eine Nutzung durch die Mandantschaft. Entsprechend sollten Sie die eigenen unternehmerischen Möglichkeiten definieren.
- Mit diesem Wissen beginnt eine Markt- und Konkurrenzanalyse. Beantworten Sie für sich, was Ihre direkten Konkurrenten und Konkurrentinnen anbieten und welche Lösungen bereits von neuen alternativen Rechtsdienstleistern geschaffen wurden. Wahrscheinlich hat sich insofern bereits mehr getan, als Sie vermuten.
- Machen Sie sich bewusst, dass Sie den Weg nicht alleine bestreiten müssen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Softwareanbieter und Ihnen ermöglicht es, Ihre Visionen umzusetzen.
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Bild: Adobe Stock/©TheKonG
Marcel Horndasch hat bereits während seines Jurastudiums eine studentische Rechtsberatung für studentische Startups sowie ein Social-Event-Startup gegründet. Er ist Volljurist sowie Gründer und Geschäftsführer bei PACTA.