Das Wort Legal Tech setzt sich aus „legal services“ und „technology“ zusammen und bezeichnet die Digitalisierung der juristischen Arbeit. Mit Legal Tech können rechtliche Prozesse bzw. Workflows automatisiert, optimiert oder neugestaltet werden, um eine Effizienz- und Qualitätssteigerung zu erzielen.
Manuelle Prozesse sollen dabei durch digitale Prozesse und Tools unterstützt oder vollständig ersetzt werden. Legal Tech umfasst eine breite Palette von Technologien und Anwendungen, darunter Kanzleisoftware, Tools zur Dokumentenerstellung, Online-Plattformen zur Vermittlung von Rechtsdienstleistungen, auf Künstlicher Intelligenz basierte Tools zur Dokumentenanalyse und -erstellung und vieles mehr.
Folgende Infografik kann den Einstieg in Legal Tech erleichtern
Dabei zeichnet sich Legal Tech nicht immer durch besonders anspruchsvolle oder hochentwickelte IT aus. In der Praxis können auch „einfache“ Anwendungen (z. B. ein Kontaktformular auf der eigenen Kanzleiwebsite) erste Ansätze für Legal Tech sein. Vielmehr verbirgt sich hinter dem Begriff Legal Tech auch eine spezifische Herangehensweise, bei der Rechtsberatung nicht mehr als individuelle Dienstleistung, sondern als (teilweise) skalierbares Produkt verstanden wird.
Seit 2023 spielt auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (Legal AI) eine zunehmend größere Rolle im Bereich Legal Tech.
Umgesetzt wird Legal Tech meist mit Software und Online-Diensten, die von etablierten Unternehmen, aber auch zu großen Teilen von Start-ups und Rechtsanwaltskanzleien intern entwickelt werden. Einfluss hat Legal Tech u. a. auf die folgenden Bereiche:
Der Grundpfeiler bei der digitalen Kanzleiorganisation ist in vielen Kanzleien die Kanzleisoftware. Eine gute Kanzleisoftware kann Anwälten und Anwältinnen dabei helfen, viele ihrer täglichen Routineaufgaben zu automatisieren, z. B. die Erstellung von Rechnungen, die Fristenkontrolle oder die Verwaltung von Mandantenakten. Dies kann die Arbeit deutlich erleichtern, da elektronische Akten einfacher zu durchsuchen und zu organisieren sind als physische Akten.
Prädestiniert für den Einsatz von Legal Tech im Bereich Kanzleimanagement und -organisation sind Prozesse, die standardisiert ablaufen, z. B. die Vertrags- und Dokumentenerstellung. Teilweise ist die Funktion Dokumente zu erstellen schon in der Kanzleisoftware integriert. Es gibt aber auch Spezialanbieter von Software für Dokumentenerstellung. Solche Software kann z. B. eine dialogbasierte, eigenständige Erstellung von Verträgen und weiteren Rechtsdokumenten ermöglichen oder Verträge und Dokumente über intelligente Vorlagen erstellen lassen. Auch Künstliche Intelligenz kann heute genutzt werden, z. B. durch Einsatz von KI-Chatbots, um die Dokumentenerstellung effizienter zu machen.
Insgesamt ermöglicht derartige Software Zeitersparnis, die Juristen und Juristinnen in Aufgaben und Bereiche investieren können, die nicht standardisierbar sind. Dazu gehören die Beratung und der Austausch mit der Mandantschaft oder die Bearbeitung komplexer Rechtsangelegenheiten.

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Die Digitalisierung verändert auch die Mandantenakquise und -kommunikation. Anwälte und Anwältinnen haben die Möglichkeit, sich online zu präsentieren um die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit ihrer Kanzlei zu erhöhen. Das erfolgt in der Regel über eine Kanzleiwebsite. Für die Sichtbarkeit der Website kann digitales Marketing eingesetzt werden, z. B. Suchmaschinenoptimierung oder Google Ads. Direkt auf der Website können Kontaktformulare eingebunden werden, die den Zugang zur Kanzlei vereinfachen: Rechtsuchende haben so die Möglichkeit, direkt online einen Termin für die Erstberatung zu buchen. Erste Legal Tech-Anbieter bieten hier auch KI-basierte Chatbots an, mit denen ein KI-Chatbot den Kontakt mit einem potenziellen Mandanten übernimmt, erste Fragen beantwortet und die Kontaktdaten erfasst.
Durch die Digitalisierung von Routineaufgaben gewinnen Anwältinnen und Anwälte mehr Zeit für persönliche Beratung und individuelle Betreuung, was die Mandantenzufriedenheit deutlich steigern kann. Kundenzentrierung wird so auch in der Rechtsberatung zum Erfolgsfaktor: Wer guten Service erfährt, ist eher bereit, dafür angemessen zu zahlen.
Zudem ermöglichen digitale Plattformen den sicheren Austausch von Dokumenten und eine geschützte Kommunikation – per Video, Signaturfunktion oder App. So bleiben Mandanten stets gut informiert und die Kanzlei flexibel erreichbar.
Immer mehr Anbieter juristischer Datenbanken setzen auf Künstliche Intelligenz – insbesondere auf sogenannte Sprachmodelle (Large Language Models). Diese Technologie ist in der Lage, umfangreiche Informationen rasch zu analysieren, zu strukturieren und in verständlicher Form bereitzustellen. Anders als klassische Suchfunktionen, die auf Stichwörtern basieren, ermöglichen KI-gestützte Anwendungen eine kontextbezogene Recherche: Nutzerinnen und Nutzer können ihre rechtlichen Fragen in natürlicher Sprache formulieren – vergleichbar mit einem Dialog – und erhalten darauf präzise, formulierte Antworten.
Ein besonderer Vorteil dieser Systeme liegt darin, dass sie Zusammenhänge in ganzen Sätzen erkennen und verarbeiten. So wird die juristische Recherche nicht nur intuitiver, sondern auch deutlich effizienter. Durch gezielte Rückfragen lassen sich die Ergebnisse schrittweise verfeinern – ganz ohne den Umweg über die klassische Stichwortsuche.
Darüber hinaus gibt es digitale Plattformen, auf denen Anwältinnen und Anwälte Dokumente hochladen und sicher mit ihren Mandantinnen und Mandanten kommunizieren können. Das digitale Signieren oder Videokonferenz-Funktionen sind hier weitere Vorteile. Auch gibt es Apps, die eine vertrauliche Kommunikation mit der Mandantschaft mobil ermöglichen.
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In unserem Legal Tech-Verzeichnis finden Sie über 170 Tools, die Sie für die Digitalisierung Ihrer Kanzlei einsetzen können.
Portale wie flightright.de oder geblitzt.de haben die Digitalisierung genutzt, um Rechtsberatung und Durchsetzung von Verbraucherrechten nahezu vollständig zu automatisieren, und zwar bei den Fällen, die hundertfach und immer wieder in ähnlicher Weise vorkommen. Das ist bei der Durchsetzung von Fluggastrechten der Fall, wie auch bei Bußgeldbescheiden. Von der Datenaufnahme bis hin zum Antrag auf Schadenersatz wird alles von der jeweiligen Software übernommen. Anwälte und Anwältinnen kommen nur dann zum Einsatz, wenn der Fall vor Gericht geht oder eine Einstellung des Bußgeldverfahrens angestrebt wird.
Aber auch immer mehr Anwaltskanzleien gründen eine eigene GmbH und bieten eigene Rechtsprodukte/Rechtsdienstleitungen zum Festpreis wie Beratungspakete oder Vertragsgeneratoren an.
Legal Tech kann somit auch dazu beitragen, dass Menschen Rechtsdienstleistungen in Anspruch nehmen, die dies sonst nicht getan hätten, weil die Hürde zu hoch gewesen wäre.
Bisher gibt es nur wenige Entscheidungen aus der deutschen Rechtsprechung zu Legal Tech-Anwendungen. Wichtige Meilensteine waren die folgenden Urteile:
- BGH zu weniger-miete.de (2021): Inkassodienstleistungen von Legal Tech-Anbietern sind zulässig.
- Smartlaw-Urteil: Der Vertragsgenerator wurde durch das OLG Köln und später durch den BGH als rechtmäßig eingestuft.
- Legal Tech-Gesetz (2021): Das Gesetz hat das Ziel, Anwaltschaft und Legal Tech-Unternehmen bezüglich ihrer Rechte und Pflichten einander anzugleichen, um letztlich den Zugang zum Recht zu steigern.
Im Zusammenhang mit der Legal Tech-Forschung stellt sich auch die Frage, ob und wie die Juristenausbildung reformiert werden muss, um den Anforderungen moderner Rechtsberatung und Rechtsprechung zu genügen. Auch wenn Legal Tech noch nicht Pflichtbestandteil der Juristenausbildung ist, gibt es an zahlreichen Universitäten in Deutschland bereits umfangreiche Wahlpflichtangebote rund um Legal Tech und die Digitalisierung der Rechtsberatung.
Hierzu zählen u. a. die rechtswissenschaftlichen Fakultäten der Universität zu Köln, der LMU München, der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der FAU Erlangen-Nürnberg. Dabei tragen studentische Legal Tech-Initiativen wesentlich dazu bei, dass die wissenschaftliche Lehre mit berufspraktischen Lehrangeboten ergänzt wird. Hierzu zählen zum Beispiel Projektgruppen, Workshops, Podcasts, Wettbewerbe oder Vorlesungsreihen.
So groß die Chancen von Legal Tech sind, so wichtig ist auch ein realistischer Blick auf die Herausforderungen. Ein zentrales Thema ist der Datenschutz: Die Verarbeitung sensibler Mandantendaten erfordert höchste Sicherheitsstandards. Besonders beim Einsatz cloudbasierter Software oder Künstlicher Intelligenz müssen Kanzleien sicherstellen, dass die Datenverarbeitung im Einklang mit der DSGVO erfolgt.
Auch das Berufsrecht setzt klare Grenzen. Nicht jede automatisierte Rechtsdienstleistung ist zulässig – insbesondere bei Angeboten, die sich an Verbraucherinnen und Verbraucher richten, ist eine genaue rechtliche Prüfung erforderlich. Der Einsatz von Legal Tech darf nicht zu Interessenkonflikten oder Haftungsrisiken führen.
Ein weiteres Risiko liegt beim Einsatz von KI-basierten Tools im sogenannten „Halluzinieren“ – also das Erfinden von Inhalten durch Sprachmodelle wie ChatGPT. Ein vielbeachteter Fall machte 2023 Schlagzeilen: Ein US-Anwalt reichte bei Gericht Schriftsätze ein, in denen er sich auf Urteile bezog, die es gar nicht gab – erzeugt von ChatGPT. Solche Fehler können im juristischen Kontext schwerwiegende Folgen haben. Wer KI-Tools einsetzt, muss daher sicherstellen, dass deren Ausgaben stets kritisch geprüft und juristisch verifiziert werden.
Hinzu kommen organisatorische und kulturelle Hürden: Die Einführung neuer Technologien erfordert nicht nur finanzielle Investitionen, sondern auch eine Offenheit für Veränderungen. Nicht alle Kanzleien verfügen über das nötige technische Know-how oder interne Prozesse, um Legal Tech erfolgreich einzusetzen.
Trotz dieser Herausforderungen gilt: Wer Risiken frühzeitig erkennt und geeignete Maßnahmen trifft, kann Legal Tech verantwortungsvoll und gewinnbringend nutzen.
- Standardprozesse wie Dokumentenerstellung, Fristenmanagement oder Recherche werden zunehmend durch Software und KI vereinfacht oder übernommen.
- Cloudlösungen und digitale Mandatsbearbeitung ermöglichen flexibles, hybrides oder vollständig digitales Arbeiten.
- Interdisziplinarität wird wichtiger: Kompetenzen wie technisches Verständnis oder unternehmerisches Denken werden von Juristen und Juristinnen gefragt. So entstehen auch neue Berufsbilder, z. B. der Legal Engineer oder Legal Designer.
- Automatisierte Plattformen und digitale Beratungslösungen machen Rechtsdienstleistungen für mehr Menschen erreichbar.
- Wer Legal Tech sinnvoll einsetzt, arbeitet effizienter, mandantenorientierter und zukunftssicher – technologische Kompetenz wird zum Erfolgsfaktor.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Legal Tech heute ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Anwälten und Anwältinnen ist. Durch den Einsatz von Technologie kann Rechtsberatung effektiver, transparenter und kostengünstiger erbracht werden – zum Vorteil von Juristen und Juristinnen. Um aber auch in Zukunft erfolgreich zu sein, müssen sich Juristinnen und Juristen mit dem Thema Legal Tech beschäftigen. Wir versorgen Sie mit allen wichtigen Informationen hier auf legal-tech.de – sowohl auf unserem Blog, als auch mit unserem Magazin oder über unseren Newsletter.