Legal Tech Day

Was bewegt die Legal Tech-Branche?

Drei Takeaways vom dritten Legal Tech Day

Von Verena Schillmöller

Rund 270 Besucherinnen und Besucher trafen sich in Berlin zum dritten Legal Tech Day des Legal Tech Verbands Deutschland. Ein Klassentreffen der Branche, könnte man meinen, aber das sollte es bewusst nicht sein: „Innovation funktioniert nur, wenn immer wieder neue Player hinzukommen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Legal Tech Verbands Stefan Schicker in seiner Begrüßungsrede. Deshalb seien neue Gesichter und Mitglieder natürlich immer willkommen. Und dass die Legal Tech-Branche wächst, zeigt sich auch daran, dass der Legal Tech Day von Jahr zu Jahr größer wird und auch in diesem Jahr wieder viele Legal Tech-Interessierte zum ersten Mal dabei waren. Wiederkehrende und neue Besucherinnen und Besucher erlebten einen Tag voller spannender Vorträge und Diskussionen bei bestem Wetter direkt an der Spree. Drei Takeaways vom dritten Legal Tech Day lesen Sie hier.

1. Legal Tech sichert die Produktivität und Handlungsfähigkeit der Justiz

Bundesjustizminister Marco Buschmann stellte in seinem Grußwort fest, dass die Digitalisierung der Rechtsbranche und insbesondere der Justiz noch nicht da sei, wo sie sein sollte. Er betonte die Bedeutung von Legal Tech gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in der Justiz und der anstehenden Pensionierungswelle vieler Richter:innen – statt unreflektiert neue Stellen zu schaffen, solle man sich lieber Gedanken darüber machen, wie Richter:innen und Mitarbeiter:innen in der Justiz bereits jetzt durch Legal Tech und KI entlastet werden können. Denn: Auch Planstellen bleiben bereits heute unbesetzt, weil keine Fachkräfte gefunden werden. Legal Tech und Digitalisierung sind daher auch ein wichtiges Mittel, um die Produktivität der Justiz und die Handlungsfähigkeit des Staates für die Zukunft zu sichern. So laufen bereits zahlreiche Pilotprojekte zum Einsatz von Legal Tech und KI in den Gerichten.

2. Der erste Legal Tech-Marktmonitor: Erstmals spannende Daten zum Legal Tech-Markt erhoben

Legal Tech Day: Diskussion
Panel zum Legal Tech Marktmonitor

In Anlehnung an den jährlich erscheinenden Startup Monitor wurden in diesem Jahr erstmals Kennzahlen zur Vermessung des Legal Tech-Markts erhoben. Dirk Hartung vom Center für Legal Technology an der Bucerius Law School stellte die Zahlen auf dem Legal Tech Day vor. Die Daten für den Legal Tech Monitor wurden durch intensive Recherchen und eine Umfrage mit 300 Teilnehmenden aus Kanzleien, Rechtsabteilungen, Justiz und Legal Tech sowie 50 Experteninterviews erhoben. Das waren die spannendsten Erkenntnisse:

  • Wenig verwunderlich ist, dass ein Großteil der Befragten die Digitalisierung für unumgänglich und richtig hält. Etwas kritischer wird die Digitalisierung nur von den Befragten aus Justiz und Verwaltung gesehen.
  • Auf dem deutschen Markt gibt es etwa 300 Legal Tech-Anbieter, etwa 175 davon kommen aus Deutschland.
  • In den letzten 12 Monaten haben 55 Prozent der Befragten aus Rechtsabteilungen, Kanzleien und der Justiz ein KI-Projekt durchgeführt. Über 70 Prozent derjenigen, die ein solches Projekt durchgeführt haben, bewerten es als erfolgreich oder eher erfolgreich. Die meisten KI-Projekte beschäftigten sich mit der Dokumentenanalyse, gefolgt von der Dokumentenautomatisierung.
  • Die laut der Umfrage bekanntesten Legal Tech-Produkte sind Bryter, Lawlift und Harvey.

Hier können Sie weitere erste Ergebnisse des Legal Tech-Marktmonitors nachlesen. Der komplette Legal Tech-Marktmonitor mit allen Zahlen soll im November veröffentlicht werden.

Newsletter

Wenig Zeit für Digitalisierung?

Digitalisierungstipps, die Sie weiterbringen, erhalten Sie in unserem monatlichen Legal Tech-Newsletter.

3. Künstliche Intelligenz kann bereits heute sinnvoll den Kanzleialltag unterstützen

Zwar wird viel über die Effizienzsteigerung durch KI geredet, vieles bleibt aber auch unkonkret – dem wurde auf dem Legal Tech Day entgegengewirkt, indem Anwält:innen aus Kanzleien und Rechtsabteilungen verschiedene Use Cases von Künstlicher Intelligenz in ihren Unternehmen oder Kanzleien vorstellten.

  • Yunna Choi von Axel Springer stellte eine Klauseldatenbank mit intelligenter Dokumentenbearbeitung vor. Die Klauseldatenbank ist eine Mischung aus regulärer Software und KI-Funktionen. Das Tool kann direkt in Word verwendet und die Klauseldatenbank direkt dort nach Keywords durchsucht werden. KI kommt zum Einsatz, wenn eine aufgerufene Klausel noch nicht ganz den Bedürfnissen entspricht: Die Klauseln können dann mit der Hilfe von GPT-4 auch einfach angepasst oder abgeändert werden.
  • Stefanie Schramm von CMS demonstrierte June als Tool zur Abwicklung von Massenverfahren in einer Großkanzlei. Die Kanzlei bearbeitet einige Fälle, in denen Verfahren in mehr als 20 verschiedenen Ländern geführt und von einem internationalen Team (Deutschland und China) bearbeitet werden. June macht es einfach, die Dokumente schnell zu übersetzen, ohne dass das Format geändert werden muss. Die Texte können zudem inhaltlich zusammengefasst werden oder wichtige Daten mithilfe von KI extrahiert werden.
  • Jan Schätzel von der mittelständischen Kanzlei KSB intax stellte das Tool Prime Legal AI vor. Prime Legal AI verbindet eine vortrainierte semantische Suche mit leistungsfähigen Sprachmodellen. Ebenso bietet das Tool eine Anonymisierungssoftware, die aus Dokumenten personen- und unternehmensbezogene Daten entfernt. Use-Cases der Software sind z. B. Zusammenfassungen und Analysen von Verträgen und Ersteinschätzungen bei Versicherungsfällen und M&A-Verträgen.

Legal Tech Day
Stefanie Schramm über den Einsatz von June bei CMS

Fazit: Chancen und Grenzen kennen

Die Anwaltschaft, so Keynote-Speakerin Nathalia Schomerus, habe gegenüber der KI einen großen Vorteil: das Vertrauen der Menschen. Studien belegen, dass der Beruf des Rechtsanwalts zu den Berufen gehört, in die Menschen großes Vertrauen haben – im Gegensatz zur KI, die noch kein besonders hohes Vertrauen genießt.

Der Legal Tech Day hat noch einmal verdeutlicht, wie leistungsfähig Künstliche Intelligenz bereits ist und wie gut die Tools bereits eingesetzt werden können, hat aber auch deutlich gemacht, wo die Grenzen der Technologie liegen. Es liegt jetzt an den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, sich mit KI vertraut zu machen, und so die Chancen zur Erleichterung im Arbeitsalltag zu nutzen, die KI bietet. Gleichzeitig sollte man sich aber auch bewusst machen, was die KI nicht ersetzen kann. Je früher das geschieht, desto besser. Künstliche Intelligenz ist ein Thema, das die Rechts- und Legal Tech-Branche sicherlich noch lange begleiten wird – und wir sind schon jetzt gespannt, welche neuen Entwicklungen auf dem Legal Tech Day 2025 vorgestellt werden.

Bilder:  © Legal Tech Verband Deutschland
Weitere Beiträge

Verena Schillmöller ist beim FFI-Verlag in den Bereichen Produktmanagement und Redaktion tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der Bereich Legal Tech.

Nach oben scrollen