Drei Takeaways zum Einsatz von KI in Kanzleien und der Justiz

Das war das 7. Schweitzer Zukunftsforum Legal Tech


„Für den Text zur Eingangsmoderation hat die KI mich noch nicht ganz überzeugt“, leitete Moderatorin Pia Löffler das 7. Schweitzer Zukunftsforum ein. Doch auch wenn KI in der Justiz und Rechtsberatung in manchen Bereichen noch nicht ganz ausgereift scheint, zeigt sich in vielen Anwendungen bereits ihr großes Potenzial – genau darum ging es auch in den Vorträgen der zweitägigen Veranstaltung. Am ersten Tag stand der Einsatz von KI in der Rechtsberatung im Mittelpunkt, am zweiten Tag die Anwendung in der Steuerberatung. Wer nicht live dabei sein konnte, findet hier drei zentrale Erkenntnisse für Anwaltskanzleien.

1. Legal Tech wird spannender – nicht nur für Start-ups

Wie jedes Jahr eröffnete Patrick Prior das Zukunftsforum mit einem Marktüberblick: „Wo steht Legal Tech heute?“ Die Antwort: Der Markt befindet sich – auch dank KI – in Bewegung. Das zurückliegende Jahr war geprägt von starken Gegensätzen – auf der einen Seite eine 1,3-Millionen-Euro-Finanzierung für Jupus und der Einstieg von Beck als Hauptinvestor bei Noxtua, auf der anderen Seite die Insolvenz von RightNow. Insgesamt sei vor allem durch den KI-Boom viel Dynamik im Markt.

Besonders spannend war ein Ausblick auf mögliche Zukunftsszenarien: Sam Altman (OpenAI) hält ein „1-Mann-Unicorn-Startup“ dank KI für realistisch – könnten bald auch „1-Mann-Rechtsabteilungen“ folgen?

KI wird zudem besser – nicht nur technisch, sondern auch in der Interaktion: Die Kommunikation mit ChatGPT gleiche heute einem echten Dialog, stellte Prior fest. Eine Studie zeige sogar: Manche Rechtsratsuchende schenken den KI-Antworten mehr Vertrauen als denen von Anwältinnen und Anwälten. Was das für die Rechtsbranche bedeutet, wird sich in Zukunft zeigen.

2. Von Dieselklagen bis Urteil-Anonymisierung: In diesen Bereich unterstützt KI in der Justiz heute schon die Arbeit

Prof. Dr. Bettina Mielke, Präsidentin des Landgerichts Ingolstadt, gab einen Einblick, wie Künstliche Intelligenz (KI) heute schon in der Justiz genutzt wird und welche Chancen und Herausforderungen sie mit sich bringt. KI sei längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern in bestimmten Bereichen des Gerichtsalltag bereits gelebte Unterstützung.

Wo kommt KI heute schon zum Einsatz?

KI wird vor allem dort eingesetzt, wo viele ähnliche Fälle anfallen, etwa bei Fluggastrechte- oder Dieselklagen. In Niedersachsen hilft das Projekt MAKI dabei, solche Massenverfahren effizienter zu bearbeiten. Die Software erkennt nach einer kurzen Anlernphase ähnliche Fälle und greift auf frühere Entscheidungen zurück. Die richterliche Entscheidung bleibt trotzdem immer beim Menschen.

Auch bei der Anonymisierung von Urteilen gibt es Fortschritte: Das Projekt JANO, das in Hessen und Baden-Württemberg entwickelt wurde, soll Gerichte bei der zeitaufwändigen Anonymisierung unterstützen, damit Urteile schneller veröffentlicht werden können – ohne die Kontrolle aus der Hand zu geben.

Rechtlicher Rahmen und Ausblick

Prof. Mielke ordnete diese Entwicklungen auch in den Kontext der europäischen KI-Verordnung ein. Sie wies darauf hin, dass die Justiz bei der Einführung von KI-Systemen besonders auf den Schutz von Grundrechten achten muss. KI kann die Arbeit erleichtern, aber richterliche Unabhängigkeit und rechtliche Sicherheit müssen immer gewahrt bleiben.

KI ist in der Justiz, vor allem unterstützend, angekommen. Entscheidend wird sein, wie technische Innovation, richterliche Unabhängigkeit und rechtliche Sicherheit künftig zusammenspielen. Einen ausführlichen Beitrag von Bettina Mielke zu den Einsatzbereichen von KI in der Justiz finden Sie auch hier auf legal-tech.de.

3. KI als Super Advisor – Wie Wirtschaftskanzleien Künstliche Intelligenz strategisch integrieren können

Im Vortrag KI in einer Top-Tier Wirtschaftskanzlei gab Marc Geiger, Director Legal Operations  & Business Technologies bei Gleiss Lutz, einen praxisnahen Einblick, wie KI bereits heute in der Mandatsarbeit bei Gleiss Lutz eingesetzt wird. So generiert die KI z. B. bei der Bearbeitung von über 5.000 Vergleichsfällen automatisch Antwortschreiben – vorausgesetzt, die Prüfung ergab keine Auffälligkeiten. In problematischen Fällen wird der Vorgang zur manuellen Bearbeitung zurückgespielt.

Workflow für den Einsatz von KI in der Justiz bei Gleiss Lutz
Workflow für den Einsatz von KI bei Gleiss Lutz

Geiger ging auch auf das wichtige Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine ein: Bei der Auswertung ähnlicher Bilder etwa sorgt „Human in the Loop“-Feedback dafür, dass klassische Machine Learning-Systeme verlässlicher werden. Im Vergleich dazu bieten Large Language Models ein deutlich tieferes Sprachverständnis – doch auch hier gilt: Nicht jeder KI-Einsatz ist gleich sinnvoll.

Auch das Erwartungsmanagement der Mitarbeitenden spielt eine entscheidende Rolle beim Einsatz von KI: Bei Gleiss Lutz wird KI nicht als magische Lösung verstanden, sondern als „Super Advisor“ – vergleichbar mit einem Navigationssystem im Auto, das Effizienzgewinne ermöglicht, aber nicht das Steuer übernimmt. Die Plattform „Harvey“ wurde in der Kanzlei drei Monate lang getestet und überzeugte als praktikables KI-Tool für die Kanzleiarbeit.

2025 rücken u. a. Knowledge Management und gezieltes Prompting ins Zentrum der KI-Strategie von Gleis Lutz. Dennoch betonte Geiger, dass allen bewusst ist: Die Kanzlei steht erst am Anfang eines langen und komplexen Wegs.

Fazit: KI ist kein Ersatz, sondern ein hilfreiches Werkzeug

Ob in der Justiz, der Großkanzlei oder auf dem Legal-Tech-Markt – die Vorträge des 7. Schweitzer Zukunftsforums haben gezeigt: Künstliche Intelligenz ist längst keine ferne Vision mehr, sondern ein fester Bestandteil juristischer Praxis mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Sie hilft, Prozesse zu beschleunigen, Entscheidungen vorzubereiten und Wissen effizienter zu nutzen. Doch eines ist ebenso klar geworden: KI ist kein Ersatz, sondern ein Werkzeug – und ihr Nutzen hängt maßgeblich davon ab, wie wir sie einsetzen. So entsteht ein neues Rollenverständnis für Kanzleien, in dem Technik und juristische Kompetenz Hand in Hand gehen müssen.

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Verena Schillmöller ist beim FFI-Verlag in den Bereichen Produktmanagement und Redaktion tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der Bereich Legal Tech.

Lena Paech arbeitet beim FFI-Verlag als Volontärin im Bereich Produktmanagement.

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