Rechtsausschuss Legal Tech

Über Erfolgshonorare, Inkassobefugnis und Legal Techs
Rechtsausschuss zu Neuregelungen im RVG und RDG

Von Peggy Fiebig

Anwaltsorganisationen und Legal Tech-Unternehmen haben diametral entgegenstehende Auffassungen darüber, wer künftig in welchem Umfang Rechtsdienstleistungen erbringen darf. Das zeigte sich gestern in einer Sachverständigenanhörung des Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechte Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt.

Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren sind so genannte Legal Techs im Rechtsdienstleistungsmarkt unterwegs. Schneller und kostengünstiger sollen Verbraucher zu ihrem Recht kommen – so das Versprechen. Rechtliche Grundlage ist in der Regel eine Registrierung als Inkassounternehmen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Allerdings hatte der Gesetzgeber bei Einführung dieser Norm kaum die heutige digitalisierte Welt vor Augen. Die Inkassoerlaubnis ist daher auch eher eine Hilfslösung als ein passgenauer Rechtsrahmen für die Anbieter technikbasierter Rechtsdurchsetzungsinstrumente. Mit dem neuen Gesetz will die Bundesregierung deshalb nun insbesondere im Hinblick auf Legal Tech-Unternehmen „einen kohärenten Regelungsrahmen für Inkassodienstleistungen schaffen“. Der Kölner Rechtsprofessor Martin Henssler lobte in seiner Stellungnahme dann auch den grundsätzlichen Ansatz: Der Regierungsentwurf verfolge die zwei uneingeschränkt zu begrüßenden Kernanliegen

  • einerseits einen rechtssicheren Regelungsrahmen für die neuartigen Formen von Inkassodienstleistungen zu schaffen
  • und andererseits Wettbewerbsnachteile der Rechtsanwaltschaft gegenüber anderen Rechtsdienstleistern, die keinen vergleichbaren berufsrechtlichen Restriktionen unterliegen, zu beseitigen.

Weil Inkassounternehmen anders als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zum Beispiel Erfolgshonorare vereinbaren können, ist einer der Schwerpunkte der geplanten Neuregelung eine entsprechende Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Erfolgshonorar – Gefahr für die Integrität der Anwaltschaft?

Nach dem Gesetzentwurf soll es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten künftig gestattet werden, in größerem Umfang als bisher Erfolgshonorare zu vereinbaren und entsprechende Verfahrenskosten zu übernehmen. Eigentlich sollte damit ein Wettbewerbsnachteil zulasten der Anwältinnen und Anwälte gemindert werden, dennoch traf der Vorstoß in der Sachverständigenanhörung auf heftigste Kritik der Vertreter von Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und Deutscher Anwaltverein (DAV). Eine weitere Öffnung des Erfolgshonorarverbotes zerstöre die Integrität der Anwaltschaft, warnte BRAK-Präsident Ulrich Wessels nachdrücklich. Eine erfolgsabhängige Vergütung führe zu Interessengegensätzen zwischen Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt und Mandant:in, da die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt zum Investor des Mandats werde, so die bereits seit Jahren bestehenden Vorbehalte der Anwaltsorganisationen.

Rechtsdienstleistung als „Konfektion“ oder als „Maßanzug“?

Die BRAK lehnt den Gesetzentwurf insgesamt ab, auch weil sie, genauso wie der DAV, gar kein Bedürfnis für standardisierte Rechtsdienstleistungen sieht. Nur Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte würden die qualifizierte Rechtsberatung „mit Menschenvorbehalt“ durch beruflich bestens ausgebildete Personen anbieten, so Ulrich Wessels. Es dabei zu belassen, sei nicht zuletzt ein Gebot des Verbraucherschutzes. Der Hannoveraner Rechtsprofessor Christian Wolf warnte in Anlehnung an den Untertitel einer Fernsehsendung gar vor „Neppern, Schleppern, Bauernfängern“.

Ganz anders sieht das Markus Hartung, Berliner Rechtsanwalt und grundsätzlicher Fürsprecher des Gesetzentwurfes: Man könne dem Verbraucher durchaus ein höheres Maß an Beurteilungskompetenz zutrauen, sagte er. Rechtsuchende könnten sehr wohl unterscheiden zwischen dem „Konfektionsangebot“ von Legal Tech-Unternehmen und dem „Maßanzug“, der beim Anwalt zu bekommen sei.

Höhere Standards für Sachkundenachweis

Grundsätzlich meint Hartung, dass der Gesetzentwurf zwar noch keine perfekte Lösung biete, aber die derzeitige Situation jedenfalls für alle Seiten verbessere. Notwendig sei aber, vor allem unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes, ein höherer Standard beim Sachkundenachweis nichtanwaltlicher Rechtsdienstleister nach § 11 RDG. Zwar ist bereits vorgesehen, dass die zuständige Behörde über den bisher vorgesehenen Sachkundelehrgang hinaus weitere Nachweise theoretischer Kenntnisse verlangen kann, im Hinblick darauf, dass künftig mehr Rechtsdienstleistungen für Verbraucher durch entsprechende Dienstleister erbracht werden, könnte oder sollte man möglicherweise aber sogar der Abschluss als Diplom-Jurist oder Wirtschaftsjurist als Voraussetzung fordern. Für „klassische“ Inkassodienstleister könne dann eine Ausnahme vorgesehen werden.

Rechtssicherheit bei RDG-Verstößen

Philipp Plog vom Legal Tech Verband begrüßt den Entwurf erwartungsgemäß. Er biete, so meinte er, mehr Freiheiten für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und mehr Rechtssicherheit für nichtanwaltliche Rechtsdienstleister. Allerdings sieht auch er Nachbesserungsbedarf. So dürfe das Risiko einer fehlenden Aktivlegitimation nicht den Rechtssuchenden aufgebürdet werden. In der Vergangenheit hatten mehrere Gerichte konkrete Geschäftsmodelle als nicht vereinbar mit der Inkassoerlaubnis nach dem RDG angesehen, mit der Folge, dass auch die Abtretungen unwirksam geworden sind. Die betroffenen Verbraucher und Unternehmen liefen dann Gefahr, dass ihre Forderung zwischenzeitlich verjährt ist. Der Legal Tech Verband schlägt deshalb vor, eine Regelung vorzusehen, nach der ein RDG-Verstoß nicht zur Nichtigkeit der Forderungsabtretung oder zum Verlust der Aktivlegitimation führt.

Inhaltliche Begrenzung der Rechtsdienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RDG

Insgesamt aber sollte deutlicher begrenzt werden, welche Rechtsdienstleistungen von § 10 Abs. 1, Satz 1 RDG umfasst sind und welche nicht, fordert Martin Henssler von der Universität zu Köln. Im Entwurf sind die Befugnisse der Inkassounternehmen, seiner Ansicht nach, zu weit gefasst. In jedem Fall sollten sämtliche familienrechtliche Forderungen aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters ausgenommen werden. Unterhaltsansprüche, die der Sicherung der Lebensgrundlage dienen, müssen beispielsweise den Berechtigten unvermindert zur Verfügung stehen. Wenn nun ein Inkassodienstleister beispielsweise ein Drittel selbst vereinnahmen könnte, würde damit die Funktion solcher Ansprüche konterkariert. Deshalb sollte die Möglichkeit eines Erfolgshonorars hier ausgeschlossen werden.

Auch gegen eine von vorneherein versprochene gerichtliche Forderungsdurchsetzung durch nichtanwaltliche Anbieter hat Henssler grundsätzliche Bedenken. Solche Angebote seien nach derzeitigem Recht unzulässig und sollten es auch bleiben, meint der Kölner Rechtsprofessor. Er befürchtet eine „Entfremdung“ des Forderungsinhabers von dem dann durch den nichtanwaltlichen Dienstleister beauftragten Rechtsanwalt, mit der ihm dann auch der Schutz des anwaltlichen Berufsrechts abgeschnitten werde. Christian Wolf von der Universität Hannover sieht das Problem auch und schlägt daher für § 2 Abs. 2, Satz 2 RDG folgende Regelung vor: „Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd, dies bezieht sich auch auf das Mandatsverhältnis nach § 79 Abs. 1 Satz 2 ZPO.“ Damit soll sichergestellt werden, dass die Rechtsanwältin bzw. der Rechtsanwalt, die oder der für ein Inkassounternehmen, an welches die Forderung abgetreten wurde, gerichtlich tätig wird, den Interessen des wirtschaftlichen Forderungsinhabers verpflichtet ist und insbesondere gegenüber dem ursprünglichen Forderungsinhaber keiner Verschwiegenheitspflicht unterliegt.

Forderungen nach „dem großen Wurf“

Insgesamt aber zeigte sich Wolf deutlich skeptisch gegenüber dem Gesetzentwurf und weist auf die anwaltlichen core values hin, denen als Inkassodienstleister zugelassene Legal Tech-Unternehmen nicht unterliegen. Wolf präferiert als grundsätzliche Alternative für eine Bündelung von rechtlichen Interessen das Abtretungsmodell nach österreichischem Vorbild. Verlangt man eine anwaltliche Beratung des Zedenten und lässt die Abtretung nur in den Fällen der §§ 147 und 60 ZPO zu, ist dem Missbrauch hinreichend vorgebeugt und ein effektiver Zugang zum Recht in den Fällen eröffnet, die der Kläger sinnvoll nicht alleine geltend machen kann.

Auch BRAK und DAV meinen, dass für eine Neuregulierung des Rechtsdienstleistungsmarktes ein ganz anderer Weg gewählt werden sollte. Es gehe um eine Gesamtlösung und nicht um Eingriffe in einen kleinen Bereich, das ganze System müsse gesehen werden, so Edith Kindermann, Präsidentin des DAV. Dabei sollten beispielsweise auch die Verbraucherschlichtung und die kollektive Rechtsdurchsetzung in den Blick genommen werden, forderte die Bremer Rechtsanwältin und Notarin. Das allerdings ist wohl noch ein weiter Weg. Ob man so lange mit der derzeitigen Rechtslage, die im Wesentlichen durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 2019 geprägt ist und mit der ehebliche Rechtsunsicherheiten für alle – Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Verbraucher und Legal Tech-Unternehmen – verbunden sind, leben kann und will, dürfte mehr als fraglich sein.

Die Anhörung wird nun in den kommenden Wochen durch die zuständigen Berichterstatter im Rechtsausschuss ausgewertet, möglicherweise gibt es Änderungsvorschläge, und könnte dann noch vor der Sommerpause endgültig verabschiedet werden.

Foto: Adobe Stock/JFL Photography
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Peggy Fiebig LL.M. ist freie Journalistin in Berlin und arbeitet überwiegend für den Hörfunk. Ihr Schwerpunkt ist die Hintergrundberichterstattung zu aktueller Rechtspolitik und Rechtsprechung.

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