Anhörung Legal Tech

Wie viel nichtanwaltliche Rechtsdienstleister verträgt der Rechtsstaat?Anhörung im Rechtsausschuss zu Legal Techs, RDG und anwaltlichem Berufsrecht

Von Peggy Fiebig

Am 11. März hat sich der Rechtsausschuss des Bundestages mit der Digitalisierung der Rechtsberatung befasst. Konkret ging es um zwei Gesetzentwürfe aus der Opposition, mit denen auf die Entwicklung so genannter Legal Techs reagiert werden soll. Im Fokus dabei: Jene Angebote, die es Verbrauchern ermöglichen sollen, ihre Ansprüche mit möglichst wenig Aufwand durchzusetzen. Bekannt sind hier vor allem die Plattformen zum Fluggastrecht und Mietrecht.

Vorstöße von FDP und Grünen: Anpassung von RDG und anwaltlichem Berufsrecht

Bisher agieren die Verbraucher-Legal-Techs in einem gewissen Graubereich. In den meisten Fällen bedienen sie sich einer Inkassoerlaubnis nach § 10 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), um überhaupt Rechtsdienstleistungen anbieten zu können. Das ist aber eher eine Hilfskonstruktion, weshalb seit geraumer Zeit über mögliche und vielleicht auch nötige gesetzliche Änderungen zur Regulierung von Legal Techs diskutiert wird.

Die FDP-Fraktion schlägt in ihrem Entwurf eine Änderung des RDG vor: Zum einen soll klargestellt werden, dass eine Rechtsdienstleistung auch automatisiert beziehungsweise teilautomatisiert erbracht werden kann. Und diese „automatisierten Rechtsdienstleistungen“ sollen in den Erlaubniskatalog des § 10 RDG aufgenommen werden, so dass sie auch durch Nichtanwälte erbracht werden können. Die Grünen dagegen haben ihre Vorschläge nicht als Gesetzentwurf ausformuliert, sondern fordern die Bundesregierung auf, entsprechend tätig zu werden. Angesetzt werden soll dabei eher am anwaltlichen Berufsrecht; Erfolgshonorare und Prozessfinanzierung sollen auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten künftig im bestimmten Rahmen erlaubt werden. Dies würde es ihnen ermöglichen, ebenfalls Legal Tech-Dienstleistungen nach den derzeitigen Geschäftsmodellen anzubieten. Damit soll, so heißt es im Antrag, langfristig ein fairer Wettbewerb zwischen Anwaltschaft und nichtanwaltlichen Dienstleistern gewährleistet werden.

Bei der Expertenanhörung kamen jetzt unter anderem Vertreter der Anwaltsorganisationen BRAK und DAV, der Hannoveraner Rechtsprofessor Christian Wolf, aber auch Daniel Halmer, der Gründer und Geschäftsführer der Firma LexFox (wenigermiete.de), Florian Stößel vom Verbraucherzentrale Bundesverband sowie mit Markus Hartung und Dirk Uwer zwei sehr legal-tech-freundliche Rechtsanwälte zu Wort.

Legal Tech-Unternehmen zur Durchsetzung von kleinen und mittleren Ansprüchen

Daniel Halmer, der mit seinem Angebot wenigermiete.de im vergangenen November vom BGH die höchstrichterliche Bestätigung für sein Geschäftsmodell erhalten hatte, sieht gerade bei kleinen Streitwerten eine tatsächliche Rechtsdurchsetzungslücke, die Legal Tech-Unternehmen schließen können. Auch Florian Stößel vom vzbv meint, dass Legal Tech-Dienstleister Verbrauchern eine sehr niedrigschwellige, mit wenig Aufwand verbundene Möglichkeit bieten, auch kleine Ansprüche durchsetzen zu lassen. Er betonte allerdings auch die Kehrseite der Medaille – vor allem die nicht unerheblichen Provisionsansprüche der Anbieter im Erfolgsfall, mit denen Nutzern letztendlich ein Teil des zustehenden Anspruchs abgeschnitten werde. Außerdem unterlägen Legal Techs nach derzeitiger Rechtslage – anders als Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – nicht den Berufspflichten wie der Verschwiegenheit oder dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Der Verband fordert daher eine strengere Regulierung. Denkbar sei neben bestimmten Informationspflichten beispielsweise auch eine Übertragung anwaltlicher Pflichten auf Legal Tech-Unternehmen, sagte Florian Stößel in der Anhörung.

FDP-Vorschlag nicht geeignet

Weitgehende Einigkeit bestand unter den Experten, dass der Vorschlag der FDP zur Einführung eines neuen Erlaubnistatbestandes nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz für eine praktikable Lösung nicht geeignet sei. Vor allem wurde kritisiert, dass der Begriff der „automatisierten Dienstleistung“ zu unbestimmt sei. Die Präsidentin des Deutschen Anwaltvereins Edith Kindermann geht allerdings noch weiter in ihrer Kritik, für die Verbandsvertreterin gibt es überhaupt keinen Bedarf für eine separate RDG-Erlaubnis für Legal Tech. Ihrer Meinung nach sollte allenfalls der Begriff der Inkassodienstleistung klarer definiert werden.

Insgesamt sahen die Vertreter der Anwaltsorganisationen deutlich weniger Handlungsbedarf als die meisten anderen Sachverständigen in der Anhörung. Birte Lorenzen, Mitglied im Ausschuss Rechtsdienstleistungsrecht der Bundesrechtsanwaltskammer sieht die ganze Diskussion um eine Legal Tech-Regulierung rein geschäftsinteressengeleitet. Es gehe den Befürwortern einer Öffnung des RDG für Legal Tech nicht um den Rechtsstaat (oder auch „nur“ den Wirtschaftsstandort Deutschland), sondern tatsächlich schlicht um manifeste Geschäftsinteressen von diversen Unternehmen (z. B. Beteiligungsgesellschaften, möglicherweise der ein oder anderen „Heuschrecke“, oder Versicherungskonzernen, die sich neue Geschäftsfelder zu erschließen hoffen), schreibt sie in ihrer schriftlichen Stellungnahme.

Und auch am Verbot von Prozessfinanzierungen und Erfolgshonoraren wollen BRAK und DAV weitgehend festhalten. Allenfalls bei geringen Streitwerten bis etwa 2.000 Euro signalisierte DAV-Präsidentin Kindermann die Bereitschaft für eine Lockerung des Erfolgshonorarverbotes.

Empirische Kenntnisse fehlen

Inwieweit im Bereich kleinerer und mittlerer Forderungen tatsächlich ein Bedarf an alternativen Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten besteht, darüber gibt es bisher noch keine fundierten empirischen Erkenntnisse, beklagte der Berliner Rechtsanwalt Markus Hartung. In der Diskussion sei man, so lange es keine echte Legal-Needs-Studie gebe, auf Spekulationen und Vermutungen angewiesen. Das Bundesjustizministerium hatte zwar im vergangenen Jahr mit Blick auf die sinkende Eingangszahlen bei den Amtsgerichten ein solches Papier in Auftrag gegeben, mit den Ergebnissen ist allerdings noch nicht so bald zu rechnen. Für die Forschungen ist eine Laufzeit von 24 bis 30 Monaten vorgesehen.

Längerer Diskussionsprozess erwartet

Die beiden Fraktionen von FDP und Grünen wollen jetzt in Ruhe die Ergebnisse der Anhörung auswerten und gegebenenfalls ihre jeweiligen Anträge ändern. Wann dann das parlamentarische Verfahren – zunächst im Rechtsausschuss, dann im Plenum – fortgesetzt wird, steht derzeit noch nicht fest. Angesichts der möglichen weitreichenden Auswirkungen möglicher Neuregelungen auf das Rechtsdienstleistungsrecht und das anwaltliche Berufsrecht wolle man hier nichts übers Knie brechen, heißt es aus dem Rechtsausschuss.

Foto: © Deutscher Bundestag/Simone M. Neumann
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Peggy Fiebig LL.M. ist freie Journalistin in Berlin und arbeitet überwiegend für den Hörfunk. Ihr Schwerpunkt ist die Hintergrundberichterstattung zu aktueller Rechtspolitik und Rechtsprechung.

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