Von Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M.
In einer Welt, in der die Digitalisierung allgegenwärtig ist, sieht sich auch die Rechtswissenschaft mit neuen Herausforderungen und Fragestellungen konfrontiert. Für (angehende) Juristinnen und Juristen wird es daher immer wichtiger, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat die Universität zu Köln den LL.M. Recht der Digitalisierung ins Leben gerufen. Im Gespräch mit legal-tech.de erklärt Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M., warum die Universität den Studiengang entwickelt hat, welche Themengebiete der Studiengang abdeckt und was den Studiengang von anderen LL.M.-Programmen abhebt. Er verrät zudem die Berufsaussichten für Absolventen und Absolventinnen sowie die Unterschiede zum traditionellen Jurastudium.
Herr Ogorek, was hat die Universität zu Köln dazu bewogen, den neuen LL.M.-Studiengang „Recht der Digitalisierung“ aufzusetzen?
Als globaler Megatrend stellt die Digitalisierung auch unser Rechtssystem vor zahlreiche neue Fragen und Herausforderungen. Das Themenspektrum ist denkbar weit: Wie können Verbrechen im Cyberspace effektiv geahndet werden? Was erwartet die Arbeitswelt durch die Integration von Robotik, Digitalisierung und Globalisierung? Und welche Grenzen sollte der Staat in Bezug auf Überwachungstechnologien respektieren müssen? Mit diesen und vielen weiteren Fragestellungen werden die Studierenden in ihrem künftigen Berufsleben konfrontiert werden.
Genau hier setzt unser einjähriger – und gebührenfreier – Studiengang an, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfassend auf die Zukunft des Rechts vorbereiten möchte. Er ist nicht zuletzt aus der Arbeit einer studentischen Initiative hervorgegangen, des „Legal Tech Lab Cologne“. Vonseiten der Studierenden wurde uns immer wieder gesagt: Wir möchten in die Lage versetzt werden, Antworten auf die juristischen Fragen der Digitalisierung nicht nur im nationalen Kontext zu entwickeln, sondern auch in internationalen Zusammenhängen. Darüber hinaus konnten wir bei der Konzeption des LL.M.-Programms auf wichtige Vorarbeiten der Kölner Forschungsstelle „Recht und Ethik der digitalen Transformation“ aufbauen. Diese Forschungsstelle beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit dem Einfluss der Digitalisierung auf das Recht.
Welche Themengebiete stehen im Fokus des neuen Masters?
Der Studiengang behandelt wesentliche Aspekte der digitalen Transformation des Rechts. Er richtet sich an Gruppen von maximal 20 Studierenden und bezieht renommierte Praktikerinnen und Praktiker aus Bereichen wie Startups, Verwaltung, Justiz und Gesetzgeber ein, um die Ausbildung möglichst zukunftsweisend zu gestalten. Unser Programm konzentriert sich auf interdisziplinäre Wissensvermittlung und kombiniert juristische Expertise mit den neuesten Entwicklungen der Informationstechnologie. Zu den behandelten Themengebieten gehören etwa die Grundlagen von Algorithmen und Logik, die Funktionsweise des Internets, Datenschutz und Künstliche Intelligenz. Darüber hinaus wird der – oft vernachlässigte – ethische Aspekt der Digitalisierung ein zentraler Baustein des LL.M. Recht der Digitalisierung sein.
Was den eigentlichen Rechtsstoff anbelangt: Hier behandeln wir spezifische Fragen der Digitalisierung in grundlegenden Rechtsbereichen wie dem Datenschutzrecht, Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht, Arbeitsrecht und Medienrecht. Hinzu kommen spannende Fragen des internationalen Rechts (Völkerrecht, Weltraumrecht) sowie des internationalen Privatrechts.
Durch eine Mischung aus obligatorischen Grundlagenmodulen und Wahlfächern, in denen bestimmte Rechtsbereiche vertieft werden, können die Studierenden individuelle Interessenschwerpunkte setzen, beispielsweise in Workshops und Fallstudien zu Anwendungsfeldern von Legal Tech und innovativen Rechtsdurchsetzungsmodellen.
Können Sie einen Überblick über die informationstechnologischen Grundlagen geben, die den Studierenden vermittelt werden?
Der besondere Mehrwert des Studiengangs liegt in der innovativen Verknüpfung von Informationstechnologie, Recht und Ethik – also einer besonders vielfältigen Ausbildung der Studierenden. Die informationstechnologischen Grundlagen, auf denen das Studium basiert, umfassen insbesondere die Prinzipien des algorithmischen und formal-logischen Denkens.
Die Studierenden erhalten eine ausführliche Einführung in wesentliche Informatikkonzepte und lernen die Grundlagen des Coding kennen. Sie erwerben Kenntnisse über die Funktionsweise des Internets, einschließlich des Cloud Computing. Darüber hinaus setzen sie sich intensiv mit Daten auseinander, indem sie lernen, wie diese verarbeitet werden. Umfassend werden dabei Problematiken wie Datenlecks, Datenbedrohungen, Datenschutz, Verfälschung von Fakten und Hasskriminalität in sozialen Netzwerken behandelt.
In einzelnen Kursabschnitten widmen sich die Studierenden beispielsweise den datenschutzrechtlichen Herausforderungen von Social-Media-Plattformen wie Instagram, TikTok und Co. Zusätzlich erhalten sie einen fundierten Überblick über Künstliche Intelligenz und deren Anwendungsmöglichkeiten. Hierbei liegt der Fokus stets auf dem Verständnis der verschiedenen Konzepte und nicht auf der Anwendung komplexer informatischer Methoden. Mit anderen Worten: Ziel des Studiengangs ist es nicht, Informatikerinnen und Informatiker auszubilden, sondern Juristinnen und Juristen zu befähigen, fachlich mit IT-Spezialistinnen und -Spezialisten zu kooperieren. Es geht also darum, die Studierenden auch in Bezug auf IT-Themen sprech- und urteilsfähig zu machen.
Welchen Mehrwehrt bietet der Masterstudiengang den Studierenden im Vergleich zum traditionellen Jurastudium?
An der digitalen Transformation führt auch für Juristinnen und Juristen heute kein Weg mehr vorbei. Im Gegenteil: Die Zukunft der Rechtswissenschaften ist digital. Daher werden heute auch im klassischen Jurastudium die Rechtsprobleme der digitalen Transformation adressiert. Aufgrund seiner Komplexität sowie der vielfältigen Verknüpfungen mit der Informationstechnologie lässt sich das Recht der Digitalisierung aber oftmals nur unzureichend in die herkömmliche, auf klassische Examensthemen fokussierte Lehre einbinden.
Der von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Köln angebotene Masterstudiengang verfolgte das erklärte Ziel, einen Überblick über die Digitalisierung des Rechts zu geben. Gleichzeitig wird er in bestimmten, von den Studierenden gewählten Bereichen eine konsequente Spezialisierung ermöglichen, die die klassische juristische Ausbildung ergänzt und neue Berufschancen eröffnet.
Im Gegensatz zu andernorts angebotenen Programmen beschränkt sich unser Studiengang nicht auf ein spezifisches Themenfeld, sondern behandelt die Fragestellungen der Digitalisierung des Rechts möglichst breit und fachsäulenübergreifend.
Für welche Studierenden ist der LL.M. Recht der Digitalisierung geeignet?
Das LL.M.-Programm richtet sich an Absolventinnen und Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Studiengangs. Angesprochen sind damit Juristinnen und Juristen nach der Ersten Prüfung oder dem Zweiten Staatsexamen sowie jene, die einen rechtswissenschaftlichen Bachelorabschluss mit einer ECTS-Punktzahl von mindestens 240 vorweisen können. Für diese Juristinnen und Juristen stellt unser LL.M.-Programm eine ideale Ergänzung dar.
Wer gerne „am Puls der Zeit“ arbeitet und über den Tellerrand des Rechts hinausblicken möchte, findet bei uns die richtige Herausforderung.
Besonders attraktiv ist unser LL.M. meines Erachtens für solche Studierenden, die gerade auf einen Platz im Rechtsreferendariat warten. Diese Wartezeit kann sinnvoll genutzt werden, um sich intensiv mit den Entwicklungen der Digitalisierung im juristischen Bereich vertraut zu machen. Die strukturierte Gestaltung als zweisemestriger Vollzeitstudiengang erfordert freilich eine sorgfältige Planung und Organisation, insbesondere für bereits berufstätige Interessentinnen und Interessenten. Trotzdem heißen wir natürlich auch Young Professionals und erfahrene Berufsträgerinnen und Berufsträger herzlich willkommen, ihre Kenntnisse über die digitale Transformation des Rechts zu erweitern.
Welche Berufsaussichten und -chancen haben Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs?
Das ist eine wichtige Frage. Der LL.M.-Studiengang in Köln ist kein akademisches Glasperlenspiel, er zielt vielmehr darauf ab, Berufschancen zu verbessern und relevante Kompetenzen zu vermitteln. Für examinierte Juristinnen und Juristen ist der LL.M. eine wichtige Zusatzqualifikation. Der Abschluss dient als Nachweis für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Digitalisierungsrecht über einen längeren Zeitraum – und zwar auf hohem Universitätsniveau. Dies dokumentiert besondere Fachkenntnisse und ermöglicht die Übernahme von Verantwortung auf dem spezialisierten Gebiet der Digitalisierung. Die Möglichkeit, den LL.M. als Zusatz hinter dem Namen im allgemeinen Geschäftsverkehr zu führen, unterstreicht diese Kompetenzen auch nach außen. Für diejenigen, die einen Bachelorstudiengang absolviert haben, kann der Kölner LL.M. zum Recht der Digitalisierung ein Türöffner für Tätigkeiten in den Rechts- und Complianceabteilungen von Unternehmen, Verbänden sowie für unterstützende Positionen in Kanzleien sein.
Die konkreten Berufsperspektiven nach Abschluss des Masterstudiengangs hängen natürlich von den gewählten Wahlpflichtmodulen und Spezialisierungen der Studierenden ab. Allerdings sind sämtliche der erworbenen Fähigkeiten nicht nur bei Legal-Tech-Unternehmen gefragt, sondern auch im Arbeitsalltag von Anwaltskanzleien und im öffentlichen Dienst. Kurzum: Das Konzept des Studiengangs reagiert auf den großen Bedarf nach Fachkräften, die das komplexe Zusammenspiel zwischen Informationstechnologie und Rechtsordnung verstehen und für die hierdurch neu aufgeworfenen Rechtsfragen praxistaugliche Lösungen finden wollen.
Herr Ogorek, vielen Dank für das Interview!
Weitere Informationen zum LL.M. Recht der Digitalisierung finden Sie auch auf der Website der Universität Köln:
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Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley), ist Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln. Dort verantwortet er auch den deutsch-französischen Studiengang (Köln/Sorbonne) sowie das hier vorgestellte neue LL.M.-Programm zum Recht der Digitalisierung. Zuvor war er Präsident der privaten EBS Universität für Wirtschaft und Recht (vormals European Business School) in Wiesbaden/Oestrich-Winkel.