Von Paul Schirmer
So vielfältig wie Legal Tech in seinen Möglichkeiten ist, so vielfältig müssen auch die Lösungen sein, die man individuell in einer Kanzlei umsetzt, so Paul Schirmer. Zusammen mit seinen StudienkollegInnen hat der Jurastudent die Beratungsfirma SFS gegründet und hilft Kanzleien, ihren Weg in die Digitalisierung zu finden. Im Interview erklärt er, worauf es dabei ankommt.
Herr Schirmer, das SFS-Team ist ja im Grunde noch „frisch von der Uni“: Wie betrachten Sie als Mitglied einer jungen Juristengeneration das Thema Legal Tech?
Ich denke, wie bei allen anderen Juristen auch, gibt es in unserer Generation verschiedene Sichtweisen auf die Digitalisierung des Rechts. Von Bedenkenträgern bis hin zu Enthusiasten habe ich bei uns an der Universität alles erlebt. Mein Gefühl ist aber, dass meine Generation der Digitalisierung an sich überwiegend offen gegenübersteht. Ich denke, dass die neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung für uns bereithält, für alle ein Aufruf zu Erneuerung und Veränderung ist und eine Möglichkeit darstellt, uns schon zu Beginn unserer Karriere anders zu entfalten, neue Wege zu beschreiten und Jura völlig neu zu denken. Das ist spannend, kann aber auch immer wieder beängstigend sein.
Wo sehen Sie den stärksten Generationenunterschied in Bezug auf die Einstellung zu Legal Tech?
Natürlich fällt es unserer Generation, den „Digital Natives“, von vornherein leichter, mit der Digitalisierung umzugehen. Wir sind mit der Technik aufgewachsen und mussten uns nicht erst an sie gewöhnen. Speziell im juristischen Bereich darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die juristische Ausbildung und auch die juristischen Prüfungen – bis auf wenige Ausnahmen – immer noch vollständig analog erfolgen.
Daher ist ein angehender Jurist nach seiner Ausbildung, wenn er sich nicht selbst neben der Universität mit Legal Tech beschäftigt hat, nicht viel weiter, als die meisten Vertreter der älteren Generationen. Im Ergebnis gehen wir, denke ich, intuitiver und selbstverständlicher mit dem Thema um. Das heißt aber nicht, dass alle Vertreter unserer Generation dem Thema positiv gegenüberstehen oder besonders versiert in dem Bereich Legal Tech sind.
Warum brauchen Kanzleien eine Legal Tech-Beratungsfirma wie SFS?
Wie bei allen Veränderungsprozessen unserer Zeit bedarf es bei dem Thema Legal Tech zunächst ein gewisses Bewusstsein und ein Verständnis dafür, was auf uns zukommt. Nur wer antizipieren kann, was ihn in seiner konkreten Situation erwarten wird, kann Strategien entwickeln und schlussendlich Maßnahmen ergreifen, um mit den Veränderungen ordentlich umzugehen. Unsere Erfahrung ist, dass bei vielen Kanzleien, gerade bei (aktuell) sehr erfolgreichen, ein konkretes Verständnis für die Möglichkeiten, aber auch für die Grenzen der heutigen und zukünftigen Technologien fehlt. Um dieses Verständnis zu schulen und die kommenden Veränderungen aufzuzeigen, braucht es oftmals Expertise von außen, die sich nicht mit dem Tagesgeschäft der Kanzlei beschäftigen muss und sich somit ganz der Analyse der aktuellen und kommenden Veränderungen widmen kann. Bei der Strategiefindung und -entwicklung unterstützen wir unsere Kunden mit einem interdisziplinären Team.
Es gibt natürlich auch einige Kanzleien, die schon für sich geeignete Maßnahmen definiert haben. Diese benötigen bei der Umsetzung von Veränderungsprozessen und deren Implementierung oft technisches und wirtschaftliches Knowhow, das nur die großen Kanzleien in eigenen Teams vorhalten können. Eine Legal Tech-Beratung wie SFS kann dieses Know-how und die für die technische Umsetzung erforderlichen Kompetenzen mitbringen.
Warum sehen Sie Legal Tech als etwas Ganzheitliches, das die gesamte Kanzlei umfasst?
Aus meiner Sicht reicht es nicht, nur einzelne Tools zu lizensieren und einzusetzen. Jeder muss sich überlegen, wie er sich und sein Geschäft verändern muss. Viele Dinge müssen anders werden: Interne Prozesse, das Mindset der Personen, die Kommunikation nach außen. Legal Tech beeinflusst viele Bereiche der Rechtsdienstleistung. So vielfältig die daraus resultierenden Herausforderungen sind, so vielfältig müssen auch die Lösungen und Veränderungen sein. Daher ist es ausgesprochen wichtig, dass ganzheitliche Konzepte entwickelt werden, die alle diese Themen adressieren. Dafür braucht es einen interdisziplinären Ansatz. Juristen, Informatiker, Designer und Betriebswirte müssen zusammenarbeiten, um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen.
Wie gehen Kanzleien mit dem Thema Digitalisierung um?
Unsere Erfahrung ist hier äußerst gemischt. Viele begreifen das Thema immer noch vorwiegend als Marketinggag. Andere sehen aber ganz neue Wege und erschließen sich mit der Digitalisierung neue und spannende Geschäftsmodelle. Natürlich befinden wir uns aktuell in einem großen Hype und viele, durch aggressives Marketing aufgebauschte Erwartungen an die aktuellen Softwarelösungen werden wohl enttäuscht werden. Meine Hoffnung ist aber, dass dennoch nicht zu schnell resigniert wird und man nicht in den Modus: „Ich habe es ja gesagt, dass das mit der Digitalisierung nichts ist“ verfällt. Insgesamt beobachten wir aber, dass sich die Haltung durchweg positiv entwickelt. Immer mehr Kanzleien beschäftigen sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf ihr Geschäft. Eine aus unserer Sicht wichtige Entwicklung!
Herr Schirmer, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Ich bedanke mich ebenfalls!
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Paul Schirmer ist Mitgründer und Business Developer des Legal Tech-Beratungsunternehmens SFS Digital- & Innovationsberatung in München. Sein Jurastudium wird er voraussichtlich im Frühjahr 2019 abschließen. Neben seinem Interesse an juristischen Fragestellungen gehört unternehmerisches Denken ebenso zu seinen Stärken. Dabei fokussiert er sich insbesondere auf Marketingstrategien und Marktanalysen.
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