Von Markus Hartung und Lukas Bornschlegl
In einer Welt, die sich zunehmend digitalisiert, ist es nur natürlich, dass auch Arbeitsverträge als Kernstück des Arbeitsrechts davon berührt werden. Die Möglichkeit, Arbeitsverträge elektronisch zu erstellen, zu unterzeichnen und zu verwalten – etwa auch durch digitale Tools – bietet zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Arbeitnehmer:innen. Aus diesem Grund haben die Ampelfraktionen am 21.03.2024 mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV zahlreiche Änderungen verkündet, mit denen die Digitalisierung im Arbeitsrecht erheblich vorangebracht werden soll. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Punkt der Neuregelungen zusammengefasst.
Was wird sich im Nachweisgesetz ändern?
Mit dem Nachweisgesetz hatte der Gesetzgeber Vorgaben des Europarechts (RL 2019/1152/EU) in nationales Recht umgesetzt (dass er dabei über das Ziel hinausgeschossen war, lassen wir hier einmal links liegen). Sinn und Zweck des Gesetzes sollte die Schaffung von mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Arbeitsrecht sein, indem wesentliche Vertragspunkte durch die Arbeitgeber:innen in Schriftform fixiert, ausgedruckt und Arbeitnehmer:innen ausgehändigt werden mussten. Das stieß auf erhebliche Kritik, denn es bedeutete in einer sich zunehmend digitalisierenden Welt eine Rückkehr zu Papier und Stift, um – so der Gesetzgeber – insbesonders „vulnerable Gruppen“ unter Arbeitnehmer:innen zu schützen.
Zukünftig soll die Schriftform im Nachweisgesetz deutlich entschärft werden. Es wird sodann die Textform genügen, Dokumente müssen nicht mehr eigenhändig unterschrieben werden. Anfangs war noch geplant, die Schriftform durch die elektronische qualifizierte Signatur (eqS) zu ersetzen. Aus praktischen Gründen hat man sich nun aber dagegen entschieden. Dies ist zu begrüßen.
Um den Erfordernissen des neuen Nachweisgesetzes nachzukommen, reicht somit zukünftig das Versenden eines PDFs per E-Mail aus. Wichtig ist aber, dass der Nachweis für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen zugänglich, speicherbar und ausdruckbar sein muss. Ferner benötigen Arbeitgeber:innen Übermittlungs- und Empfangsnachweise. Außerdem sehen die Neuregelungen vor, dass den Arbeitnehmer:innen auf Verlangen ein schriftlicher Nachweis bereitgestellt werden muss. Ausgenommen von den Neuregelungen bleiben bestimmte Wirtschaftsbereiche wie das Baugewerbe, die Gebäudereinigung und die Fleischindustrie (vgl. § 2a SchwarzArbG).
Was waren die Beweggründe für die Neuregelung des Nachweisgesetzes und die Abkehr von der bisherigen Schriftform?
Das Schriftformerfordernis wurde in der Praxis häufig als hinderlich angesehen. Dies galt insbesondere für ausländische Unternehmen sowie Digitalfirmen. Die vollständige Digitalisierung von Arbeitsverträgen bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich. Einer der offensichtlichsten ist die Zeitersparnis. Durch den Einsatz digitaler Tools können Arbeitsverträge schneller erstellt, überprüft und unterzeichnet werden. Dies beschleunigt insbesondere den Einstellungsprozess und ermöglicht es Unternehmen, schneller auf Arbeitskräftebedarf zu reagieren. Denn Arbeitsverträge müssen nicht mehr aufwendig per Post hin und her geschickt werden. Der bürokratische Aufwand sinkt enorm, und vermutlich gilt das auch für den CO2-Fußabdruck, der sich durch die ursprüngliche Version des Nachweisgesetzes schon sehr vergrößert hatte.
Plant die Ampel auch eine Änderung des Schriftformerfordernisses in § 623 BGB?
Immerhin hat das hier zuständige Bundesarbeitsministerium bei der Reform des Nachweisgesetzes auf die Praxis gehört, was allerdings nicht die Regel ist. Grundsätzlich wird dort eine harte Linie verfolgt, Beispiel § 623 BGB: Da heißt es immer noch, dass die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Das gilt auch, wenn die Beteiligten des Arbeitsverhältnisses anwaltlich vertreten sind: Ohne handschriftliche Unterschrift auf ausgedrucktem Papier geht da gar nichts. Wenn die Parteien aber im Prozess sind, dürfen sie einen Vergleich protokollieren lassen, was wiederum in elektronischer Form geht.
Die Gründe dafür liegen in der Vergangenheit, heute kann man das nicht mehr erklären. Es hätte auch gepasst, bei der Änderung des Nachweisgesetzes eine Erleichterung vorzunehmen, jedenfalls dann, wenn die Parteien anwaltlich (oder gewerkschaftlich) vertreten sind – warum braucht man dann noch „wet ink“?
Was bedeutet das Bürokratieentlastungsgesetz IV für Teilzeitbefristungsverträge?
Teilzeitbefristungen sind in vielen Unternehmen eine gängige Praxis, um möglichst flexibel auf saisonale Schwankungen oder projektbezogene Anforderungen zu reagieren. Auch hier wünschen sich Unternehmen Entlastungen durch mehr Digitalisierungsmöglichkeiten. Zum momentanen Stand ist allerdings keine Änderung des Schriftformerfordernisses des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, im Konkreten des § 14 TzBfG, geplant.
Dass an der Schriftform im TzBfG nichts geändert werden soll, ist allerdings ziemlich misslich. Da das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.10.2017 zum Az. 7 AZR 632/15 entschieden hat, dass die Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Eintritt des Rentenalters endet, eine Befristung darstellt und somit auch der Schriftform des § 14 TzBfG unterfällt, wird es in der Praxis auch trotz der geplanten Änderungen bei vielen Arbeitsverträgen notwendig sein, diese auszudrucken und eigenhändig zu unterschreiben. Denn diese Klausel gehört beinahe zu den Standardklauseln in Arbeitsverträgen. In der Praxis schafft man so Rechtsunsicherheit, obwohl man mit der Beibehaltung der Schriftform im Teilzeit- und Befristungsgesetz genau das Gegenteil erreichen möchte.
Welche weiteren Änderungen plant die Ampel mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV?
Neben den oben genannten Änderungen enthält das Bürokratieentlastungsgesetz auch eine Verkürzung der Aufbewahrungsfrist von Lohn- und Gehaltslisten von zehn auf acht Jahren. Daneben genügt auch für Arbeitnehmerüberlassungsverträge zukünftig die Textform (Änderung von § 12 AÜG).
Ferner werden mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV weitere bürokratieabbauende Maßnahme auf den Weg gebracht wie etwa die Abschaffung der Hotelmeldepflicht oder das Einführen von öffentlichen Online-Versteigerungen.
Welche Herausforderungen und Bedenken gibt es gegen die Neuregelungen?
Trotz der zahlreichen Vorteile birgt die Digitalisierung von Arbeitsverträgen auch einige Herausforderungen und Bedenken. Eine der größten Herausforderungen ist die Sicherheit und der Datenschutz. Da Arbeitsverträge sensible persönliche und finanzielle Informationen enthalten, muss sichergestellt werden, dass diese Daten sicher gespeichert und übertragen werden.
Zu den Gegnern der Neuregelungen gehörte früher auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Dieser hatte sich lange dagegen gesperrt, Arbeitsverträge zu digitalisieren. Seiner Meinung nach würden nur durch unterschriebene Dokumente in Papierform Transparenz und Sicherheit für die Arbeitnehmer:innen erreicht werden können. Das ist zwar eine fest im vergangenen Jahrhundert wurzelnde Auffassung und ignoriert vollständig die Art und Weise, wie Menschen heute miteinander kommunizieren, aber was soll man machen: Der Mann ist eben Minister.
Eine weitere Herausforderung besteht in der Gewährleistung der Barrierefreiheit für alle Beschäftigten, unabhängig von ihrem Zugang zu digitalen Technologien oder ihrer technischen Kompetenz. So muss sichergestellt werden, dass alle Arbeitnehmer:innen die notwendige Unterstützung und Schulung erhalten, um die digitalen Tools effektiv nutzen zu können, damit sie auch weiterhin Zugang zu den digitalen Arbeitsverträgen erhalten.
Fazit und Ausblick
Die vollständige Digitalisierung von Arbeitsverträgen bietet für Unternehmen und Arbeitnehmer:innen zahlreiche Möglichkeiten, ihre Arbeitsbeziehung effizienter und transparenter zu gestalten. Unternehmen müssen in Zukunft keinen schriftlichen Nachweis über die wesentlichen Vertragspunkte an die Arbeitnehmer:innen mehr herausgeben.
Dennoch wäre wünschenswert, wenn die Gesetzgebung sich doch noch dazu entschließen würde, die Schriftform im Teilzeit- und Befristungsgesetz zu entschärfen, da ansonsten der praktische Nutzen eher gering ausfallen dürfte.