OLG Köln

smartlaw-Urteil: OLG Köln erklärt Vertragsgenerator für zulässig

Von Bettina Taylor

Das OLG Köln hat im Rechtsstreit um den Vertragsgenerator smartlaw der Berufung des Betreibers Wolters Kluwer Deutschland GmbH (WKD) stattgegeben und damit das Urteil des LG Köln, das den Vertragsgenerator in einem Urteil vom 08.10.2019 für unzulässig erklärt hatte, abgeändert. Der 6. Zivilsenat des OLG stellte hier keinen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz fest. Nun will die RAK Hamburg Revision einlegen.

Dies gab das OLG Köln in einer heutigen Pressemitteilung bekannt. Geklagt hatte die Hanseatische Rechtsanwaltskammer Hamburg (RAK Hamburg), die den Vertragsgenerator nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) für unzulässig erklärt hatte (Aktenzeichen 33 O 35/19).

smartlaw ist ein Vertragsgenerator, mit dem Verbraucherinnen und Verbraucher in unterschiedlichen Rechtsgebieten Rechtsdokumente, insbesondere Verträge, automatisch erstellen können, nachdem sie durch einen Frage-Antwort-Katalog geführt worden sind. Nach dem Urteil des LG Köln hatte der juristische Verlag Wolters Kluwer Deutschland (WKD) als Betreiber in einem Statement von Christian Lindemann – Geschäftsführer und Leiter des Geschäftsbereichs Legal bei Wolters Kluwer Deutschland – betont, dass ein solcher Vertragsgenerator anwaltliche Dienstleistungen nicht ersetzen solle, sondern vielmehr eine Ergänzung sei.

Werbung darf keine Vergleiche mit anwaltlicher Rechtsberatung machen

In Bezug auf die Werbung für smartlaw hatte die RAK Hamburg bei ihrer Klage gegen WKD jedoch Recht bekommen, wie es in der Pressemitteilung des OLG Köln heißt: Der juristische Verlag hatte das Produkt u. a. mit der Aussage beworben, es erzeuge „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“. In erster Instanz war WKD verboten worden, das Produkt mit derartigen Aussagen zu bewerben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte der Verlag nach einem Hinweis des Senats zurückgenommen, so dass dieses Verbot bereits rechtskräftig geworden ist.

smartlaw ist kein Verstoß gegen das RDG

Die RAK Hamburg ist mit dem heutigen Urteil des OLG Köln jedoch darin gescheitert, den Vorwurf, WKD verstoße mit dem Vertrieb von smartlaw gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz, gerichtlich zu bestätigen. Sie war der Auffassung, dass das Programm der Rechtsanwaltschaft vorbehaltene Rechtsdienstleistungen erbringe (§§ 2, 3 RDG). WKD hatte argumentiert, dass der Vertragsgenerator ähnlich wie die seit vielen Jahren etablierten Programme zur Erstellung der Steuererklärung wirke. Zielgruppe seien Personen, die ihre Verträge ohne anwaltliche Hilfe selbst erstellen würden und bisher auf gedruckte Formulare und Muster zurückgegriffen hätten.

OLG Köln stellt Bezug zu BGH-Urteil zu „wenigermiete.de“ in seiner Begründung her

Der 6. Zivilsenat des Oberlandegerichts Köln hat die Klage abgewiesen und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln abgeändert. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 RDG ein Verbot ableiten lasse. Auch der Bundesgerichtshof habe sich in seiner „wenigermiete.de“-Entscheidung vor dem Hintergrund der Deregulierung und Liberalisierung des Rechtsdienstleistungsmarktes für eine großzügige Betrachtung ausgesprochen. Der vom Rechtsdienstleistungsgesetz bezweckte Schutz vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen erfordere das Verbot des Programms nicht. Vertragsgestaltung möge im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein. Ein Dokumentengenerator erweitere aber lediglich das bestehende Hilfsangebot von Vorstücken oder Formularhandbüchern zur Erledigung der eigenen Rechtsangelegenheiten in eigener Verantwortung um eine naheliegende digitale Möglichkeit. Ein Schutz vor unqualifizierter Rechtsberatung müsse nur dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfinde. Für die Nutzer sei aber ohne weiteres erkennbar, dass der Dokumentengenerator nach einem Frage-Antwort-Schema vorgegebene Wortbausteine miteinander kombiniere und dass das Ergebnis von der Qualität der Bausteine und der im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie andererseits von der Richtigkeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit der eigenen Auswahlentscheidungen abhängt.

Notwendigkeit der rechtlichen Prüfung des Einzelfalles liege nicht vor

Zu den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG hat der Senat u. a. ausgeführt: Nach der Vorschrift sei nur eine „Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert“ verboten. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Das Programm selbst entfalte keine „Tätigkeit“ im Sinne der Vorschrift. Eine „Tätigkeit“ erfordere nämlich eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität. Ein rein schematisch ablaufender Subsumtionsvorgang, der vorgegebene Ja-/Nein-Entscheidungsstrukturen abarbeite, erfülle diese Voraussetzung dagegen nicht. Ob dies beim Einsatz echter künstlicher Intelligenz anders zu bewerten sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. Das Programmieren der abstrakten rechtlichen Entscheidungsbäume sei zwar eine Tätigkeit, aber diese betreffe keine „konkreten“ fremden Angelegenheiten. Außerdem beträfen die in das Programm eingeflossenen juristischen Wertungen keine „rechtliche Prüfung des Einzelfalles“, sondern eine Vielzahl denkbarer Fälle.

Festes Frage-/Antwortschema keine juristische Subsumtion

Das Programm laufe erkennbar nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwortschema ab, mit dem ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde. Streng logisch ablaufende und zu immer den gleichen eindeutigen Ergebnissen führende Verfahren seien daher auch nicht als objektive Rechtsprüfung im Rahmen einer juristischen Subsumtion zu bewerten. Die Kunden, die das Programm benutzten, handelten schließlich nicht in „fremder“ Angelegenheit, sondern in eigener Sache. Jedem, der das Programm tatsächlich benutze, sei klar, dass er bei der Auswahl der Optionen keinen Rechtsrat erhalte, sondern in eigener Verantwortung einen Lebenssachverhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge, während im Hintergrund ein rein schematischer Ja-Nein-Code ausgeführt werde.

RAK Hamburg will Revision einlegen

Die RAK Hamburg werde Revision einlegen, weil das Urteil des OLG Köln nicht überzeugend sei, wie es in der Pressemitteilung zur Urteilsverkündung heißt. Dr. Christian Lemke, Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, erklärte in einer Stellungnahme weiter, dass es zur Aufgabe einer Rechtsanwaltskammer gehöre, im Interesse ihrer Mitglieder und der Rechtssuchenden Angebote nicht-anwaltlicher Dienstleister auf ihre Zulässigkeit zu prüfen, insbesondere im Bereich Legal Tech. Lemke betonte weiterhin, dass man immerhin in Bezug auf die irreführende Werbung von smartlaw vom LG Köln Recht bekommen habe:

\"Das OLG hat zwar das auf die Verletzung des Rechtsdienstleistungsgesetzes gestützte Verbot aufgehoben, weil es in diesem Fall meint, dass der Kunde seine eigenen Rechtsangelegenheiten besorge und der Smart Law-Generator wie ein abstraktes, digitalisiertes Vertragsmuster-Handbuch anzusehen sei. Aber hinsichtlich der konkreten Bewerbung des Smart Law-Angebots mit Aussagen wie \"Besser und billiger als beim Anwalt\", \"Rechtsdokumente in Anwaltsqualität\" und \"Individueller und sicherer als jede Vorlage und günstiger als ein Anwalt\" hat auch das OLG das Angebot für unzulässig gehalten. Im Übrigen hat das OLG wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zugelassen. Diese werden wir einlegen, weil uns die Wertung des OLG nicht überzeugt.“

Im Statement von WKD zum heutigen Urteil kommentierte Kristina Schleß, Head of Legal & Compliance bei Wolters Kluwer Deutschland:

„Das OLG Köln hat mit seinem Urteil bestätigt, dass Computerprogramme die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 RDG nicht erfüllen. Nutzer eines Vertragsgenerators wie smartlaw machen Angaben in eigener Sache, auch eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls findet nicht statt. Der gesetzliche Tatbestand erfordert eine Tätigkeit im Sinne einer menschlichen Aktivität – softwaregestützte schematische Subsumptionsvorgänge sind keine Rechtsdienstleistung.“

Christian Lindemann, Geschäftsführer und Leiter des Geschäftsbereichs Recht bei Wolters Kluwer Deutschland gab folgende Erklärung in der offiziellen Pressemitteilung ab:

„Unser Angebot smartlaw richtet sich nach Themenauswahl und Preisgestaltung an eine Zielgruppe, die typischerweise aus Kosten- oder Zeitgründen keine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen nach RDG tätigen Rechtsdienstleister in Anspruch nehmen würde, sondern ihre Verträge selbst erstellen möchte. Keinesfalls kann und soll smartlaw die individuelle Rechtsberatung durch einen Anwalt ersetzen.“

In jedem Falle wird das Urteil sowohl bei der Anwaltschaft als auch der Legal Tech-Branche für eine Menge Diskussionsstoff sorgen.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 19.06.2020

 

Unsere vergangene Berichterstattung zum smartlaw-Rechtsstreit:

19.10.2019: Richtungsweisendes Urteil? Vertragsgenerator vom LG Köln für unzulässig erklärt

Richtungsweisendes Urteil? Vertragsgenerator vom LG Köln für unzulässig erklärt

31.10.2019: Legal Tech kriegt einen (und eins auf den) Deckel – von Tom Brägelmann:

Der rechtswidrige digitale Rechtsdokumentengenerator:Legal Tech kriegt einen (und eins auf den) Deckel

04.11.2019: smartlaw-Urteil: Standardisierte Fallbearbeitung kann die individuelle Rechtsberatung sinnvoll ergänzen von Christian Lindemann:

smartlaw-Urteil: Standardisierte Fallbearbeitung kann die individuelle Rechtsberatung sinnvoll ergänzen

Bildquelle: Adobe Stock/pixs:sell
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Bettina Taylor arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Als studierte Online-Journalistin gehören SEO, webgerechtes Texten und Content-Marketing zu ihren Spezialgebieten. ffi-verlag.de

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