Remote Work Kanzlei

Remote Work, Workation & Co: Das müssen Kanzleien beachten

Von Romy Graske

Ein studentischer Mitarbeiter, der in seinen Semesterferien von Portugal aus arbeiten möchte? Eine angestellte Anwältin, die es nach mehreren Berufsjahren ins Ausland zieht, die Ihre Kanzlei in Deutschland aber eigentlich gar nicht verlassen möchte? Oder ein ausländischer IT-Softwareentwickler oder Marketingexperte, mit dem Sie gerne dauerhaft zusammenarbeiten möchten, der aber nicht in Deutschland lebt?

Das sind keine Gründe (mehr), die Zusammenarbeit zu beenden! In diesem Beitrag möchte ich Ihnen daher einen Überblick geben, worauf Sie aus rechtlicher Sicht achten müssen, wenn Sie Kanzleimitarbeiter und -mitarbeiterinnen im Ausland beschäftigen möchten.

Startups locken bereits Mitarbeiter mit „Workation“-Angeboten und zeitlich befristeten „Remote Work Abroad“-Policies, während deren Human Resources-, Rechts- und Steuerabteilungen vor der Herausforderung stehen, dies möglichst pragmatisch, aber rechtssicher umzusetzen.

Die Gründe, warum Menschen remote aus dem Ausland arbeiten möchten, sind mannigfaltig und über die Vorzüge für alle Beteiligten ließe sich ein ganzes Buch füllen. Gerade in Digitalunternehmen arbeiten ganze Abteilungen teilweise mit Mitarbeitenden weltweit zusammen. Treffpunkt? Digital im Videomeeting.

Aber springen wir einmal vor und nehmen an, auch in Rechtsanwaltskanzleien hat sich die Vorstellung durchgesetzt, nicht wer am längsten im Büro sitzt leistet gute Arbeit, sondern derjenige, der einen (idealerweise skalierbaren) Mehrwert in der Kanzlei schafft. Dann spielt es keine Rolle mehr, wer von wo aus arbeitet. Dass gerade der Anwaltsberuf für das Homeoffice bzw. Remote Work prädestiniert ist, dürfte die Corona-Pandemie eindrucksvoll bewiesen haben.

Rechtliche Voraussetzungen für Remote Work

Die spannende Frage ist vielmehr, wie lässt sich das Thema Remote Work aus Sicht des Arbeitgebers möglichst pragmatisch umsetzen? Im Detail ist diese Umsetzung gerade für kleine und mittelständische Kanzleien nämlich eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, weil die Rechtsvorschriften alles andere als einfach und die internen Ressourcen für die Umsetzung solcher Arbeitsmodelle begrenzt sind.

Grundsätzlich sind in den Fällen des Homeoffice Abroad oder auch sog. Workation die folgenden Rechtsgebiete betroffen:

  • (Lohn-)Steuerrecht
  • Sozialversicherungsrecht
  • Arbeitsrecht
  • Aufenthaltsrecht

Zunächst muss die Frage geklärt werden: Kann ich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses beschäftigen oder über eine freie Mitarbeit (als Freelancer) beauftragen? Hieraus ergeben sich dann unterschiedliche Rechtspflichten.

Steuerrecht

Als Arbeitgeber führen Sie normalerweise die Lohnsteuer direkt vom Bruttolohn Ihres Mitarbeiters an das Finanzamt ab. Gibt Ihr Mitarbeiter seinen Wohnsitz in Deutschland vollständig auf oder zieht nur für eine gewisse Zeit ins Ausland, stellt sich die Frage, ob Deutschland dann noch ein Recht zur Besteuerung des Arbeitseinkommens hat. Hierdurch kann sich die Steuerpflicht des Mitarbeiters von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht ändern, weil in Deutschland kein Wohnsitz und kein gewöhnlicher Aufenthalt mehr besteht. Zwar können Sie als Arbeitgeber auch bei einem beschränkt steuerpflichtigen Mitarbeiter noch zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein, gem. § 38 Abs. 1 EStG. Ob Ihr Mitarbeiter mit seinen Einkünften aus Ihrer Kanzlei aber überhaupt noch in Deutschland steuerpflichtig ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab, beispielsweise, ob die Arbeit in Deutschland verwertet worden ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG) oder ob der Mitarbeiter gelegentlich noch in Deutschland vor Ort arbeitet.

Beauftragen Sie direkt eine Fachkraft im Ausland als Freelancer, kann sich auch daraus eine beschränkte Steuerpflicht des Freelancers in Deutschland ergeben (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und sogar eine Pflicht zum Steuerabzug für Sie als Auftraggeber (§ 50a Abs. 1, S. 1 Nr. 3 EStG), je nachdem, für welche konkrete Leistung die Vergütung gezahlt wird.

Für Arbeitgeber/Auftraggeber ist deshalb die entscheidende Frage, ob ein (Lohn-)Steuerabzug vorgenommen werden muss, bevor die Vergütung ausgezahlt wird. Eine Befreiung von der Steuerabzugsverpflichtung ist über die Einholung einer Freistellungsbescheinigung beim Finanzamt möglich. Hierfür kommt es u.a. darauf an, was konkret im Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem Staat, in dem der Mitarbeiter tatsächlich arbeitet, geregelt ist. Die Freistellungsbescheinigung ist daher außerordentlich wichtig, um sich steuerlich enthaften zu können.

Sozialversicherungsrecht

Für die Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts kommt es grundsätzlich erst einmal darauf an,

  • ob der Arbeitnehmer oder Freelancer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat gemäß § 30 SGB I und
  • ob die Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wird, § 3 SGB IV.

Wird der Mitarbeiter im europäischen Ausland leben und arbeiten, findet grundsätzlich erst einmal das Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaates Anwendung, in welchem der Mitarbeiter tatsächlichvor Ort – arbeitet (Art. 11 (1), (3), a) Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004). Übt der Beschäftigte die Tätigkeit sowohl in Deutschland als auch in einem EU-Mitgliedstaat aus, kommt es darauf an, wo der wesentliche Teil der Tätigkeit ausgeübt wird (Art. 13 (1), a) VO Nr. 883/2004 a.a.O.). Es gibt auch die Möglichkeit, eine Ausnahmevereinbarung mit den zuständigen Behörden der betroffenen Länder (in Deutschland: DVKA) zu schließen, um das Sozialversicherungsrecht für den Mitarbeiter zur Anwendung kommen zu lassen, welches für ihn am sinnvollsten ist (Art. 16 (1) VO Nr. 883/2004 a.a.O.).

Da die Ausnahmeregelungen dieser EU-Verordnung auf die tatsächlichen Gegebenheiten des einzelnen Mitarbeiters abstellen, ist dies nur über eine klare Homeoffice Abroad Policy innerhalb der Kanzlei zu bewältigen oder über eine im Vorfeld klar definierte Vereinbarung mit dem Mitarbeiter.

Freelancer stehen hingegen selbst in der Verantwortung zu klären, wie sie sich sozialversicherungsrechtlich absichern. Innerhalb der EU gibt es aber auch für Selbstständige die Möglichkeit, für 24 Monate im europäischen Ausland tätig zu sein, unter Beibehaltung des bisher für sie geltenden Sozialversicherungsrechts (Art. 12 (2) VO Nr. 883/2004 a.a.O.).

Spannend ist dabei auch die Frage, ob und inwieweit das theoretische Problem der Scheinselbstständigkeit im Ausland in den kommenden Jahren praktisch relevant wird. Zu dieser Frage habe ich bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie einen Blogbeitrag geschrieben.

Ist der Mitarbeiter in einem Drittstaat tätig, findet grundsätzlich das Sozialversicherungsrecht dieses Staates Anwendung, es sei denn, aus dem mit diesem Land bestehenden Sozialversicherungsabkommen ergibt sich etwas anderes (beispielweise über eine zu beantragende Ausnahmevereinbarung bei den zuständigen Behörden der betroffenen Vertragsstaaten).

Arbeitsrecht

Der juristisch eher noch einfache Part ist das Arbeitsrecht. Nach EU-Recht (Art. 8 Rom I-VO) können Sie das anwendbare Recht wählen, solange Arbeitnehmerschutzrechte dabei nicht umgangen werden. Gerade wenn geplant ist, dass der Mitarbeiter dauerhaft vom Ausland aus arbeitet (und nicht nur für eine vorübergehende Zeit) ist es wichtig, sich im Vorfeld zu überlegen, welches anwendbare Recht für beide Seiten Sinn ergibt, vor allem im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung.

Aufenthaltsrecht

Aufenthaltsrechtliche Fragestellungen werden in der hier geschilderten Konstellation nur dann relevant, wenn Sie eine Fachkraft aus Deutschland in einen Drittstaat senden möchten, insbesondere im Hinblick auf die Arbeitserlaubnis. Im umgekehrten Fall besteht der Vorteil des Homeoffice Abroad für Sie als Arbeitgeber gerade darin, dass Sie eben nicht mehr darauf angewiesen sind, Fachkräfte aus dem Ausland über ein langes Visaverfahren nach Deutschland holen zu müssen.

Ausblick: Es braucht Mut und Pragmatismus!

Was früher nur Großkonzernen und Großkanzleien vorbehalten war, macht die digitale Arbeitswelt nun für jeden zugänglich, vom Einzelanwalt bis zur mittelständischen Kanzlei: Fachkräfte direkt im Ausland beschäftigen, aber eben auch deutschen Mitarbeitenden das Leben im Ausland zu ermöglichen.

Hierfür müssen in der Praxis nun rechtssichere, aber eben auch – und das ist die größte Herausforderung – pragmatische Lösungen gefunden werden, weil eine KMU-Kanzlei ganz andere Bedürfnisse und Ressourcen hat als ein Großkonzern. Aber auch, weil in Detailfragen die Rechtslage unklar ist. Hierfür braucht es Mut. Aber das „Outcome“ ist vielversprechend:

  • Ein wesentlich größerer Bewerberpool
  • Ein spannendes Team aus Menschen, die sich bewusst für Ihre Kanzlei entschieden haben und nicht nur, weil Ihre Kanzlei möglichst nah am Wohnort gelegen ist
  • Eine Internationalisierung innerhalb der Kanzlei, die bisher nur Großkonzernen und Großkanzleien vorbehalten war

Deshalb werbe ich dafür, dieses Arbeitsmodell nicht an komplexen Rechtsfragen oder dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand scheitern zu lassen.

Mit der Drehung des Kopfes löst sich nicht das Problem, sondern es ergeben sich Blickwinkel, aus denen sich die Lösung ergibt.

(Alte Eulenweisheit)

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Foto: Adobe Stock/©Fatima
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Romy Graske ist als Syndikusrechtsanwältin für ein Software-as-a-Service-Unternehmen tätig. Zudem berät sie als selbstständige Rechtsanwältin Expats, Freiberufler, Künstler aber auch Digitalunternehmen zum grenzüberschreitenden mobilen Arbeiten. In ihren Blogs berichtet sie über aktuelle Themen u. a. zu Rechtsfragen beim grenzüberschreitenden mobilen Arbeiten unter https://romygraske.de

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