In der dynamischen Welt der juristischen Praxis hat sich Künstliche Intelligenz (KI) als ein unverzichtbares Werkzeug erwiesen, das sowohl Effizienz als auch Genauigkeit erheblich steigern kann. Die aktuelle Future Ready Lawyer Studie von Wolters Kluwer zeigt, dass bereits 76 Prozent der Jurist:innen in Rechtsabteilungen und 68 Prozent in Kanzleien GenAI mindestens einmal pro Woche nutzen. Neben der Frage der Nutzung entsteht eine weitere entscheidende Überlegung, mit der sich Jurist:innen auseinandersetzen müssen. Welcher Algorithmus soll eingesetzt werden und sollte es sich dabei um ein Open-Source- oder ein geschlossenes KI-System handeln? Dieser Artikel bietet Jurist:innen einen ersten Überblick über die Unterschiede und soll dabei helfen, Entscheidungen zu treffen, wann welche Art von KI sinnvoll eingesetzt werden kann.
Was ist Open Source KI?
Open Source KI umfasst KI-Modelle und -Tools, die öffentlich zugänglich sind und von der Gemeinschaft weiterentwickelt werden. Sie sind frei modifizierbar und bieten eine immense Flexibilität, um spezifische Anforderungen zu erfüllen. Beispiele hierfür sind Llama 3.3, DeepSeek R1, Bloom oder auch Phi4.
Für Jurist:innen kann der Vorteil bei solchen Algorithmen insbesondere darin liegen, dass manche davon auch lokal oder in der eigenen Cloud-Lösung lauffähig sind, was sich bei anderen Modellen schwieriger gestaltet. Auch das Finetuning, also das Anpassen eines Algorithmus für seine eigenen Aufgaben, ist mit diesen – oftmals deutlich kleineren – Algorithmen einfacher. Allerdings sollte man beachten, dass nicht jedes Modell für jede Aufgabe geeignet ist; es gibt beispielsweise Modelle, die speziell für mathematische Aufgaben trainiert wurden und daher unpassend für Textaufgaben sind. Auch werden manche großen Sprachmodelle über „Instruct-Training“ auf die Nutzereingabe perfektioniert, was nicht bei allen Open Source Modellen auch der Fall ist.
Was sind geschlossene KI-Systeme?
Geschlossene KI-Systeme hingegen sind proprietäre Technologien, die von Unternehmen wie OpenAI, Anthropic oder Google entwickelt wurden. Diese Systeme bieten fortschrittliche Funktionen, haben oftmals umfangreiche Oberflächen mit weiteren Funktionen wie „Prompt-Libraries“ und sind oft mit umfassendem Support ausgestattet. Diese Kombination kann sie besonders für kleinere Teams attraktiv machen, da weniger eigenes Fachwissen für die Nutzung erforderlich ist. Meistens sind sie jedoch nicht zur Modifikation offen, bzw. bieten nur eingeschränkte Möglichkeiten an, was die Anpassungsfähigkeit einschränkt.
Wichtige Überlegungen für Jurist:innen
Wenn es darum geht, welches KI-System genutzt werden soll, müssen sich Jurist:innen erst einmal grundlegende Gedanken, bspw. zu Anforderungen und Ressourcen, machen.
Kostenüberlegungen
Open-Source-KI überzeugt durch geringe Anfangsinvestitionen, während geschlossene Systeme oft mit Lizenz- und Abonnementgebühren verbunden sind. Dennoch können letztere durch Effizienzgewinne langfristig kostensparend sein.
Anpassungsmöglichkeiten
Open-Source-Tools bieten die Möglichkeit, Algorithmen an spezifische juristische Arbeitsabläufe anzupassen, was besonders für spezialisierte Aufgaben wichtig ist. Geschlossene Systeme bieten diese Flexibilität teilweise weniger bzw. nicht, punkten jedoch mit sofort einsatzbereiten Lösungen. Ein Beispiel hierfür sind GPT’s bei OpenAI, die es auch ermöglichen, das Sprachmodell für bestimmte Aufgaben zu spezialisieren. Jedoch entspricht dies eher einem Prompt-Engineering als einem Finetuning, welches deutlich tiefer im Sprachmodell ansetzt.
Sicherheitsüberlegungen
Im Umgang mit sensiblen Daten ist Sicherheit essenziell. Geschlossene Systeme bieten oft robustere Sicherheitsmaßnahmen und Compliance-Garantien, die aber auch einen entsprechenden Aufpreis benötigen. Teilweise legen sie aber auch ein engeres Korsett an, wo diese Modelle gehostet werden können. Bei Open-Source-Tools muss sich das Team selbst um diese Punkte kümmern, was potenziell anfälliger für Schwachstellen sein könnte.
Wann ist Open Source oder ein geschlossenes System die richtige Wahl?
Für Kanzleien, die kostengünstige und flexible Lösungen suchen, bietet Open-Source-KI eine attraktive Option. Die Möglichkeit, Algorithmen individuell anzupassen und die Transparenz des Codes sind weitere Pluspunkte, die jedoch auch leicht überfordern können.
Kanzleien mit komplexen Anforderungen profitieren von den fortschrittlichen Funktionen und der hohen Sicherheit, die geschlossene Systeme bieten. Auch bieten diese oftmals eine benutzerfreundliche Implementierung und sind ideal für den Umgang mit umfangreichen Datenmengen geeignet.
Praktische Schritte zum Einstieg
Anbieter geschlossener Systeme können direkt über deren Website besucht werden, z. B.
- OpenAI ChatGPT: https://chatgpt.com,
- Anthropic Claude: https://www.anthropic.com/claude
- Google Gemini: https://gemini.google.com
Open-Source Modelle können bspw. über Huggingface ausprobiert werden. Sie befinden sich aber auch in der Umgebung von aws Bedrock. Möchte man Modelle lokal auf seinem eigenen Rechner ausprobieren, geht das bspw. relativ einfach mit Ollama die auch ein großes Verzeichnis mit Modellen hat; hier sollte man allerdings eher zu den kleineren Modellen mit weniger als 10B Parametern greifen (bspw. Phi4 oder DeepSeek R1-8b).
Fazit: Spezifische Anforderungen und Ressourcen sorgfältig abwägen
Sowohl Open-Source- als auch geschlossene KI-Systeme haben jeweils ihre einzigartigen Vorteile. Während Open-Source-KI Flexibilität und Kosteneffizienz bietet, punkten geschlossene Systeme mit fortschrittlichen Funktionen und Sicherheit. Jurist:innen sollten ihre spezifischen Anforderungen und Ressourcen sorgfältig abwägen, um die beste Entscheidung für ihre Praxis zu treffen. Die Wahl der richtigen KI kann die Effizienz steigern und einen Wettbewerbsvorteil in der modernen juristischen Landschaft bieten.
Eine Konstante sollte jedoch bei jeder Wahl berücksichtigt werden: die Verwendung von Metriken zur Überprüfung der Qualität.
Verwendet man Metriken konsequent, kann auch die Entscheidung, welches Modell eingesetzt werden soll, leicht getroffen werden. So nutzen wir bei Wolters Kluwer auch unterschiedliche Sprachmodelle. Zusammenfassungen wie die „GPT-Zusammenfassungen“ auf Wolters Kluwer Online können je nach Entscheidungstyp sogar von unterschiedlichen Sprachmodelle erstellt werden.

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Bild: Adobe Stock/©gguy
Christian Hartz ist seit Januar 2019 Legal Engineer bei Wolters Kluwer Deutschland, arbeitet im Team Content Architecture und AI und seit Januar 2020 daneben auch im globalen Product Development and Innovation-Team von Wolters Kluwer. Neben der Implementierung von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz in Expertenlösungen und die Vermittlung von Wissen über die Anwendungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in das Unternehmen ist sein Fokus die digitale Transformation des juristischen Arbeitsumfeldes.