Legal Revolution

KI auf dem Vormarsch

Fünf Impulse von der Legal Revolution 2023

Von Verena Schillmöller

„Es fühlt sich fast an, als wäre es die erste Legal Revolution …“: So begann Gastgeber und Initiator Dr. Jochen Brandhoff seine Eröffnungsrede auf der Legal Revolution 2023, die zum ersten Mal seit vier Jahren wieder als Präsenzveranstaltung stattfand. Und das mit vollem Erfolg: Zahlreiche Aussteller, Speaker und Gäste trafen sich in der Nürnberger Messe, um sich über alle Neuigkeiten, Themen und Tools aus dem Legal Tech-Bereich auszutauschen. Auch unter den Teilnehmern und Teilnehmerinnen war die Freude spürbar, dass die Veranstaltung wieder vor Ort stattfinden konnte. 

Was hat sich in Sachen Legal Tech seit 2019 alles getan? Brandhoffs Eröffnungsrede begann mit einer kurzen Bestandsaufnahme: Seiner Meinung nach ist die Akzeptanz für Legal Tech in der Rechtsbranche deutlich gestiegen. Neben der Pandemie spielten hier vor allem der technologische Fortschritt und eine zunehmend wettbewerbsorientiertere und kostenbewusstere Branche eine Rolle. Denn Legal Tech bietet für Kanzleien und Unternehmen viele Möglichkeiten, Arbeitsweisen zu optimieren, die Produktivität zu steigern und kosteneffizienter zu arbeiten. Doch wie kann das konkret aussehen? Aus den vielen spannenden Vorträgen der Legal Revolution haben wir für Sie fünf Impulse zusammengefasst.

1. Impuls: Large Language Models sind eine „Super-Power“ – wenn man sie richtig zu nutzen weiß

Rechtsanwalt und Legal Tech-Unternehmer Michael Friedmann widmete sich in seinem Vortrag der „Super-Power“ Large Language Models (LLMs). Bei Large Language Models handelt es sich um auf KI-basierte Sprachmodelle, die auf große Textmengen trainiert wurden und natürliche Sprache nachahmen können, um Texte zu generieren und Fragen zu beantworten (Beispiel: GPT-4). Die LLMs werden von Menschen mit Daten „gefüttert“ und erhalten so ihr Wissen. Friedmann betonte, dass mit Rechtstexten trainierte LLMs nur in den Händen der Anwaltschaft etwas wert sein, da nur Anwältinnen und Anwälte wissen, wie mit diesen umzugehen ist. LLMs werden die Anwaltschaft also nicht ersetzen, sondern vielmehr bei ihrer Arbeit helfen. LLMs können Anwälte z. B. im Wissensmanagement, in der Vertragsgestaltung, in der Fallanalyse und in der Dokumentenanalyse unterstützen. Aber: Man muss sich auch ihrer Grenzen bewusst sein. Da LLMs von Menschen trainiert werden, sind sie oft genauso voreingenommen und evtl. diskriminierend wie ihre Schöpfer und Schöpferinnen. Sie neigen auch zu Fehlinformationen und Fehlinterpretationen – darunter fällt auch das sogenannte „halluzinieren“, also das Erfinden von Fakten und Tatsachen. Umso wichtiger ist es, dass die LLMs aus verlässlicher Quelle stammen und mit den relevanten Daten trainiert werden.

Moderator und Legal Tech-Experte Markus Hartung betonte im Anschluss an Friedmanns Vortrag noch einmal, dass LLMs in Zukunft auch für die Rechtsbranche eine wichtige Rolle spielen werden. Er rief die großen juristischen Verlage dazu auf, diese Technologie zu nutzen – und für Jurist:innen ein LLM aus vertrauensvoller Quelle mit geprüftem Inhalt zu erstellen.

2. Impuls: „The more you mess around the more you’ll find out

Legal Revolution

Dr. Daniel Halft über "Legal Transformation"

Dr. Daniel Halft, Experte für Legal Transformation, ermutigte die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in seinem Vortrag dazu, Digitalisierung und Innovationen mutig anzugehen, den Blickwinkel zu ändern und auch mal neue Dinge auszuprobieren. Denn: Um mit der Digitalisierung Schritt zu halten, müssen neue Tools eingeführt und Risiken eingegangen werden – trotz der Gefahr, dass Projekte auch schief gehen können. Das falle gerade Juristen und Juristinnen schwer, da – so Halft – die Rechtswissenschaft genau das Gegenteil von Innovation und Veränderung sei: Anwälte und Anwältinnen sind eher konservativ und stehen für Verlässlichkeit. Dazu kommt, dass es schwierig für unser Gehirn ist, von Gewohnheiten abzuweichen – hat das Gehirn einmal etwas gelernt, ist es mit großem Aufwand verbunden, das Gelernte wieder rückgängig zu machen. Das ist aber zwingend notwendig, um z. B. neue Technologien wie Künstliche Intelligenz in den Arbeitsalltag zu integrieren. Als Beispiel nannte er das Thema Prompt-Engineering: Hier braucht es viele Versuche, um gute Prompts zu finden, mit denen man die Ergebnisse bekommt, die man gerne haben möchte. Hat man aber gute Prompts gefunden, kann man lange damit arbeiten. Halft schloss mit den Worten: „Je mehr Sie ausprobieren, desto mehr werden Sie herausfinden“.

3. Impuls: Einsatz von KI ja – aber verantwortungsbewusst

In einem Punkt widersprach die nächste Vortragende Jolanda Rose, Process & Digital Transformation Manager bei ARQIS, Dr. Daniel Halft – sie erklärte, dass es gerade beim Einsatz von KI nicht die beste Lösung sei, ohne Plan und Ziel „herumzuprobieren“. KI müsse in Unternehmen und Kanzleien verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Folgende Probleme ergeben sich ihrer Meinung nach beim Einsatz von KI:

  • KI-Technologien, allen voran LLMs, verbrauchen eine große Menge an Energie.
  • Aus Rechtsprechungssicht ist noch vieles unklar – es wird noch eine „große Menge“ an Regulierung vom Gesetzgeber kommen, z. B. die bevorstehende KI-Verordnung der EU.
  • KI-Systeme kennen keine Moral oder Ethik. Sie werden mit teils veralteten Daten trainiert und sind zusätzlich oft voreingenommen.

Was können Kanzleien nun tun, um KI verantwortungsbewusst in der Kanzlei einzusetzen? Rose schlägt folgende Schritte vor:

  1. Schritt: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schulen und ein Bewusstsein für die Problematiken von KI schaffen.
  2. Schritt: Regeln für den Umgang mit KI innerhalb des Unternehmens aufstellen.
  3. Schritt: Eine Einheit im Unternehmen schaffen, die die Einhaltung der Regeln überprüft.

4. Impuls: Neuer Input durch die Zusammenarbeit mit Start-ups

Wieso sollten Kanzleien und Unternehmen mit Legal Tech-Startups zusammenarbeiten? Mit dieser Frage beschäftigte sich ausgiebig das Panel des Legal Tech-Colab in der Diskussionsrunde: „Wie (deutsche) Start-ups mit Spitzentechnologien die starren Strukturen der Rechtsbranche aufbrechen können“. Die fünf Start-up-Gründer und -Gründerinnen nannten eine ganze Reihe an Punkten, in denen Unternehmen von (Legal Tech-)Start-ups profitieren können. Zum einen agieren Start-ups schneller und disruptiver als etablierte Unternehmen und legen zum anderen auch andere Denkweisen an den Tag: Ihre Denkweise ist eher „Wie kann ich mein Ziel erreichen“ und nicht: „Was hindert mich daran, mein Ziel zu erreichen?“. Start-ups schaffen andere Lösungen, weil sie das müssen, um sich am Markt zu behaupten. Von dieser Denkweise können etablierte Unternehmen enorm profitieren. Aus Unternehmenssicht spielt für die Zusammenarbeit neben der Idee auch das Team des Start-ups eine Rolle: Unstimmigkeiten innerhalb des Start-ups können schon ein Hinweis darauf sein, dass die Zusammenarbeit nicht gut klappen wird.

Am Ende waren sich alle einig, dass klassische Unternehmen und Start-ups voneinander eigentlich nur profitieren können. Oft ist es allerdings schwierig, Unternehmen und Startups zu „matchen“, d. h. dass Start-ups und Unternehmen, die gut zueinander passen, auch zueinander finden. Zum Glück gibt es immer mehr Initiativen, die sich diesem Problem annehmen – wie das Legal Tech Colab oder auch der German Legal Tech Hub.

5. Impuls: ChatGPT hat viele Schwächen und nur eine große Stärke

Sehr gut besucht war der Vortrag von Prof. Dr. Michael Beurskens zum Thema Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT – hier wurde deutlich, dass ChatGPT ein Thema ist, das die Rechtsbranche weiterhin umtreibt. Beurkers gab zunächst einen allgemeinen Überblick über die Möglichkeiten von ChatGPT:

Legal Revolution

Prof. Dr. Michael Beurskens über die Möglichkeiten von ChatGPT

Er betonte jedoch, dass ChatGPT für die Anwendungsfälle Texte zusammenfassen, Texte verifizieren und Texte übersetzen eigentlich nicht gedacht sei und hier auch dementsprechend schlechter abschneidet. Auch als Recherchetool eigne sich ChatGPT nicht: Um ChatGPT zu aktualisieren brauche es etwa sechs Monate – bis dahin seien die verwendeten Daten schon wieder veraltet. Momentan kann ChatGPT also niemals aktuell sein. Beurskes schätzt, dass ChatGPT allgemein eine Trefferquote von 80 Prozent hat, die Trefferquote im juristischen Bereich jedoch eher bei 60 Prozent liege. Das liegt auch am deutschen Recht: Zum Problem wird z. B. die Unvollständigkeit bei den zugrundeliegenden Daten (wissenschaftliche Literatur und viel Rechtsprechung fehlen) sowie Gesetzesänderungen wie Übergangsvorschriften. ChatGPT eignet sich hingegen sehr gut für das Generieren von Texten.

Fazit: Wichtige Impulse zu KI & Co.

Die Legal Revolution 2023 war eine rundum gelungene Veranstaltung. Neben den zahlreichen Vorträgen blieb viel Zeit für den persönlichen Austausch. Dass das Thema ChatGPT und Künstliche Intelligenz die Anwaltschaft momentan sehr umtreibt, zeigte sich auch in der Themenauswahl der Vorträge der Legal Revolution. Einzig für die Vorträge war teilweise etwas wenig Zeit eingeplant weswegen auch der Austausch und Fragen nach den Vorträgen vereinzelt zu kurz kamen. Auch inhaltliche Überschneidungen der Vorträge ließen sich bei den vielen KI-Themen nicht vermeiden. Gleichzeitig ergänzten sich die Vorträge aufgrund der inhaltlichen Nähe zueinander aber auch sehr gut – am Ende hat sicherlich jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin wichtige Learnings und Impulse von der Legal Revolution für seinen oder ihren Arbeitsalltag mitgenommen. In diesem Sinne freuen wir uns jetzt schon auf die Legal Revolution 2024!

Weitere Beiträge

Verena Schillmöller ist beim FFI-Verlag in den Bereichen Produktmanagement und Redaktion tätig. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der Bereich Legal Tech.

Nach oben scrollen

Immer up-to-date in Sachen Legal Tech
mit dem Legal Tech-Newsletter!

Abonnieren Sie jetzt unseren
Newsletter und erhalten Sie
alle Magazinausgaben und
die neusten Beiträge des Blogs direkt in Ihr Postfach: