Interview mit Smartlaw: Verträge wie vom Rechtsanwalt

Von Patrick Prior

„Die digitale Rechtsabteilung für Ihr Unternehmen“ – mit diesem Satz wirbt die Berliner Legal Tech-Firma Smartlaw um ihre Kunden. Im Interview konkretisiert Dr. Ralf-Michael Schmidt, was das bedeutet. Der promovierte Jurist hat die Legal Tech-Plattform 2012 mitgegründet, auf der neben Unternehmen auch Privatleute individualisierte Verträge und Rechtsdokumente erstellen können.

Herr Dr. Schmidt, inwieweit kann eine Internetseite als Rechtsabteilung dienen?

Die Hauptaufgabe einer Rechtsabteilung besteht darin, hieb- und stichfeste Verträge aufzusetzen und sie aktuell zu halten. Für derlei Routineaufgaben muss kein Unternehmen mehr personelle Ressourcen vorhalten. Ein internetfähiger Computer oder ein Mobilgerät reichen völlig, weil es Legal Tech-Anbieter wie uns gibt. Smartlaw ist die Lösung für alle, die Verträge und andere Rechtsdokumente eigenständig aufsetzen und verwalten wollen.

Wie funktioniert diese Lösung?

Wir simulieren ein Gespräch mit einem Anwalt. Der Kunde klickt auf das gewünschte Dokument, beispielsweise auf Arbeitsvertrag oder GmbH-Vertrag, und beantwortet Fragen. Im Hintergrund prüft unsere Software, ob die Antworten plausibel sind, und stellt Stück für Stück das Dokument zusammen. Alle Inhalte stammen von renommierten Fachjuristen, sind also juristisch sauber formuliert und stets aktuell. Darüber hinaus bieten wir Abo-Kunden einen persönlichen Rechtsradar.

Das klingt sehr interessant. Was genau ist der persönliche Rechtsradar?

Abo-Kunden erhalten automatisch eine Nachricht, wenn der Vertrag angepasst werden muss. Ein Beispiel dafür ist der gesetzliche Mindestlohn, der sich dieses Jahr erhöht hat. Auch an Fristabläufe, wie etwa das Ende der Probezeit, erinnern wir. Außerdem bietet unser Portal Rechtstipps, Entscheidungshilfen, Checklisten und Anleitungen.

Smartlaw besteht seit 2012 und ist damit eine der ältesten Legal Tech-Firmen in Deutschland. Wie kamen Sie damals auf die Idee, Smartlaw zu gründen?

Wahrscheinlich kennt jeder dieses Problem: Man will sich schnell, unkompliziert und kostengünstig vertraglich einigen, aber im Internet finden sich nur allgemein formulierte, veraltete Musterformulare. Ich selbst war in dieser Situation, als ich meine Wohnung für mehrere Monate zwischenvermieten wollte. Aus solchen Erfahrungen heraus haben meine Co-Gründer und ich uns damals zusammengetan.

Mit welchen Zielen und Erwartungen haben Sie begonnen? 

Unsere Vision bestand darin, jedermann einen einfachen und sicheren Zugang zum Recht zu verschaffen. Wir nahmen uns vor, innerhalb von zehn Jahren eine europaweite Marke zu werden – das Synonym für Online Legal Document Service.

Welche Hürden galt es dabei zu überwinden?

Erstens galt es, Kanzleien als Partner zu gewinnen. Heute ist der Begriff „Legal Tech“ in aller Munde. Vor fünf Jahren beschränkte sich die IT-Kenntnis der meisten Anwälte aber noch auf Microsoft Word und Diktiersoftware. Zweitens mussten wir Investoren finden. Viele potenzielle Geldgeber hatten Vorbehalte gegenüber dem Rechtsmarkt, weil sie Haftungsrisiken fürchteten. Außerdem war unsere Idee vollkommen neu. Unsere Nachahmer mögen es leichter gehabt haben.

Wer hat Sie letztlich unterstützt?

Das waren unter anderem unsere Business Angels. Besonders zentral war dann die Finanzierungsrunde mit Holtzbrinck Ventures, Senovo und Dr. Florian Langenscheidt.

Wie viele Nutzer konnte Smartlaw bisher gewinnen?

Konkrete Geschäftszahlen geben wir nicht heraus. Ein Beispiel mag aber eine gewisse Vorstellung geben: Bislang wurde auf Smartlaw eine fünfstellige Zahl von Arbeitsverträgen erstellt. Besonders gefragt sind wir bei Existenzgründern und Jungunternehmern. Unsere Facebook-Gruppe „Recht für Gründer & junge Unternehmen“ hat mehr als 20.000 Fans.

Gibt es vergleichbare Plattformen?

Wie sich das gehört, haben wir vor Beginn den Markt analysiert. Es gab Anbieter von Mustervorlagen wie vorlagen.de oder formblitz.de und ein paar Seiten wie Janolaw, die zumindest einen Vertragsassistenten anboten. Wirklich vergleichbar ist aber keiner dieser Anbieter, da wir einen Full-Service-Ansatz verfolgen.

Das heißt, Smartlaw ist kein reiner Online-Rechtsdokumentenservice?

Kern unseres Angebots sind rechtssichere, individualisierte Verträge und Rechtsdokumente für nahezu alle Lebensbereiche. Dank Vertragsmanager können Kunden ihre Dokumente aber auch jederzeit und von jedem Ort aus bearbeiten und durch neue ergänzen. Darüber hinaus können sie sich auf Smartlaw.de ausgiebig über die Themen informieren, die sie betreffen.

2014 wurde Smartlaw ein Teil von Wolters Kluwer. Dachten Sie schon bei der Gründung an einen Verkauf und was hat sich verändert, seit Sie zu einem großen Konzern gehören?

Anfang 2014 suchten wir nach einem zusätzlichen Investor. Wir stießen auf Wolters Kluwer. Mit den Kollegen dort können wir Smartlaw weiterentwickeln und unser bereits großes Netzwerk um Fachautoren in anderen Rechtsgebieten erweitern. Darüber hinaus gehören wir nun zu einer Familie von Marken, die einander ergänzen: LTO, Rechtstipps und anwalt24.de. Wolters Kluwer profitiert seinerseits von unserer Startup-Mentalität, vor allem von der flexiblen und agilen Produktentwicklung und unserem über die Jahre erprobten Aufbau der Legal Content-Architektur.

Wie bewerten Sie, als einer der frühen Legal Tech-Gründer, den Legal Tech-Hype seit 2015? 

Von einem Hype würde ich gar nicht reden. Legal Tech erhält vielmehr endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient, beispielsweise in Kanzleien. Außerdem berichten neben der Fachpresse auch Massenmedien, wenn heute ein Startup mit einer Idee auf den Markt kommt.

Wo sehen Sie die Anwaltsbranche in fünf Jahren?

Alle Prognosen gehen davon aus, dass der Markt für Rechtsberatung und Verträge wächst. Zugleich geht die Digitalisierung weiter. Anwälte werden sich weiter spezialisieren müssen, denn Computer erledigen Standardfälle dank Smartlaw und anderer Anbieter genauso gut wie sie. Ihre Chancen liegen dort, wo die Möglichkeiten von Software enden.

Vielen Dank für dieses ausführliche Interview und weiterhin viel Erfolg.

Das Interview führte Patrick Prior.


Zur Person:

Als Gründer von Smartlaw ist Dr. Ralf-Michael Schmidt für die Konzeptionierung und inhaltliche Ausgestaltung der Produkte und Dokumente verantwortlich. Er war bei einer namhaften deutschen Großbank tätig, später in den Bereichen Digitales und Business Development eines führenden Medienunternehmens. Dort koordinierte er die Umsetzung von komplexen Produktentwicklungsprojekten und entwarf neue digitale Geschäftsmodelle.

Patrick Prior
Weitere Beiträge

Patrick Prior ist Jurist, Legal Tech-Experte und Inhaber der Legal Tech Software- und Beratungsfirma Advotisement®. Außerdem betreibt er das Legal Tech-Verzeichnis.

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