Von Bettina Taylor
Nach einer Hype-Phase wird Legal Tech auch von kritischen Playern der Rechtsbranche anerkannt. Welche Startups haben Bestand und was tun traditionelle Rechtsdienstleister, um sich zu modernisieren? Dieser Branchenüberblick zeigt, dass Neu und Alt zusammenkommen und voneinander lernen.
Die Unternehmenszusammenschlüsse und Kooperationen der letzten Monate lassen eine interessante Entwicklung erkennen. So hatten wir über den Verkauf von Lexalgo an die BRYTER GmbH im Rahmen eines Exklusiv-Interviews mit Florian Weiland, geschäftsführender Gesellschafter der Lexalgo Legal Tech GbR, berichtet. Ein weiteres Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen neuen und etablierten Unternehmen der Rechtsbranche sind LAWLIFT und der juristische Verlag Dr. Otto Schmidt. Ihre Kooperation betrifft den Bereich der Automatisierung von Dokumenten. Die Kunden von LAWLIFT können auf die Inhalte des Kölner Fachverlages zurückgreifen. Im Gegenzug nutzen die Kunden von Otto Schmidt die intelligenten LAWLIFT-Vorlagen. Dr. Steffen Bunnenberg, Geschäftsführer der LAWLIFT GmbH: „Wir freuen uns ganz besonders über diese Kooperation! Otto Schmidt wird mit seinen anerkannten Inhalten den Maßstab intelligenter Vorlagen mitgestalten.“ Der Fachverlag will so im eigenen Unternehmen Innovation vorantreiben, wie Geschäftsführer Prof. Dr. Felix Hey erläutert: „Die Kooperation ist der richtige Schritt, um mit den hochwertigen Inhalten des Verlages über innovative Legal Tech-Anwendungen neue Angebote für unsere Zielgruppen auf den Weg zu bringen.“
Auch der Verlag C.H. Beck hat verstanden, dass Innovationskraft von außen benötigt wird. Der führende Fachverlag im Bereich Recht, Steuern und Wirtschaft beteiligt sich seit September 2017 an der ReNoWin Datentechnik GmbH, Mehrheitsgesellschafter der Advo-web GmbH. Laut Pressemitteilung wurden damit „für Anwälte unverzichtbare Lösungen zusammengeführt“. So können Nutzer der Kanzleisoftware Advoware, welche von der Advo-web GmbH stammt, auf die Inhalte von beck-online zugreifen.
Wolters Kluwer Deutschland arbeitet mit der Firma SmartDocuments zusammen, um den Bereich Dokumentenautomation auszubauen, wie Johannes Klostermann, Head of Innovation Legal, erklärt: \"Mit SmartDocuments Legal haben wir bereits eine Software auf dem Markt, die Vertragsvorlagen und Rechtsdokumente dialogbasiert erstellt. Parallel dazu arbeiten wir an Lösungen für spezielle Rechtsgebiete, bei denen bereits spezielle Vorlagen integriert sind, was dann vor allem für mittelgroße Kanzleien das Thema Dokumentenautomation noch handhabbarer macht. In einem weiteren Schritt integrieren wir Dokumentenautomation in Expertenlösungen, die ganze Workflows abbilden.\" Den Marktstart für eine solche Software plant das Unternehmen spätestens für Anfang 2019.
Traditionelle Unternehmen und Legal Tech-Startups kommen zusammen
Die anwalt.de services AG hat sich ein Legal Tech-Startup ins Haus geholt. Im Juni 2018 kaufte das Online-Rechtsportal die FragRobin AG aus Berlin. Das Startup verfolgt ein ähnliches Konzept wie anwalt.de: Wer als Verbraucher Antwort auf Rechtsfragen sucht, kann sich hier informieren und gleichzeitig einen Anwalt suchen. „Die Kombination aus der großen Reichweite von anwalt.de und den FragRobin-Innovationen, die den Zugang zum Recht massiv vereinfachen, ist ideal. Alle Teilnehmer unserer Plattform, sowohl Ratsuchende als auch Rechtsanwälte, werden davon erheblich profitieren. Wir freuen uns, dass das FragRobin-Team mit seinen Erfahrungen und Fähigkeiten unser Unternehmen bereichert“, so Dr. Stefan Morschheuser, Gründer und CEO der anwalt.de services AG. Wenige Wochen zuvor hatte die anwalt.de services AG das Legal Tech-Unternehmen Jurato übernommen. Auch hier werden Mandanten und Anwälte in ganz Deutschland per Online-Plattform und Algorithmen zusammengebracht.
Zusätzlich wachsen die Legal Tech-Unternehmen an sich bereits. Acht Jahre nach der eigenen Gründung hat das auf Fluggastrechte spezialisierte Potsdamer Unternehmen Flightright die Flugrecht GmbH gekauft. Flightright geht außerdem auf Expansionskurs: Ab Sommer will man über die Tochtergesellschaft X-Right GmbH Rechtsdienstleistungen in anderen Bereichen mit gleicher Technologie anbieten.
Welche Legal Tech-Idee hat langfristig Bestand?
Immer mehr traditionelle Unternehmen der Rechtsbranche haben erkannt, dass Sie mit dem Know-how der Legal Tech-Startups Gewinn machen können und ihre Ideen brauchen, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern. Nachdem in den letzten zwei Jahren zahlreiche Legal Tech-Startups wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, wird sich nun zeigen, welche Technologien, Ideen und Geschäftsmodelle langfristig Bestand haben. In der deutschen Rechtsbranche werden Unternehmen, die sich dabei behaupten, auch bei konservativen Kanzleien und Einzelanwälten langfristig Akzeptanz genießen.
Die Mehrheit investiert in Legal Tech – wenn auch zögerlich
Wie eine JUVE-Umfrage unter 201 Kanzleien im Januar 2018 zum Thema Legal Tech zeigt, ist die Spanne des Investitionsvolumens für Legal Tech sehr groß. Rund 118.000 Euro wurden 2017 von den an der Umfrage teilnehmenden Kanzleien durchschnittlich ausgegeben – von ein paar tausend Euro bis hin zu mehreren Millionen, je nach Kanzleigröße. Software (90%), Hardware (54%) und fachlich versiertes Personal (48%) sind dabei die am häufigsten genannten Investitionsbereiche. Die Mehrheit der Befragten ist dabei eher auf Optimierungs- statt Innovationskurs: 87 Prozent wollen ihren Beratungsprozess verbessern, 72 Prozent hoffen durch Legal Tech, wettbewerbsfähig zu bleiben und 51 Prozent möchten neue Rechtsprodukte schaffen. Die am seltensten genannten Motive für die Beschäftigung mit Legal Tech waren Kosteneinsparungen (24%), Personalabbau (20%) und der ausdrückliche Wunsch von Mandanten (18%). Die Mehrheit möchte für die Zukunft noch kein festes Budget Legal Tech einplanen, gleichzeitig beschäftigen sich schon seit längerem 69 Prozent der Umfrage-Teilnehmer mit dem Thema. In guter deutscher Tradition wird also zunächst einmal beobachtet und sondiert.
Legal Tech bringt neue Arbeitsprozesse und Marketing-Strategien
Auch Workflows und Strukturen verändern sich durch Legal Tech. Ein Paradebeispiel ist hier die Kanzlei WALDORF und FROMMER in München. Bei ihnen wurde die Digitalisierung vor allem aus der Not heraus geboren. „Wir hatten Berge von Fällen, die wir nicht mehr bewältigen konnten. Da mussten wir uns ganz schnell überlegen, wie wir es schneller machen können“, so Partner Björn Frommer. Bei ihnen wird größtenteils nur noch projektorientiert und in Teams gearbeitet, die sich auf bestimmte Zwischenschritte in der Fallbearbeitung spezialisiert haben. Programmierer und Juristen sprechen sich ab. Als Schnittstelle agieren Projektmanager, die zwischen Juristen und Software-Entwicklern vermitteln und bei projektbezogener Arbeit den Überblick bewahren. Neben den Prozessen verändern sich auch die Marketingstrategien. Auch im Bereich des Kanzleimarketing spielen digitale Medien eine immer größere Rolle: Internetaffine Juristen akquirieren ihre Mandanten mit Suchmaschinenoptimierung, Social Media, Blogs und YouTube-Beiträgen aus, um Mandanten an Land zu ziehen. Zu den prominentesten Beispielen gehört die Kölner Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE. Sie setzt konsequent auf umfassendes Online-Marketing. Für immer mehr Rechtsanwälte wird der Umgang mit der digitalen Welt zur Selbstverständlichkeit.
Dieser kurze Überblick der neusten Entwicklungen kann nur als Zwischenstand gelten. Fest steht, dass die Mehrheit der deutschen Rechtsbranche Legal Tech als unumkehrbare Entwicklung erkannt hat und von den Innovationen der Startups durch Kooperation oder Übernahme profitieren möchte.
Foto: Fotolia.com/Andrey Popov
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Bettina Taylor arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Als studierte Online-Journalistin gehören SEO, webgerechtes Texten und Content-Marketing zu ihren Spezialgebieten. ffi-verlag.de