Von Maximilian Block
Die deutsche Legal Tech Branche blüht auf. Zählte das Online-Fachmagazin Legal Tribune Online 2016 hierzulande gerade mal 33 Legal Tech-Unternehmen, sind es laut einer aktuellen Liste des Branchen-Bloggers Dominik Tobschall bereits über 140. Warum es gerade jetzt wichtig ist, in Deutschland zu gründen und was die junge Branche braucht, um gesund zu wachsen, erklärt Maximilian Block, Gründer und CEO des Legal Tech-Unternehmens advocado.
In den USA werden bereits bis zu 500 Millionen Dollar in Legal Tech investiert. Diese Summe steckte 2019 eine Gruppe in den amerikanischen Rechtsdienstleister Legal Zoom. Da in Deutschland die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Dienstleistungen nach wie vor verboten ist, wird der Markt von Investoren jedoch immer noch zögerlich betrachtet. Trotzdem betrachtet die Branche und deren Investoren die rechtliche Anerkennung der Geschäftsmodelle von Legal Tech-Unternehmen wie wenigermiete.de und Myright als wegweisend, so dass Legal Tech auch in Deutschland weiter Fahrt aufnehmen wird.
Deutsche Legal Tech-Branche braucht internationale Wettbewerbsfähigkeit
Die Legal Tech-Industrie in Deutschland befindet sich aktuell in der Situation, in der sich der Fintech-Sektor vor zehn Jahren befand: Damals hinderte die Finanzaufsicht Bafin durch strenge Auslegung der Gesetze die aufkeimende Gründerszene daran, mit der internationalen Wettbewerbsentwicklung mitzuhalten. Nur wenige Unternehmen aus Deutschland konnten Investoren für den stark regulierten deutschen Markt für sich gewinnen, wie etwa die Smartphone-Bank N26. Etliche Startups kapitulierten oder wurden von der internationalen Konkurrenz geschluckt, wie etwa das Frankfurter Fintech-Unternehmen Vaamo.
Im Legal Tech-Bereich fängt das internationale Kräftemessen gerade erst an. Ähnlich wie zu Beginn der Fintech-Entwicklungen ist auch hier klar: Legal Tech kommt. Die Frage ist nur, inwieweit Deutschland den internationalen Markt aktiv mitgestalten wird und welche Marktmacht die deutschen Legal Tech-Firmen auf dem internationalen Parkett einnehmen werden. Deshalb ist es wichtig, dass Gründerinnen und Gründer sich jetzt trauen, neue Geschäftsideen zu testen. Nur so entsteht auch die notwendige Dringlichkeit beim Gesetzgeber, das Recht hinsichtlich der neuen Entwicklungen zu modernisieren. Auf diese Weise trägt jeder, der jetzt gründet, zur Zukunftsfähigkeit der deutschen Rechtsbranche bei.
Legal Tech geht auf den Bedürfniswandel von Kanzleien, Mandanten und Verbrauchern ein
Neue Legal Tech-Gründungen sind nicht nur wichtig, um im internationalen Kräftemessen zu bestehen. In erster Linie decken ihre neuen Lösungen einen realen Bedarf von Verbrauchern, Kanzleien und Mandanten. Großkanzleien müssen, zum Beispiel bei internationalen Sammelklagen, zunehmend komplexe Datenmengen sichten, sortieren und koordinieren. Auch die herkömmliche Zusammenarbeit zwischen Anwält/-innen und Mandanten kann Legal Tech effizienter und komfortabler gestalten. Die neuen Technologien automatisieren und dokumentieren Prozesse, erstellen Dokumentvorlagen, erinnern an Termine und vieles mehr.
Auf Verbraucherseite wächst vor allem der Wunsch nach Barrierefreiheit. Der Gang zur Anwältin bzw. zum Anwalt ist für die meisten Rechtsbeistandssuchenden mit vielen Unsicherheiten besetzt: Hat mein Fall Aussicht auf Erfolg? Welche/-r Anwalt/-in ist die/der Richtige für mein Thema? Welche Kosten kommen auf mich zu? Kann ich der/dem Anwalt/-in vertrauen? Oder könnte ich mein Anliegen sogar selbstständig lösen? Konzepte von Rechtsplattformen wie advocado wollen genau diese Hemmnisse beseitigen. Intelligente Algorithmen sollen hier dafür sorgen, dass Mandanten den für sie idealen Rechtsbeistand finden.
Was die Legal Tech-Branche jetzt braucht
Durch die herausfordernde Rechtslage in Deutschland zögern Wagniskapitalgeber nach wie vor damit, in deutsche Startups zu investieren. Was die junge Branche deshalb dringend braucht, um zu wachsen, sind zeitgemäße Gesetze. Das BGH-Urteil im wenigermiete.de Prozess ist ein erstes positives Zeichen. Gleichzeitig kann die Rechtsbranche selbst zu einer gesunden und international wettbewerbsfähigen Entwicklung beitragen: Wenn Legal Tech mehr Akzeptanz unter den einzelnen Akteuren in der Branche findet und mehr Menschen gründen, sendet das ein wichtiges Signal an Investoren und Politik. Im nächsten Schritt wird es mehr Studienangebote an der Schnittstelle zwischen Jura und IT brauchen. Nur so kann Deutschland am Ball bleiben, die rasanten Entwicklungen aktiv mitgestalten und einem bevorstehenden Fachkräftemangel entgegenwirken.
Fazit: Legal Tech-Gründer/-innen müssen positiv bleiben
Die Rechtslage ist in Deutschland für Legal Tech Gründerinnen und -Gründer nach wie vor herausfordernd. Nichtsdestotrotz gibt es eine aktive, engagierte Gründerszene. Diese Akteurinnen und Akteure treiben die deutsche Branche im internationalen Wettbewerb an. Sie sind enorm wichtig für die Innovations- und Zukunftsfähigkeit der deutschen Rechtsbranche. Gründerinnen und Gründer sollten sich deshalb nicht von gesetzlichen Regulierungen abschrecken lassen und neue Ideen mutig vorantreiben. Das setzt wichtige Signale für Politik und lockt Wagniskapitalgeber an. Davon profitieren nicht nur Verbraucher und Mandanten, sondern vor allem die deutsche Rechtsbranche selbst. Es ist wichtig, dass die verschiedenen Akteure sich jetzt gegenseitig unterstützen und für die Möglichkeiten, die ihnen Legal Tech bietet, öffnen.
Foto: Adobe.Stock/©wowomnom
Maximilian Block ist Gründer & CEO von advocado. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit der Digitalisierung des Rechtsmarktes. Bereits im Jahr 2000 gründete er seine erste Online-Community für Rechtsanwälte und Kanzleien. Der Jurist begleitet Entstehung und Wachstum der deutschen Legal Tech-Branche seit der ersten Stunde.