digitale Transformation Kanzlei

Wie gelingt Innovation und digitale Transformation in der Kanzlei?

Drei Katalysatoren für einen Mindset- und Kulturwandel

Von Clara Raschewski

Kanzleien und Rechtsabteilungen müssen sich digital transformieren und ihre Geschäftsmodelle überdenken: Denn durch die Entstehung neuer Technologien verändern sich Arbeitsweisen und die Art und Weise wie kommuniziert wird. Damit die digitale Transformation in der Rechtswelt gelingt und die Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleibt, braucht es Innovation. Doch wie lässt sich Innovation innerhalb der Kanzlei umsetzen? Und wie hängt die Kanzleikultur mit erfolgreichen Innovationen zusammen?

Innovation bedeutet die Schaffung und Umsetzung neuer Ideen, Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse, die einen Mehrwert für die Kanzlei oder Rechtsabteilung als Ganzes schaffen können. Innovation und damit die digitale Transformation erfordert neben finanziellen und personellen Ressourcen daher auch Kreativität, Mut, Risikobereitschaft und die Fähigkeit, bestehende (vermeintliche) Grenzen zu überwinden, um neue Lösungen zu finden.

Erfolgreiche Innovation setzt Mindset- und Kulturwandel voraus

Es gibt verschiedene Methoden und Ansätze, um Innovation zu fördern, beispielsweise Legal Operations, Legal Design Thinking, agiles Projektmanagement, Lean Startup-Methoden oder Open Innovation-Strategien. Zur Umsetzung von Innovation braucht es jedoch noch mehr als die passende Strategie – es braucht eine Unternehmenskultur, also ein Mindset, das Offenheit, Zusammenarbeit und Experimentierfreude fördert und Mitarbeitende ermutigt, neue Ideen einzubringen und umzusetzen.

Genau hier liegt aber das Problem. Die Veränderung der Gesellschaft und explizit der Tech-Welt vollzieht sich sehr schnell und somit prallt Technologie auf eine konventionelle, starre juristische Welt. Nicht nur in der Justiz und in der Verwaltung verläuft der digitale Wandel schleppend, obwohl die Wenn-Dann-Struktur („law is code“) die dem Recht zugrunde liegt, die Digitalisierung in der Rechtswelt eigentlich einfacher gestalten ließe, als in anderen Bereichen. Doch wer sich nicht mit disruptiven Technologien auseinandersetzt und sich nicht den Ansprüchen der Mandant:innen stellt, befindet sich früher oder später auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Künstliche Intelligenz und die digitale Transformation

Künstliche Intelligenz gibt der digitalen Transformation einen weiteren Anstoß. Sie wird die Art und Weise wie wir arbeiten auf den Kopf stellen. Laut einer Studie von Goldmann Sachs werden 44 Prozent der juristischen Berufe durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden. Dabei werden Jurist:innen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht arbeitslos. Genauso wie seit der Industrialisierung nicht mehr 90 Prozent der Menschen
im Agrarsektor arbeiten, werden sich mit dem Einzug von Künstlicher Intelligenz neue Arbeitsweisen und Berufsfelder entwickeln. Das anwaltliche Berufsbild wird sich zunächst um Fähigkeiten wie Prompt Engineering und Data Overview erweitern. Um auf diese Disruption vorbereitet zu sein, muss eine Bereitschaft vorliegen sich auf Künstliche Intelligenz, Blockchain und die Arbeit damit einzulassen – ein offenes Mindset also.

1. New Work Culture und Ausrichtung auf Mandant:innenbedürfnisse

Neue Ausschreibungsbedingungen von Mandatsseite zeigen den Berufsträger:innen, wie viel Potential in der Digitalisierung liegt. Die Überbringung der Rechtsdienstleistung, also die Legal Delivery, verändert sich. Mandant:innen wollen am digitalen Wandel teilhaben. Immer mehr Ausschreibungen beinhalten deshalb die Umsetzung der juristischen Arbeit mit Legal Tech-Tools. Diese neuen Anforderungen zeigen den Bedarf, über rechtliche Fragestellungen hinaus auch rein administrative Prozesse zu digitalisieren. In der Zusammenarbeit zeigt sich dies beispielsweise durch den Wunsch nach einer „Single Point of Truth“-Lösung, also das gemeinsame Arbeiten auf einer Plattform oder einem Know-how-Management System. Mandate können durch Tech-Tools schneller bearbeitet werden und durch die Skalierbarkeit kann mehr Workload in einem Mandat mit besserer Qualität angeboten werden.

Zur New Work Culture gehört es, den Fokus auf die Bedürfnisse der Mandant:innen zu legen. Diese beanspruchen immer mehr ganzheitliche Beratung und digitale Lösungen. Für Kanzleien bedeuten die neuen Geschäftsfelder eine Erweiterung des Mandatsangebots und somit eine Gewinnmaximierung. Dies Aufzuzeigen ist ein ausgezeichnetes Argument zur Öffnung hin zum digitalen Mindset und erhöht die Bereitschaft, eine Veränderung bei sich selbst auszulösen.

2. Das Ende der Billables

Die Abschaffung von Billables ist für eine New Work Culture unabdinglich und trägt maßgeblich zu einem Mindset-Wandel bei. Ohne Billables haben Associates viel mehr Möglichkeiten zu lernen und sich ausbilden zu lassen, sie können sich intensiv mit disruptiven Technologien und neuen Rechtsbereichen beschäftigen und sich persönlich entfalten. Die Billable untergräbt Innovation und kreatives Denken. Es bleibt keine Zeit für ein Neudenken von Prozessen. Das Vernetzen und die lückenlose Zusammenarbeit werden durch Billables gehindert – aber gerade kreative Lösungen werden gemeinsam durch das Teilen von Wissen und Erfahrungen gefunden. Die Abschaffung von Billables führt dazu, dass mehr Wissen ausgetauscht wird, Expert:innenwissen
vertieft und mehr im Team zusammengearbeitet wird.

Wir müssen Lösungen verkaufen und nicht unsere Zeit. Die Bearbeitung eines Mandats mit einem Legal Tech-Tool kann die Arbeitszeit so stark verkürzen, dass eine Billable dafür gar nicht mehr verrechnet werden kann. Dadurch kann aber der Fokus mehr auf die rechtliche Expertise des Mandats gelegt werden. Auch für die Abschaffung von Billables muss das Digitalisierungspotential aufgezeigt werden. Ein wichtiger Schritt hierfür sind Fix-Preise und Zeiteinsparung durch Legal Tech-Tools.

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3. Digitale Transformation mithilfe einer Innovationseinheit

Für die digitale Transformation ist es sehr wichtig, alle Mitarbeitenden mitzunehmen. Das bedeutet, dass das Digitalisierungspotential an alle Mitarbeitenden vermittelt werden muss und Expert:innenwissen und verschiedene Fähigkeiten innerhalb des Unternehmens miteinander vernetzt und im ständigen Austausch sein müssen. Um juristisches-, technisches und betriebswirtschaftliches Know-how zu vereinen und alle Bereiche einer Kanzlei zu verbinden, ist es sinnvoll, eine eigene Einheit für Innovation und Legal Tech einzuführen. Diese Einheit sollte eng mit dem Bereich Business Developement verbunden sein, um gemeinsam neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, das Mandatsrepertoire weiterzuentwickeln und Mandatsakquise zu betreiben. Mit der IT können Inhouse-Prozesse gemeinsam digitalisiert werden. Mit Anwält:innen und Legal Tech Specialists/Engineers wird gemeinsam an Legal Tech-Lösungen in der Mandatsarbeit gefeilt. Eine enge Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung ist wichtig, um gemeinsam Strategien für ganzheitliche Digitalisierungslösungen zu entwickeln.

Teil dieser Einheit sollten verschiedene Hierarchien wie Abteilungen sein. Managing Partner:innen und Associates dienen als Inkubatoren für ein digitales Mindset, Innovation und Legal Tech. Sie treiben den wichtigsten Teil der Wissensvermittlung, nämlich die Kommunikation innerhalb des Kanzleisystems und darüber hinaus maßgeblich an. Dabei ist es sinnvoll, verschiedene „Talk-Formate“ und Plattformen für Fokusgruppen aufzubereiten. Damit wird Raum geschaffen, um über innovative Themen wie disruptive Technologien und neu entstehende Rechtsbereiche zu sprechen. So kann zum einen das Expert:innenwissen fachübergreifend in die Kanzlei getragen werden, was im besten Fall zu einem Cross-Selling führt. Managing Partner:innen kommunizieren und sensibilisieren dabei die Partner:innenschaft für die Themen innovative Geschäftsmodelle, digitale Transformation und neue Legal Tech-Tools. Zu einer gründlichen Wissensvermittlung gehört auch die Organisation von Fortbildungen zu Legal Tech-Themen, ein eigener Ausbildungsstrang in der Associate Weiterbildung, sowie Hackathons. Durch Wissensvermittlung kann eine Adaption stattfinden und die Angst vor der „neuen technischen Welt“ genommen werden. Wenn dies nicht geschieht, wird der Tech-Markt und klassische Beratungen die Mandate von Kanzleien zu großen Teilen entkernen.

Disruption des Rechtsmarkts als spannende Herausforderung sehen

Grundsätzlich erfordert Innovation ein kontinuierliches Lernen und Anpassen, um auf veränderte Marktbedingungen und Mandant: innenbedürfnisse reagieren zu können. Agilität kann gelernt werden, wenn die Strukturen darauf ausgerichtet sind: Kanzleien müssen abteilungs- und fachbereichsübergreifend mehr zusammenwachsen und sich als Einheit verstehen. Wichtig ist es, einfach mal anzufangen, Ängste einzufangen und die Lust an neuen kreativen Lösungen zu wecken. Die Disruption des Rechtmarktes kann als eine spannende Herausforderung begriffen werden – mit kleinen Veränderungen zu beginnen und deren Erfolge zu sehen, kann sehr motivierend wirken und größere Projekte ins Rollen bringen.

Bild: Adobe Stock/©Vadym
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Clara Raschewski, Head of Innovation and Legal Tech bei SKWSchwarz, ist Diplomjuristin und arbeitet seit 2017 im Legal-Tech-Bereich. Ihr Fokus liegt auf der Professionalisierung, also der Optimierung, Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Dazu gehören die regelmäßige Weiterbildung in Legal Operations und Scrum und eine Ausbildungsreihe im Design Thinking am Hasso Plattner Institut. Sie ist davon überzeugt, dass die Disruption der Rechtswelt kreative, strategische und auf die Besonderheiten der Rechtswelt zugeschnittene Lösungen bedarf, um mit dem Wandel der Zeit mitzuhalten.

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