Von Bettina Taylor
Auf der Legal Revolution 2019, die vom 04.-05.12.19 in Frankfurt am Main stattfand, wurde im Vergleich zu den beiden vorherigen Jahren zwar nichts bahnbrechend Neues gesagt, ein Besuch lohnte sich aber dennoch. So wurden nicht nur Detailfragen klassischer Legal Tech-Themen erörtert. Mit mehr Jurastudierenden auf der Messe rückte auch die Perspektive der kommenden Anwaltsgeneration auf Legal Tech in den Fokus.
Interesse an Legal Tech wächst weiter
Es scheint als hätten Digitalisierungskritiker akzeptiert, dass Legal Tech unabhängig von Vorlieben oder politischen Ansichten als Entwicklung nicht wegzudiskutieren ist. Ob aus purem Pragmatismus oder Optimismus – die RednerInnen und TeilnehmerInnen der Legal Revolution 2019 konzentrierten sich eher auf die Chancen und Herausforderungen, die Legal Tech mit sich bringt.
Auch an der wachsenden Teilnehmerzahl lässt sich erkennen, dass das Interesse an Legal Tech innerhalb der deutschen Rechtsberatungsbranche stetig wächst: Gegenüber dem Vorjahr zählten die Organisatoren der Legal Revolution über 1.200 TeilnehmerInnen. 2017, im ersten Jahr der Expo und Kongressmesse, waren es noch 650. Die Messe ist außerdem internationaler geworden. Laut Veranstalter habe sich die Anzahl der VertreterInnen aus dem Ausland im Vergleich zu 2018 verdoppelt. Unter den insgesamt elf Nationen waren vor allem Großbritannien, die Niederlande, die Schweiz, Österreich, die USA und Russland vertreten – ein Zeichen dafür, dass die stetige Internationalisierung der Rechtsbranche voranschreitet.
Stimmen zur Legal Revolution 2019
Die Digitalisierung schafft neue Straftatbestände
Eva Kühne-Hörmann, Landesjustizministerin von Hessen und Georg Eisenreich – Bayerischer Staatsminister für Digitales, Medien und Europa – betonten in der Eröffnungsrede, was aus Sicht der Politik in Sachen Legal Tech noch zu tun sei. „Braucht das Recht ein Update?“, lautete Eva Kühne-Hörmanns Ausgangsfrage. Ihre Antwort: „Natürlich!“. „Die meisten rechtlichen Regelungen, die die digitale Welt heute prägen, stammen aus einer analogen Welt“, erklärte sie. Vor allem das Strafrecht und das Strafprozessrecht habe ein „Update“ bitter nötig. Für viele Delikte, die im Internet geschehen, müsse überhaupt erst eine Rechtslage geschaffen werden – digitaler Hausfriedensbruch, Darknet, Cybergrooming etc. All das seien neue Phänomene, für es noch keine ausgereiften Straftatbestände gebe.
Die Notwendigkeit, etwas zu ändern, ist laut der Politikerin jedoch noch nicht bei allen angekommen. Ob es um Themen wie elektronischer Rechtsverkehr oder Datenschutz gehe, es sei nach wie vor schwierig, Mitstreiter für die Umsetzung eines solchen „Updates“ in ihrem Ministerium zu finden. Mit neuen Generationen wolle man jedoch einen Mentalitätenwandel betreiben. Dazu plant das hessische Justizministerium einen langfristigen Stellenaufbau: In der letzten Legislaturperiode sind 550 neue Stellen geschaffen worden, für das Jahr 2020 kommen noch 279 weitere hinzu. Zusätzlich wurde die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) geschaffen. Hier würden täglich über 100 Hass-Postings gemeldet. Die sogenannte „e-Evidence“ als neue Maßnahme solle zusätzlich grenzüberschreitende Beweisführung besser und schneller ermöglichen. „Es ist nicht die Frage, ob man Legal Tech im Staat ausgestaltet, sondern wie“, schloss Kühne-Hörmann ihre Rede ab.
Auch dem Bayerischen Justizminister, Georg Eisenreich, scheint es mit der Digitalisierung des Rechts nicht schnell genug zu gehen. In seiner Eröffnungsrede präsentierte er eine Reihe von Thesen darüber, wie Legal Tech das Rechtssystem und die Rechtsberatungsbranche verändern wird. Diese dürfte für Branchenkenner nicht neu gewesen sein:
- Legal Tech wird erheblich an Bedeutung zunehmen, da sich die Digitalisierung mittlerweile durch sämtliche Lebensbereiche zieht und vieles schnell, bequem und günstig macht.
- Legal Tech wird neue Business-Modelle hervorbringen und damit den Zugang zum Recht erleichtern – Stichwort „Flightright“. Dabei würde auch die Erwartung von VerbraucherInnen steigen, ihr Recht bequem von zu Hause aus durchzusetzen, so wie man im Internet bequem von zu Hause aus Online-Shopping betreibe. Eine „individualisierte Gesellschaft“ trage zu dieser Erwartungshaltung bei.
- Legal Tech werde sich dort durchsetzen, wo es lukrativ ist und Vorteile bringt. Die Standardisierung und Technisierung des Rechts erlaube es zum Beispiel, effizienter mit Massenverfahren umzugehen. Diese Kostenvorteile könne man auch an Kunden weitergeben.
- Legal Tech wird mehr Menschen den Zugang zum Recht ermöglichen, wo es zuvor schwieriger oder unmöglich gewesen ist.
Legal Tech wird kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt
Diese These verknüpfte Eisenreich mit einem Zitat des Microsoft-Gründers Bill Gates: „Wir überschätzen immer den Wechsel, der in den nächsten zwei Jahren geschehen wird und unterschätzen den Wechsel, der in den nächsten zehn Jahren passieren wird.“ Um die Herausforderungen der Digitalisierung zu stemmen, müssten sich Juristinnen und Juristen nicht nur weiterbilden, sondern sich innerhalb der Branche besser vernetzen. Vor allem im Bereich des Berufs- und Prozessrechts und der Honorargestaltung von Anwältinnen und Anwälten stünden noch viele Fragen offen.
Legal Tech kommt allmählich auch in Universitäten an
Im Unterschied zu den letzten beiden Jahren umfasste das Programm der Legal Revolution auch Vorträge, die vor allem für Jurastudierende und Referendare interessant waren, unter anderem wurden die Ergebnisse der Digital Study vorgestellt – einer Studie, die versucht, den Stand der Digitalisierung der Juristenausbildung in Deutschland zu erfassen. Dabei zeigte sich: Auch in der Juristenausbildung wird Legal Tech immer mehr zum Thema. In den letzten zwei Jahren hat sich vor allem die Studierendenschaft mit zahlreichen Legal Tech-Initiativen wie recode.law aus Münster oder der ML Tech Student Association in München dafür eingesetzt, Legal Tech stärker in die Lehre einzubinden. In diesem Zusammenhang setzen sich die Studenteninitiativen auch ganz allgemein für Reformen in der Juristenausbildung ein, die nach Ansicht vieler veraltet, elitär und nicht mehr zeitgemäß sei.
Auch wenn die Legal Revolution als Messe in Sachen Teilnehmerzahl stetig wächst, müssen Branchenkenner darauf achten, dass derartige Branchen-Events nicht nur als „Klassentreffen“ fungieren. Stattdessen muss weiterhin stärker und selbstkritischer darüber diskutiert werden, in welchen Bereichen es in Sachen Digitalisierung der Rechtsberatung noch hakt. Hier müssen vor allem die Menschen überzeugt werden, die nicht an der Legal Revolution teilnehmen.
Fotos: FFI-Verlag
Die Legal Revolution 2019 in Zahlen
Laut Organisatoren waren dieses Jahr mehr als 1.200 TeilnehmerInnen und 70 Aussteller aus elf Ländern in Frankfurt am Main anwesend. Das Programm setzte sich zusammen aus 50 Vorträgen, Panels und 15 Workshops sowie 100 Einzel- und Gruppencoachings. Die Expo und Kongressmesse konnte ihre Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr weiter erhöhen. Während bei der ersten Veranstaltung 2017 noch 650 TeilnehmerInnen anwesend waren, waren es in diesem Jahr über 1.200. Die Zielgruppen der Legal Revolution waren neben AnwältInnen auch VertreterInnen von Rechtsabteilungen, Compliance-Abteilungen, IT, Hochschulen, Justiz und Politik.
Bettina Taylor arbeitet als Produktmanagerin und Redakteurin beim FFI-Verlag. Als studierte Online-Journalistin gehören SEO, webgerechtes Texten und Content-Marketing zu ihren Spezialgebieten. ffi-verlag.de