Von Patrick Prior
Auch 2018 hat sich wieder einiges bewegt im Bereich Legal Tech. Während das Bewusstsein für technische Entwicklungen in der Rechtsbranche unter JuristInnen weiter steigt, gibt es bei der Umsetzung von konkreten Digitalisierungsmaßnahmen noch einiges nachzuholen.
Langersehnte beA-Einführung
Eine der wichtigsten Neuerungen des Jahres 2018 war sicherlich die Einführung des beA – des elektronischen Anwaltspostfaches. Im September war es soweit: Endlich konnten (und mussten) alle Rechtsanwälte das digitale Postfach verwenden. Die äußerst verspätete Einführung und die vielen aufgezeigten Lücken und Fehler der Software warfen allerdings kein gutes Licht auf Legal Tech. Viele Zweifler der Digitalisierung der Rechtsbranche fühlten sich in ihrer Meinung bestärkt. Trotz aller kritischen Stimmen: Auf lange Sicht gesehen wird dies alles vergessen werden und die Kommunikation über Fax und Brief komplett verschwinden – eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine digitale, und damit teilweise auch automatisierbare, juristische Arbeitsweise.
Legal Tech-Events ziehen weniger Besucher an, dafür aber die interessierteren
Die Veranstaltungen des Legal Tech-Jahres 2018 waren ähnlich wie im Jahr 2017: Berlin Legal Tech, Swiss Legal Tech, Legal Revolution, Legal Transformation Days, Anwaltszukunftskongress, Soldans Legal Tech-Tour und das Schweitzer Zukunftsforum, um nur einige zu nennen. Bei den meisten der genannten Veranstaltungen kamen ähnlich viele, zum Teil aber auch weniger Besucher als im Vorjahr 2017. Dann handelte es sich aber meist um die wirklich an Legal Tech Interessierten, was dem Fortschritt weiterhalf.
Das Interesse der Politik wächst
Deutlich zunehmend war 2018 das Interesse an Legal Tech seitens der Politik, der Justiz und der Universitäten.
Am 13.10.18 fand in Stuttgart der Liberale Rechtstag der FDP unter dem Motto „Legal Tech – Rechtsprechung ohne menschlichen Faktor“ statt. Die Veranstaltung im baden-württembergischen Landtag war gut besucht. Auf der Agenda standen Themen wie digitale Rechtsprechung und ein in ferner Zukunft möglicherweise kommender „Robo-Judge“.
Ebenfalls im Oktober stellte die FDP im Bundestag eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zum Thema „Legal Tech Rechtsgrundlagen“. Die Antwort fiel eher nüchtern und wenig zukunftsorientiert aus. Hier ist seitens der Politik noch viel nachzuholen und zu regeln, etwa eine Reform des Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) mit Anpassungen für Legal Tech-Firmen bzw. -Kanzleien, die z. B. das Recht erhalten könnten, Investoren an Legal Tech-Projekten zu beteiligen oder Provisionen an Dienstleister zahlen zu dürfen.
Legal Tech bei Gericht und Universitäten
Auch die Gerichte kamen 2018 an Legal Tech nicht vorbei. Am 23.11.18 wurde im Landgericht Berlin, vornehmlich von Richtern, das Thema „Legal Tech und die Justiz“ diskutiert. Auch hier wurde das neue Buzzword „Robo-Judge“ verwendet, auch wenn ein autonom handelnder Richter-Roboter nicht nur technisch weit entfernt möglich, sondern auch von keiner Seite gewollt wäre, wie die Teilnehmer der Veranstaltung betonten. Lässt man dieses Schlagwort weg, ging es im Kern um nützliche Assistenz- und Bewertungstools, die in Zukunft von Richtern genutzt werden können.
Das auch die Universitäten zum Thema Legal Tech 2018 aufgewacht sind, konnte man an diversen Veranstaltungen mehrerer Unis zu diesem Thema bemerken. Zusätzlich haben sich auch einige studentische Initiativen rund um das Thema Legal Tech gebildet, u.a. das Legal Tech Lab an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Eine Liste der ebenfalls zahlreichen universitären Veranstaltungen 2019, zusammengestellt von Prof. Fries, findet man hier.
Was bringt 2019?
Das Jahr 2019 beginnt zunächst mit zwei Legal Tech-Hackathons: in Berlin und in Frankfurt am Main, beide Ende Februar. Auch viele andere Legal Tech-Veranstaltungen werden sicherlich wieder stattfinden, wie die Swiss Legal Tech, die Legal Revolution oder der Anwaltszukunftskongress und die Soldan Legal Tech-Tour, deren Ziel dieses Jahr wohl Russland sein wird (Eine Übersicht kommender Legal Tech-Veranstaltungen gibt es in unserer Event-Rubrik).
Inhaltlich wird sich 2019 zeigen, ob sich Dokumentenautomations-Software in Kanzleien durchsetzen kann. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Firma LAWLIFT durch die Kooperation mit DATEV und dem Otto-Schmidt-Verlag bereits eingeleitet.
Das Thema künstliche Intelligenz & machine learning wird Anwälte 2019 vor allem in Form von Verlagsangeboten begegnen. Erster Vorreiter ist hier Wolters Kluwer, wie in diesem Interview zu lesen.
Dieses Jahr wird zeigen, inwiefern sich die Blockchain, für Anwälte vor allem interessant in Form von Smart Contracts, durchsetzen kann. Immer mehr große Unternehmen interessieren sich für diese Technologie, aber ein echter Durchbruch ist bisher noch nicht erreicht. In Form der Kryptowährungen sogar eher ein Rückschritt, schaut man auf die Entwicklung des Bitcoin.
Auch die Wörter „Legal Design Thinking“ wird man 2019 noch öfter hören. Dabei wird sich herausstellen, ob der Rechtsmarkt diese gut gemeinten Ansätze, Rechtsprodukte aus Kundensicht zu entwickeln, annehmen wird. Sinnvoll ist es sicherlich. So beruht nicht zuletzt auch der gesamte Erfolg von Amazon auf dieser Sicht der Dinge, den Kunden in den Fokus zu stellen.
Legal Tech-Fachliteratur 2019
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass 2019 einige neue Legal Tech-Bücher auf dem Markt erscheinen werden. Nachdem es bisher zwei große deutsche Legal Tech-Bücher, inkl. einer erweiterten englischen Fassung eines der Bücher gab, kommen dieses Jahr mindestens vier neue Titel heraus: Recht 2030 – Legal Management in der digitalen Transformation, Legal Tech – Die digitale Transformation in der Anwaltskanzlei, das Rechtshandbuch Smart Contracts und das Rechtshandbuch Blockchain.
Flächendeckende Integration in den Kanzleialltag steht noch aus
Insgesamt wird das Thema Legal Tech den Kanzleialltag immer mehr bestimmen. Es werden sich weitere Services gründen (neu ist z. B. Koffer-Weg.de) und neue Software wird entstehen. Im Kanzleialltag kommt Legal Tech vor allem dann immer mehr an, wenn die großen Kanzlei-Softwareanbieter und juristischen Verlage nachziehen und entweder zunehmend eigene Legal Tech-Lösungen entwickeln oder Kooperationen mit bestehenden Legal Tech-Firmen eingehen werden.
Foto: Adobe Stock/devenorr
Patrick Prior ist Jurist, Legal Tech-Experte und Inhaber der Legal Tech Software- und Beratungsfirma Advotisement®. Außerdem betreibt er das Legal Tech-Verzeichnis.