Legal Tech GmbH

Warum gründet eine Anwaltskanzlei eine Legal Tech GmbH?

Von Dr. Stephan Morsch und  Stefan Schicker


 

Interview mit Dr. Stephan Morsch und Stefan C. Schicker von SKW Schwarz Rechtsanwälte zur Gründung einer Legal Tech GmbH

Die Rechtsanwaltskanzlei SKW Schwarz ist mit über 130 Rechtsanwälten an fünf Standorten vertreten und hat gerade eine eigene Legal Tech GmbH gegründet. Was die Kanzlei dazu bewegt hat und welche Ziele sie verfolgen, erzählen Dr. Stephan Morsch und Stefan C. Schicker im Interview.

Markus Weins: Wir sind heute für legal-tech.de bei SKW Schwarz Rechtsanwälte, um ein wenig darüber zu erfahren, wie Ihr in Eurer Kanzlei das Thema Legal Tech behandelt. Ihr habt kürzlich durch eine Pressemeldung bekannt gegeben, die „SKW Schwarz @ Tech GmbH“ gegründet zu haben. Vielleicht aber zu Beginn eine kurze Vorstellung Eurer Person.

Dr. Stephan Morsch: Ich bin Rechtsanwalt und Partner bei SKW Schwarz. Ich bin Transaktionsanwalt und beschäftige mich in erster Linie mit Finanzierungen und Unternehmenskäufen und habe dabei mit vielen wiederkehrenden Abläufen zu tun, die sich dazu eigenen, auf technischer Seite unterstützt zu werden.

Stefan C. Schicker: Ich bin seit 2019 Managing-Partner der Kanzlei und ansonsten Rechtsanwalt für digitale Sachverhalte wie Digital Business, IT, IP im weitesten Sinne – und das seit 15 Jahren. Hier gibt es sehr viele technische Berührungspunkte und so hängen Technik und Anwaltschaft für mich eng zusammen. Dabei entsteht natürlich die Frage: „Wie kann man die Anwaltsberatung durch Technik effizienter machen?“. Das ist eine wichtige Triebfeder für mich und meine Position in der Kanzlei.

Warum gründet eine Anwaltskanzlei eine Legal Tech GmbH?

Weins: Ihr habt eine GmbH gegründet, um eure Legal Tech-Tätigkeiten auszulagern. Was war hierzu der Anlass? Was habt ihr damit vor? Was ist das Ziel? Was passiert da?

Schicker: Wir haben vor drei Jahren damit begonnen, Legal Tech-Meetups zu organisieren, um uns mit anderen Kanzleien, aber auch Legal Tech-Unternehmen sowie Verlagen und Investoren auszutauschen. Auf dieser Basis haben wir schon sehr viele Legal Tech-Informationen sammeln können und erkannt, dass es doch sehr viel Arbeit ist und man sehr viel Hirnschmalz hineinstecken muss, um das Thema auch wirklich in der Kanzlei zu verankern. Diese Aktivitäten sind immer intensiver geworden in den letzten Jahren. Und es ist jetzt so weit gegangen, dass wir gesagt haben, es macht Sinn, das Ganze in einer Plattform zu bündeln, die sowohl Anlaufstelle für unsere Mitarbeiter, aber auch für unsere Kunden und andere Kanzleien ist, um sich zum Thema Legal Tech schlau zu machen und zu verstehen, wie es in Zukunft weitergeht.

Weins: Könnt ihr uns hierfür Beispiele nennen? Um was ganz konkret geht es da? Welche Art von Tools sollen welche Erleichterungen bringen?

Morsch: Wir sind gerade dabei, eine Software zu implementieren, die uns helfen wird, Legal Content zu produzieren und anzubieten. D. h., uns geht es darum, in einem ersten Schritt mit vergleichsweise einfachen Produkten an den Markt zu gehen, die es dem Mandanten oder potenziellen Mandanten ermöglichen, online – durch Bearbeitung bestimmter Felder und Variablen – am Ende ein Dokument, also ein Beratungsprodukt zu generieren.

Wir werden naturgemäß mit eher einfachen Dingen starten. Wir werden uns in Themenfeldern bewegen, für die unser Haus steht und in denen wir Zugang zu Mandanten haben, die solche Angebote benötigen. Das ist für uns erstmal eine Testphase, um zu sehen, wie es uns gelingt, Traffic in diesem Bereich zu generieren. Wie kommen diese Produkte an? Inwieweit sind Mandanten, die das Produkt nutzen damit zufrieden? Inwieweit kommen die anschließend zu uns, weil das Problem nicht abschließend gelöst werden konnte. Das ist der Startpunkt für uns.

Schicker: Wir verfolgen darüber hinaus den Ansatz, Beratungspakete für Unternehmen und Kanzleien zu schnüren und zu überlegen, wie kann ich Legal Tech sinnvoll implementieren? Wie kann ich den Status quo analysieren, um dann eine Prozessanalyse vorzunehmen. Erst dann kann man sagen, wo Legal Tech sinnvoll eingesetzt werden kann.

Denn es macht nur Sinn, Legal Tech da einzusetzen, wo ich investiere, um nachher durch die Effizienzsteigerung etwas herauszuholen. Das ist ein Gedanke, der für Anwälte normalerweise relativ fremd ist und auch für uns ist es ein großes Lernziel, diesen ROI-Gedanken (Return on Investment) zu implementieren. Also Produkte zu schnüren, die nicht im Sinne einer Unternehmensberatung ein umfangreiches Beratungspaket implementieren, sondern ganz punktuell und praxisorientiert Lösungen zu suchen. Darüber hinaus gilt es zu überlegen, welche Tools es bereits am Markt gibt. Auch um dieses Wissen weiterzugeben und empfehlen zu können, welche Tools in welchem Fall sinnvoll sind.

Welche Tools könnt Ihr empfehlen?

Weins: Ihr habt ja in den letzten Jahren sehr viel Erfahrung gesammelt. Habt ihr dabei mit Unternehmen, die bereits Tools anbieten, zusammengearbeitet? Z. B. SMASHDOCs, LAWLIFT, LeReTo usw. Gibt es Tools, mit denen Ihr bereits Erfahrung gesammelt habt?

Schicker: Wir haben besonders im Bereich Dokumentenautomatisierung sehr viele Gespräche geführt, mit LeReTo, mit LAWLIFT, mit BRYTER, mit Legal SmartDocuments von Wolters Kluwer. Wenn man sich mit den Angeboten tatsächlich auseinandersetzt und sich für eine Testphase entscheidet, merkt man plötzlich, dass die alle das gleiche Problem lösen, aber doch sehr viele Unterschiede in sich bergen. Und das ist das, was das Wissen ausmacht: Welches Tool passt zu mir, zu dem Unternehmen oder der Kanzlei, die wir beraten. Darüber hinaus haben wir auch viel mit Mandanten gesprochen, um zu erfahren, welche Tools diese bereits einsetzen und was die positiven Schnittstellen sein könnten.

Welche Reaktionen hat das Legal Tech-Projekt in Eurer Kanzlei hervorgerufen?

Weins: Jetzt seid Ihr sehr technikaffin und habt Spaß an der Sache. Ich könnte mir aber vorstellen, dass bei einer Kanzlei Eurer Größe auch Anwältinnen und Anwälte unterwegs sind, die seit Jahren oder auch Jahrzehnten einen Arbeitsstil gefunden haben, der funktioniert. Geht ihr zu denen und sagt: „So, jetzt machen wir das mal ein wenig anders!“? Wie sind da die Reaktionen?

Morsch: Das ist natürlich ein Prozess. Wir haben überhaupt nicht den Anspruch, die Kanzlei umzukrempeln. Das können wir nicht und da würde uns auch niemand folgen. Was wir machen ist, intern einen Prozess anstoßen, um das abzubilden, was wir draußen sehen. Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen und es gibt viele Rechtsgebiete und Arbeitspraxen, wo der Anwendungsbereich für Legal Tech sehr begrenzt oder gar nicht vorhanden ist.

Wir fangen darum dort an, wo wir direkt Früchte ernten können. Es gibt Bereiche, wo wir auf eine sehr affine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen treffen, wo wir Rechtsgebiete haben, die passen und wo wir Mandanten haben, die Technikaffinität besitzen. Ich will nicht sagen, dass das ein zartes Pflänzchen ist. Wir haben schon größere Ambitionen, aber das ist sicherlich etwas, was sich entwickeln wird. Es wäre sicher vermessen zu glauben, man könnte hier eine Entwicklung anstoßen, die dazu führt, dass die Kanzlei in zwei Jahren komplett anders aussieht.

Das ist ein Prozess, der sich durch die Kanzlei und die Partnerschaft zieht. Am Ende des Tages werden die Impulse zum einen natürlich vom Markt ausgehen, zum anderen aber auch von den jungen Kolleginnen und Kollegen, die hier anfangen zu arbeiten und die älteren Herrschaften zwangsläufig dazu zwingen, sich mit Neuerungen auseinanderzusetzen.

Schicker: Wir haben natürlich auch unsere Gradmesser. Zum Beispiel beim Test von SMASHDOCs, einem Tool, das in der Praxis bereits sehr gut funktioniert, zeigte sich, dass auch zum Teil extrem technikunaffine Kolleginnen und Kollegen trotzdem mit dem Tool arbeiten und damit zufrieden sind. Wenn das bei denen funktioniert, dann ist es wirklich ein Tool, was für den Praxiseinsatz auch jetzt schon geschaffen und insofern auch schon eine gute Hilfestellung ist.

Ihr wollt auch Kanzleien beraten? Warum und in welchem Umfang?

Weins: Es ist naheliegend, Veränderungen vorzunehmen, die die Arbeit in der Kanzlei und mit den Mandanten optimieren und erleichtern. Vielleicht auch, um noch bessere Arbeit als bisher schon abzuliefern. Jetzt habt ihr aber auch Angebote für Kanzleien. Könnt ihr das noch mal ein wenig erläutern? Weil das überrascht mich jetzt ein wenig.

Morsch: Durch unsere verschiedenen Veranstaltungen, die wir hier im Hause durchführen und die wir bewusst sehr offen halten, sind wir jetzt schon ganz intensiv mit anderen Kanzleien und Inhouse-Abteilungen in Kontakt. Das kommt auch sehr gut an, d. h., wir haben hier zum Teil bis zu 50 Besucher aus anderen Kanzleien im Haus, die sich bei uns darüber austauschen, was läuft und was nicht so gut läuft. Und das ist eine extrem fruchtbare Diskussion.

Wir sind hier durch einen sehr intensiven Prozess gegangen, haben uns sehr intensiv mit den Angeboten am Markt beschäftigt. Insbesondere natürlich auch aus der Sicht einer mittelständisch geprägten Kanzlei mit der angemessenen Manpower und finanziellen Ressourcen. Denn allem sind irgendwo Grenzen gesetzt. Da haben wir Erfahrungen gesammelt, die wir durchaus gerne teilen und weitergeben. Da denken wir natürlich zum einen an Inhouse-Abteilungen, die kommen und fragen, „Wie positionieren wir uns denn?“, aber auch andere Kanzleien, die uns fragen „Was habt Ihr denn da gemacht?“.

Natürlich werden wir nicht im Detail zeigen, wie wir unseren Legal Content produziert haben. Aber die konzeptionellen Erwägungen und Erfahrungen, die wir gemacht haben, „Wie beziehen wir Kollegen mit ein? Wie können wir das in unsere internen Arbeitsabläufe und Prozesse integrieren?“. Das ist etwas, das wir gerne anbieten. So ist der Austausch zwischen den Kanzleien in vielen Bereichen offener, als manch einer denkt. Stefan Schicker ist zum Beispiel viel mit Managing-Partnern anderer Kanzleien unterwegs. Da gibt es schon einen regen Austausch im Hintergrund.

Schicker: Es ist ja auch nicht neu. Wir machen es auch jetzt schon auf unseren Meetups. Ich bin oft als Sprecher auf Veranstaltungen unterwegs, wo genau dieser Austausch schon stattfindet. Ob wir das jetzt im Rahmen der GmbH tun oder wie wir das jetzt schon in der Kanzlei machen. Ich glaube, das Wichtige ist, zu verstehen, Legal Tech in der Kanzlei zu implementieren. Dafür gibt es nicht einen Schalter zum Umlegen, sondern man muss wirklich Arbeit reinstecken. Und ich glaube, wir können von dieser Arbeit berichten, uns austauschen, um davon zu lernen, aber auch etwas zurückgeben an die Kolleginnen und Kollegen. Gleichzeitig ist es aber auch mit viel eigener Arbeit verbunden, die getan werden muss. Und da sind wir einfach schon ein gutes Stück weiter gekommen.

Welche Tipps habt Ihr für kleine Kanzleien?

Weins: Jetzt haben wir mit legal-tech.de eine Seite, die auch sehr viele kleine Kanzleien besuchen. Die haben oft nicht die Möglichkeiten wie ihr, sich aus der Kanzlei rauszuziehen, eine GmbH zu gründen oder zu sagen, einmal in der Woche mache ich nur Legal Tech. Was würdet Ihr denn kleineren Kanzleien und insbesondere den jüngeren Anwältinnen und Anwälten, die jetzt gründen, als Tipp mit auf den Weg geben?

Morsch: Ich glaube, wenn ich mich als kleine Kanzlei mit dem Thema Legal Tech beschäftigen möchte, ist es wichtig, irgendeine Form von Nische zu finden. Und wenn man sich ansieht, was es am Markt gibt und was auf den einschlägigen Veranstaltungen berichtet wird, dann gibt es da eine ganze Reihe von Erfolgsbeispielen, wo Kolleginnen und Kollegen im Bereich des Arbeitsrechts oder des Verkehrsrechts mit begrenztem Aufwand und im Zweifel mit externer Hilfe Tools entwickelt haben, die auch ein Experimentierfeld sind und wo sie sehen, ob sie in ihrer Local Community Mandanten auf die Seite führen und auf diese Art und Weise Mandate generieren.

Der Bereich Legal Tech ist ja sehr breit und groß. Da haben sie auf der einen Seite Software, die 100.000 Mietverträge durchscrollt, aber gleichzeitig handelt es sich auch um Legal Tech, wenn ich auf meiner Internetseite ein Tool bereitstelle und so Zugang zu neuen Mandanten generiere. Der Weg, bis wir so weit sind, dass wir eine Software haben, die sehr viel Arbeit abnimmt, ist noch ein sehr, sehr weiter und erfordert noch eine Vielzahl von Experimenten.

Schicker: Darüber hinaus ist es auch so, dass Anwälte in vielen Fachbereichen Fortbildungen besuchen. Ich glaube, Legal Tech ist ein Bereich, der die Weiterbildung für den Bereich Kanzleiorganisation zusammenfasst. Darum denke ich, dass es für jede Kanzlei zum guten Ton gehören muss, zu sagen: „Ich nehme Legal Tech als festen Weiterbildungsbestandteil auf“. Es ist ein Thema, mit dem ich mich kontinuierlich beschäftigen muss, um weiterzukommen und wo ich Zeit investieren muss. Es ist gar nicht so, dass man zu Beginn wahnsinnig viel Geld investieren muss. Es geht erstmal darum, das Thema überhaupt zu verstehen.

Wann ist die GmbH soweit, dass wir etwas sehen können?

Weins: Letzte Frage: Wie sieht es aus mit der GmbH? Gibt es schon etwas zu sehen? Gibt es schon eine Internetseite?

Morsch: Bisher gibt es die GmbH im Handelsregister. Wir sind also live und gegründet. Die GmbH hat auch die ersten Verträge unterschrieben und Investitionen getätigt. Die Ergebnisse werden noch etwas auf sich warten lassen. Wir sind jetzt dabei, ein Konzept zu entwickeln, wie wir das Ganze Anfang Februar intern ausrollen. Wir haben sehr konkrete Überlegungen, was wir umsetzen wollen. Das ist aber sicherlich nichts, was von jetzt auf gleich passiert. Wir gehen heute davon aus, dass wir im Sommer mit ersten Dingen sichtbar werden. Aber es ist auch noch ein Stück Arbeit zu tun.

Weins: Herzlichen Dank für das sehr nette und informative Gespräch!

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Dr. Stephan Morsch berät in- und ausländische Unternehmen und Finanzinvestoren auf den Gebieten M&A, Private Equity / Venture Capital Investments, Joint Ventures sowie Gesellschaftsrecht. Zu seinen Mandanten gehören insbesondere Unternehmen der Medien-, Technologie-, Automobil-, Energie-, Gesundheits- und Investitionsgüterbranche sowie Fonds und Family Offices.

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