anwalt2018

Anwalt2018/2019 – Veranstaltung zu den Einflüssen von Legal Tech auf den Anwaltsberuf

Von Ilona Cosack

Auswirkungen der Digitalisierung auf den Anwaltsberuf, den Kanzleialltag, das Recht und warum FKK (nicht) immer die beste Wahl ist

Der Bayerische Anwaltsverband lud 2018 erstmals zur „Konferenz zur Begleitung der digitalen Transformation im Kanzleialltag“ ein. Auf der Agenda standen praxisnahe Themen, deren Inhalte und Ergebnisse jede Anwältin und jeder Anwalt schon morgen in der Kanzlei umsetzen kann.

Entwicklungen des elektronischen Rechtsverkehrs

Ministerialdirigent Heinz-Peter Mair aus dem Bayerischen Justizministerium schilderte die Fortschritte in der Justiz bei der Erprobung des Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) in der Praxis: Anfang 2019 beginnt die Stufe 2 mit dem Postausgang, so dass Anwälte über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) auch mit Antworten der Gerichte rechnen müssen. Allerdings kann jedes Gericht selbst entscheiden, wann die Stufe 2 startet. Bis 2026 sollen in der Justiz elektronische Akten geführt werden. In Bayern wird schon fleißig geübt, nach dem Ampelprinzip scannen die Wachtmeister Eingänge ein. An die Anwaltschaft richtete Mair den Wunsch, mehr über das beA zu senden, damit auf beiden Seiten Erfahrungen gesammelt werden könnten. Er kündigte an, dass Anwälte auch damit rechnen müssen, dass zukünftig Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis über das beA verschickt würden.

Ab in die Cloud!

Rechtsanwältin Ulrike Meising, Mitinitiatorin der Anwalt2018, berichtete über ihre Erfahrungen in Australien mit der Digitalisierung: Wie kann man die Papierwelt verlassen? Welchen Vorteil haben Anwälte davon? Wie kann der Umstieg von analog auf digital gelingen? Meising zeigte auf, dass schon vor zehn Jahren die digitale Transformation begann. Wichtig sei es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Bedürfnisse des Mandanten zu hinterfragen. Sie gab den Ratschlag, keine Server mehr zu kaufen. Der Weg führe unweigerlich in die Cloud, auch wenn viele heute noch zögerten.

Abmahntiere und die DSGVO

Nach dem Hype und dem Stress, den die Datenschutz-Grundverordnung 2018 auch in Anwaltskanzleien verursacht hat, durfte die DSVGO auch auf der Anwalt2018 nicht fehlen. Rechtsanwalt Dr. Arnd-Christian Kulow machte einen Streifzug durch die wesentlichen Bereiche für die Kanzleien und zeigte die Rechte und Pflichten beim Mandatsvertrag auf. Wie ist „TOM“ (Technisch Organisatorische Maßnahmen) umzusetzen, was muss jede Anwaltskanzlei beachten? Wichtig sei es, die Mitarbeiter zu schulen. Und wie sieht es mit den „Abmahntieren“ aus? Die befürchtete Abmahnwelle sei ausgeblieben, gleichwohl ist jede Kanzlei gut beraten, sich DSGVO-konform aufzustellen, so Kulow. Konkrete Umsetzungshilfe gab es in einem Hand-Out. Die Teilnehmer konnten dank eines fliegenden Mikrofons Fragen stellen und intensiv mitdiskutieren.

Wissensmanagement aufbauen

Wie findet man die richtigen Informationen in der unendlichen Weite des Internets? Die Qualität der Treffer ist entscheidend. Anhand der Datenbankrecherche von Juris zeigte Georg Günther, Juris Recherchespezialist, auf, wie man schnell die richtigen Entscheidungen findet und diese weiterverarbeitet. Die Kanzlei müsse festlegen, in welchem Format gespeichert wird, auf welche Art und Weise das Wissen gesichert werden soll, damit der Wissenstransfer gelingt.

Darauf aufbauend zeigte Rechtsanwalt Uwe Horwarth von METHODIGY mit seiner LawyerTechSoftware, wie Wissen nach der Methode juristischen Arbeitens strukturiert werden könne.

Was halten Sie von FKK?

Nein, damit ist nicht Kəryə-Konzəl (ISO-639-3-Code), tschadische Sprache in Adamawa (Bundesstaat), Nigeria, gemeint und auch nicht die Freikörperkultur als Definition von „gemeinschaftlicher Nacktheit aller Geschlechter in Freizeit, Sport und Alltag“. Eine Wiener Kanzlei meinte 2015, es sei „Zeit für eine unkonventionelle Alternative; gedacht, getan. Seit 2015 gibt es FKK in Wien! Anfänglich noch ganz schüchtern in der eigenen Wohnung, seit 2017 stolz auf der Lerchenfelder Straße in Wien 7. Ist FKK nicht gerade unterwegs (FKK am Donaukanal, FKK in Niederösterreich, FKK im Theater,  FKK am ...), ist sie mit vollem Elan und Einsatz für ihre Klienten da. Kreative, Handwerker, Gastronomen, Leute mit Ideen und Junge Wilde fühlen sich bei FKK besonders wohl.“ Mit FKK ist die „Feine Kleine Kanzlei“ gemeint, die Markus Schrottmeyer, Steuerberater, Unternehmensberater, zertifizierter Verfahrensrechtsexperte und Insolvenzverwalter, betreibt. Diese Marketing-Strategie ist vielleicht aufgrund der Provokation aufmerksamkeitsfördernd, fraglich ist, ob man damit Vertrauen gewinnen kann. Dieses Beispiel und eine bunte Vielfalt an Ideen zum Anwalts-Marketing, zur Suchmaschinenoptimierung und mehr brachte Martin Benning, Creative Director Art, den Teilnehmern in seinem Vortrag mit. In welcher Nachbarschaft befinden Sie sich? Was haben Bananen mit Anwalts-Marketing zu tun? Wie steht es um die Wiedererkennung des Logos? Es gab eine Fülle von Anregungen.

Digitale Kommunikation für Anwälte

Aus Hamburg eingeflogen kam Rechtsanwältin Nina Diercks nach München und skizzierte ihren Weg zu einer erfolgreichen Kommunikation im Netz. Vorab nahm sie der Euphorie den Wind aus den Segeln: „Die schlechte Nachricht: Es ist keine Marketing-Strategie, die nebenbei und/oder schnell funktioniert“. Dann kam jedoch „Die gute Nachricht: Es lässt sich langfristig sehr viel Geschäft mit dieser Strategie erschließen.“ Diercks berichtete von ihren Anfängen im Netz und dem Umbau von einer Kanzlei- zur Personenmarke. Als Datenschutz-Anwältin fragte sie sich: „Soll ich Facebook abschalten?“ Für sie sei Twitter die bevorzugte Informationsquelle, „schneller als beck-online“. Immer wieder sei dabei zu hinterfragen: „Wo sind meine Wunschmandanten? Mit welchem Medium kann ich sie erreichen?“ Man müsse nicht alles selbst machen, solle sich professionelle Unterstützung holen. Eine begeisterte Teilnehmerin twitterte: „Nach dem Vortrag von @RAinDiercks #Anwalt2018 bin ich nicht sicher, wie ich bisher ohne einen Twitter-Account überhaupt existieren/arbeiten konnte.“

Klicken, wischen, tippen — oder sprechen?

Die Doktorandin und Dipl. Jur. Christina-Maria Leeb aus Passau zeigte die Sichtweise der jungen Generation auf die Kommunikation. Sind Ihnen schon „Smombys“ begegnet, fragte sie ihr Publikum. Wie setzt man Emojis richtig ein? Welche Social-Media-Kanäle sind angesagt? YouTube, Instagram und Snapchat führten die Hitliste an. Brief, Fax und SMS seien dagegen out. Leeb klärte über die Erwartungen der (potenziellen) Mandanten auf: „Kenntnis der neuen Kommunikationswege und deren Nutzung (in eingeschränktem Maße — und falls ja, dann richtig), Vorrang textlicher Kommunikation vor mündlicher, einfacher und unkomplizierter Dokumentenaustausch, Klartext statt Floskeln, kurze Reaktionszeit und ständige Erreichbarkeit, Kostentransparenz. Mit #AMA (Ask Me Anything) endete ihr Ausflug in die neue Welt der Kommunikation, die man wie eine neue Sprache erlernen sollte.

beA — das (un)geliebte Anwaltspostfach — 10 Dinge, die Sie wissen sollten

Zu guter Letzt hatte ich als Rednerin die Aufgabe übernommen, die Teilnehmer nach dem Neustart des beA am 03.09.2018 über mögliche Stolperfallen zu informieren, die man kennen sollte. Rechtsanwalt Dr. Dominik Herzog, auch als Kabarettist aktiv, lieferte den passenden Einstieg dazu. Auf YouTube hat der neue beA-Song schon über 20.000 Aufrufe erzielt.

  1. Client Security: Wer spioniert mich aus?
  2. Passive Nutzungspflicht: Was muss ich trotzdem senden?
  3. Zugang oder Zustellung? Fettnäpfchen vermeiden!
  4. Unterschreiben Sie noch oder signieren Sie schon?
  5. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht:
    Risiken und Nebenwirkungen senken
  6. Damit keine Nachricht verloren geht: Exportieren oder drucken?
    Warum — wie — wohin?
  7. Ist die Tür schon offen? Wer ist empfangsbereit?
  8. Wie im richtigen Leben: Schriftsatz und Anlagen — aber richtig!
  9. Ab in den Urlaub: Soll beA mitkommen?
  10. Timeout: Wie beA Ihre liebste Freundin wird

Diese Tipps konnten die Teilnehmer von der Anwalt2018 mitnehmen

  1. Der elektronische Rechtsverkehr ist kein Hexenwerk! Er will nur geübt sein
  2. Langfristig wird die Cloud den Kanzlei-Server ersetzen.
  3. Wer die DSGVO sicher umsetzen will muss seine Mitarbeiter/-innen einbeziehen
  4. Wissensmanagement beginnt mit sinnvoller Struktur
  5. Wer Social Media zur Akquise von Mandanten nutzen will, muss stetig dran bleiben
  6. beA ist nicht so einfach, wie es den Anschein hat. Es hält viele Fettnäpfchen bereit. Befassen Sie sich damit!

Anwalt2019 – Save the date

Die Anwalt2019 findet am Montag, 11. November 2019 in München statt. Alle Informationen demnächst unter www.anwalt2019.de. Wir sind gespannt. Bei Twitter gibt es zum Suchbegriff #Anwalt2018 weitere Impressionen und mit #Anwalt2019 alle Infos zum künftigen Termin.

Fotos: Ilona Cosack
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Ilona Cosack, Inhaberin der ABC Anwalts-
Beratung Cosack Fachberatung für Rechtsanwälte und Notare, berät und begleitet seit 1998 Anwaltskanzleien ganzheitlich als Expertin mit dem Schwerpunkt Anwältin und Anwalt als Unternehmer. Sie ist Autorin des Praxishandbuches Anwaltsmarketing und des Leitfadens für jede Anwaltskanzlei Digitalisierung erfolgreich umsetzen. Darüber hinaus gibt sie in Fachpublikationen und als Referentin, auch zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach, wertvolle Hinweise zum praktischen Einsatz in der Kanzlei.

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