Legal Tech Energierecht

Legal Tech im Energierecht

Vier Lösungen für Verbraucher und Mandantschaft im Überblick

Von Dr. Benedikt QuarchDr. Franziska Lietz und  Pia Bernhart

Techniklastig, interdisziplinär und innovationsgetrieben: Das Energierecht scheint auf den ersten Blick besonders prädestiniert für die Entwicklung und Arbeit mit innovativen Legal Tech-Anwendungen. Welche Legal Tech-Lösungen gibt es derzeit im Energierecht schon? So vielseitig wie das Rechtsgebiet selber – das sich etwa in Teilbereiche wie das Energieregulierungsrecht, das Umweltenergierecht, das Energieplanungsrecht oder das Recht der Erneuerbaren Energien gliedert – so vielseitig sind auch die in diesem Beitrag vorgestellten Tools für Verbraucher, Mandantschaft und Unternehmen.

Ankauf von Rechtsforderungen durch RightNow: Hilfe bei rechtswidrigen Kündigungen von Strom- und Gasanbietern

Im Dezember 2021 haben mehrere Energieversorger ihre Verträge mit zahlreichen privaten Endverbrauchern kurzfristig gekündigt. Das hatte zur Folge, dass diese sich in den wesentlich teureren Tarifen der Grund- bzw. Ersatzversorger wiederfanden. Die Preissteigerungen betrugen teilweise bis zu 600 Prozent. Hintergrund dieser Kündigungswelle waren die in den letzten Monaten stark gestiegenen Energiepreise, weshalb vor allem Billigstromanbieter – so jedenfalls deren Behauptung – ihre vertraglich zugesagten Preise gegenüber den Endverbrauchen immer schwerer realisieren konnten.

Eine solch kurzfristige Kündigung ist allerdings rechtswidrig, denn die Verträge der Energieversorger sehen eine Kündigungsfrist von meist vier bis sechs Wochen zum Ende des laufenden Vertragsjahres vor. Der Energieversorger darf das Vertragsverhältnis daher nicht plötzlich beenden. Die kurzfristige Kündigung stellt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung und damit eine Pflichtverletzung dar.

Aufgrund der Erfüllungsverweigerung der Energieversorger stehen den Endverbrauchern Schadensersatzansprüche zu, deren Höhe sich aus der Differenz zwischen dem bisherigen Vertragspreis und dem Preis des Neuvertrags berechnen lassen.

In zeitlicher Hinsicht ist dabei der Zeitraum bis zur nächsten Möglichkeit des Energieversorgers zur ordentlichen Kündigung zugrunde zu legen.

Legal Tech-Anbieter wie RightNow haben darauf reagiert und in kürzester Zeit ein Produkt für betroffene Endverbraucher geschaffen, bei welchem diesen eine sofortige Entschädigung für die hohen Preise geleistet wird, die sie nun bei ihren Grundversorgern zahlen müssen. Dabei werden die Forderungen der Endverbraucher abgetreten. Für die Endverbraucher bietet das viele Vorteile: Sie müssen sich nicht selbst damit auseinandersetzen, ob sie einen Anspruch haben und wie hoch dieser ist. Außerdem müssen sie nicht allein an einen großen Energie-Konzern herantreten und dort ihre Forderung durchsetzen oder sogar vor Gericht ziehen. Legal Tech-Anbieter hingegen können mittels Technologie und Erfahrung in kürzester Zeit Berechnungen anfertigen und automatisiert Schriftsätze erstellen. So lassen sich die Ansprüche ohne großen Aufwand bündeln und in einem gerichtlichen Sammelverfahren gegenüber den Energiekonzernen geltend machen.

Für uns ist es wichtig, die Möglichkeiten von Legal Tech dafür zu nutzen, um ein Gleichgewicht zwischen den Forderungen einzelner Verbraucher und großer Unternehmen herzustellen. Dieses Produkt ist nur eines von vielen, mit denen wir das erreichen möchten. Die Zahl der durchgesetzten Ansprüche spiegeln uns den Bedarf wider, denn seit 2016 versuchen wir, Parität zwischen Verbrauchern und Großkonzernen zu schaffen und setzen monatlich mehr als 10.000 Ansprüche durch.

RGC Manager: Weitreichendes Compliance-Management im Energierecht

In der Industrie sind digitale Anwendungen und Software-Tools vielfach Standard. Im Hinblick auf rechtliche Fragen ist die Digitalisierung in Unternehmen hingegen noch nicht so ausgeprägt. Dabei kann eine geeignete Softwarelösung eine deutliche Verbesserung in der Abdeckung und Nachverfolgung der Rechtspflichten für eine möglichst weitreichende Compliance bieten. Ein funktionierendes Compliance-Management im Energierecht hat viele Vorteile:

  • Es gibt zahlreiche privilegierende Tatbestände im Hinblick auf die Energiekosten, insb. für die energieintensive, produzierende Industrie (z. B. Steuerprivilegien, sog. Individuelle Netzentgelte, Privilegien beim CO2-Preis). Um diese Vorteile zu erhalten, müssten Unternehmen allerdings eine Reihe von Pflichten erfüllen und Formalien und Fristen einhalten.
  • Die Einhaltung von Ge- und Verboten verhindert Haftungsfälle.
  • Eine saubere Energie- und Umweltcompliance führt zudem in der Regel zur Lockerung der behördlichen Aufsicht.
  • Ausbleibende Haftungsfälle wirken sich positiv auf die Unternehmensreputation.
  • Erfolgreiche Zertifizierung: Im Energierecht besteht eine grundsätzliche Auditpflicht, zudem geht es vielfach um die Zertifizierung nach der Norm ISO 50001, die für einige der o.g. Privilegien eine wichtige Voraussetzung darstelle.

Wenn ein Unternehmen seine rechtlichen Verpflichtungen in einer Legal Compliance Software managen will, sind einige wesentliche Schritte unerlässlich. Dies sind insbesondere die Ermittlung und Verfügbarkeit von bindenden Verpflichtungen, Vorhaltung eines stets aktuellen Informationsstandes, Überblick über Verpflichtungen aus individuellen Vorgaben, insb. Genehmigungen, Bildung von Zuständigkeiten sowie Ermittlung und Management von konkreten Einzelpflichten.

Die RGC Manager Web-Software ermöglicht den Zugang zu allen für das Unternehmen in Betracht kommenden bindenden rechtlichen Verpflichtungen im Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht.

Zur Ermittlung Rechts- und anderer Normen kann selbstverständlich auch die aktuelle Papierfassung erworben oder auf Onlineportale zurückgegriffen werden. Eine umfassende Übersicht aller Verpflichtungen vermittelt diese Quellen allein jedoch nicht. Auch die ISO 50001 setzt das Führen eines stets aktuellen Rechtskatasters für die Zertifizierung zwingend voraus.

Das Rechtsregister der Web-Software umfasst alle Normen mit Energie-, Umwelt- und Klimarechtsbezug von der EU- bis hinunter zur Landesebene. Hinzu kommen zielgruppenspezifisch ausgewählte Rechts- und Informationsquellen. Bei der Errichtung eines Rechtskatasters ermittelt das Unternehmen gemeinsam mit dem Berater alle anwendbaren Vorschriften, aus denen Rechtspflichten erwachsen können. Zudem können weitere Vorschriften, z. B. aus dem kommunalen Recht, nach den individuellen Bedürfnissen ergänzt werden.

Während mit dem Rechtskataster zunächst nur ganze Regelwerke, z. B. das EEG zugeordnet und aktualisiert werden, ist es erforderlich, dass die konkreten Einzelpflichten bekannt sind und die daraus folgenden Aufgaben verantwortlichen Personen mit Fristsetzung zugeordnet werden können. Dies ermöglicht der sog. Workflowbereich der RGC Manager Web-Software.

Die Arbeit mit einem digitalen Tool im Bereich der energierechtlichen Compliance bringt für alle Beteiligten deutliche Vorteile. Der Mandant erhält alle seine Rechtspflichten übersichtlich aufbereitet, inklusive eines Workflow-Managements. Aber auch die Anwälte, die mit der Software arbeiten, haben deutliche Effizienzvorteile: Sie können aus einem Pool an Rechtspflichten schöpfen und diese in einem bereits hundertfach erprobten Prozess an den Mandanten vermitteln.

In Teil 2 lesen Sie, welche Legal Tech-Lösungen PwC Legal Deutschland der Mandantschaft, zu denen u. a. Energieversorger und Ministerien gehören, bietet – und wie ein Einzelanwalt Menschen hilft, digital Umweltsünden zu melden. 

Bild: Adobe Stock/©TarikVision
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Dr. jur. Benedikt Quarch, M.A. (Business) ist Gründer und Geschäftsführer der Düsseldorfer RightNow Group, sowie u. a. als einer von Forbes 30 under 30 ausgezeichnet und Herausgeber der LegalTech-Zeitschrift im Nomos-Verlag.

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Dr. Franziska Lietz hat Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover studiert. Nach einem Masterstudium im Umweltrecht und dem Referendariat im Oberlandesgerichtsbezirk Celle war sie in den Jahren 2012 und 2013 in einer auf Energie- und Medizinrecht spezialisierten Wirtschaftskanzlei als Rechtsanwältin tätig. Sie promovierte an der Universität Göttingen zum Thema Stromspeicherung und Power-to-Gas und erhielt für ihre Arbeit im Jahr 2017 den Fakultätspreis der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Seit 2016 ist sie wieder als Rechtsanwältin für die Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN mit den Schwerpunkten Stromspeicherung, Elektromobilität und Umweltrecht tätig. Seit Juni 2018 ist sie Geschäftsführerin der RGC Manager GmbH & Co. KG.

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RA’in Pia Bernhart absolvierte ihr Erstes juristisches Staatsexamen und einen Master in Betriebswirtschaftslehre in Wiesbaden. Im Jahr 2020 erhielt sie nach Abschluss des Referendariats in Düsseldorf die Zulassung als Rechtsanwältin. Seitdem ist sie im Bereich der Verbraucherrechte tätig und unterstützt seit 2022 die Firma RightNow als Legal Innovation Managerin.

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