Chatbot Mandatsannahme

„Der KI-Chatbot sammelt die Informationen auf deren Basis wir entscheiden, ob wir das Mandat annehmen können oder nicht.“

Von Tobias Bagusche

Wie reagieren potenzielle Mandanten und Mandantinnen, wenn sie für den Erstkontakt mit der Kanzlei einen KI-Chatbot um Rat fragen können? Und welche Auswirkungen hat dies auf die kanzleiinternen Prozesse? Die Kanzlei Bagusche + Partner setzt in der digitalen Mandantenkommunikation u. a. einen KI-Chatbot ein und berichtet im Interview über ihre Erfahrungen. Rechtsanwalt Tobias Bagusche verrät außerdem, vor welchen Herausforderungen die Kanzlei bei der digitalen Mandantenkommunikation steht – und wieso Kanzleien, die keine digitalen Kommunikationsmöglichkeiten anbieten, langfristig Mandantinnen und Mandanten verlieren werden.

Herr Bagusche, erzählen Sie uns zu Beginn kurz etwas über den aktuellen Stand der Digitalisierung in Ihrer Kanzlei. Welche Rolle spielt dabei die digitale Mandantenkommunikation?

Wir haben die Digitalisierung in den vergangenen Jahren konsequent vorangetrieben. Papierakten nutzen wir seit Jahren nicht mehr. Sämtliche Unterlagen werden gescannt und elektronisch ver- und bearbeitet. Uns ist sowohl die interne, aber auch die externe Kommunikation wichtig. Letztere meint die Mandantenkommunikation. Zwar sind die Anforderungen der Mandantinnen und Mandanten je nach technischem Stand und Verständnis, Alter, Art des Mandats etc. unterschiedlich, dennoch sehen wir bei allen einen gemeinsamen Nenner. Es geht um die reibungslose und effektive Bearbeitung des Anliegens, sei es ein gerichtliches Verfahren, eine Beratung oder eine vertragsrechtliche Gestaltung. Zudem binden wir ChatGPT und Bing Chat in unsere tägliche Arbeit ein.

Sie setzen in Ihrer Kanzlei unter anderem die WebAkte, eine App und einen KI-Chatbot für die Mandantenkommunikation ein. Welches Tool ist aus Ihrer Sicht für die digitale Mandantenkommunikation am hilfreichsten?

Wichtig ist zunächst, dass die Prozesse abgestimmt sind und der Mandant oder die Mandantin weiß, wie er oder sie was am besten nutzt. Der KI-Chatbot sammelt die erforderlichen Informationen auf deren Basis wir entscheiden, ob wir das Mandat annehmen können oder nicht. Die WebAkte gewährleistet, dass der Mandant oder die Mandantin jederzeit auf alle mandatsbezogenen Informationen Zugriff hat und neue Informationen und Unterlagen hochladen kann. Die App e.syOne vereinfacht diesen Prozess, indem sie mobilen Zugriff auf die WebAkte ermöglicht. Apps dieser Art kennt man auch mittlerweile von Krankenkassen oder Buchhaltungsprogrammen.

Welches Tool wird von den Mandantinnen und Mandanten am besten angenommen?

Jupus – ein auf KI-basierender Chatbot zur Mandatsannahme – hat sich in kurzer Zeit etabliert und wird von den Anfragenden gut angenommen. Wenn es dann zum Mandatsverhältnis kommt, ist die Nutzung der Webakte und der App eigentlich obligatorisch bei uns. Nur sehr wenige Mandanten und Mandantinnen wollen oder können den Service nicht nutzen.

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Wieso haben Sie sich für den Einsatz eines KI-Chatbots auf Ihrer Kanzleiwebsite entschieden?

Wir haben festgellt, dass sich das Verhalten vieler Ratsuchenden grundlegend verändert hat. Mittlerweile haben die Nutzerinnen und Nutzer keine Scheu mehr vor Angeboten dieser Art, eben auch, weil man das aus anderen Zusammenhängen kennt. Wenn die potenzielle Mandantin oder der potenzielle Mandant dann durch die KI gezielt dazu veranlasst wird, die entsprechenden Informationen mitzuteilen, verschafft uns das eine gute Möglichkeit zu entscheiden, ob wir das Mandat annehmen können oder nicht.

Können Sie schon eine Einschätzung geben, ob der KI-Chatbot bei der Mandantenakquise zu einer Optimierung der Prozesse in Ihrer Kanzlei geführt hat?

Das können wir bejahen. Aus Sicht der Kanzleiprozesse ist es natürlich fantastisch, dass man über die Schnittstelle zu unserer Anwaltssoftware die Anfrage mit den entsprechenden Daten direkt als Akte anlegen kann. Das spart erheblich Zeit und Ressourcen.

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der digitalen Mandantenkommunikation und wie bewältigen Sie diese?

Die digitale Kommunikation ist wichtig. Auch wenn die Umsetzung zunächst zeitintensiv ist, hat sie jedoch erhebliche Vorteile, in dem sie der Anwaltschaft unter anderem Unabhängigkeit und ein schnelleres Arbeiten verschafft. Damit kommt sie auch den Mandantinnen und Mandanten zugute. Unerlässlich ist und bleibt aber auch der persönliche Kontakt zum Mandanten. Das Mandatsverhältnis ist ein Vertrauensverhältnis, so dass es auch auf die zwischenmenschliche Ebene ankommt. Die Digitalisierung ersetzt nie die Persönlichkeit eines Menschen. Wenn man als Kanzlei also mit der Zeit gehen möchte und sollte, gilt es das nicht zu vergessen.

Welche Tipps können Sie anderen Kanzleien für die digitale Mandantenkommunikation geben?

Es gibt nach wie vor viele Kanzleien, die klassisch organisiert sind, d. h. Papierakten und die Mandatsannahme per Telefon sind normal. Allerdings gibt es keine andere Branche mit solch einem steten Wandel wie in der Rechtswelt – seien es zum Beispiel neue Rechtsgebiete und Gesetzesreformen, mit denen sich Anwältinnen und Anwälte auseinandersetzen müssen.

Von daher ist dem Anwaltsberuf die lebenslange Weiterbildung und Einarbeitung in neue Themen immanent.

Ohne eine Anpassung an die heutigen digitalen Möglichkeiten wird es mit Sicherheit für viele Kanzleien schwierig, gerade  jüngeren Menschen als Mandantinnen und Mandanten zu gewinnen – das sind aber die Mandanten von morgen.

Dies dürfte auch Geltung für den juristischen Nachwuchs haben. Mittlerweile ist das digitale und KI-unterstützte Lernen im Jurastudium und Referendariat an der Tagesordnung. Berufsensteiger:innen erwarten dann auch in der Praxis eine entsprechend moderne Umgebung. Natürlich erfordert der Umstieg auf eine digitalisierte Kanzlei Zeit, Geld und Nerven. Man muss die technischen Voraussetzungen schaffen und sich das erforderliche Wissen aneignen. Der Nutzen und Mehrwert sind jedoch ganz erheblich.

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Bild: Adobe Stock/©vladwel
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Rechtsanwalt Tobias Bagusche ist Gründungspartner der Bagusche + Partner Rechtsanwälte mit Sitz in Saarbücken, Köln und Berlin. Herr Bagusche berät insbesondere in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Insolvenz- und Sanierungsrecht sowie Vertragsrecht mit dem Schwerpunkt im Automotive-Bereich. Er trägt den Titel Fachanwalt- für Insolvenz- und Sanierungsrecht und ist Mitglied in der ARGE Insolvenz- und Sanierungsrecht beim DAV.

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