Rechtsabteilungen stehen unter Druck, effizienter, digitaler und vor allem kostengünstiger zu arbeiten. Insbesondere in Tech-Unternehmen mit begrenzten Budgets und hohem Wachstum ist die Automatisierung und Standardisierung von rechtlichen Workflows entscheidend. Dieser Artikel beleuchtet den „Do it Yourself" (DIY) Legal Tech-Ansatz, der auf bereits im Unternehmen vorhandenen Tools aufbaut und sehr praxisorientiert ist. DIY Legal Tech bietet die Möglichkeit, schnell und pragmatisch Prozesse in Rechtsabteilungen zu digitalisieren – ohne tief in die Tasche greifen zu müssen oder vermeidbare Brüche zu bestehenden Systemen zu schaffen.
Warum DIY Legal Tech?
Es gibt hunderte von Legal Tech Tools auf dem Markt. Allein der Legal Tech Verband Deutschland listet mehr als 40 Anbieter im Vertragsmanagement, 30 DMS-Systeme und mehr als 15 Matter Management-Tools auf. Diese Tools können schnell teuer werden – ein CLM-System kann in kleinen Organisationen bis zu 20.000 Euro pro Jahr kosten. Ähnlich hoch sind die Kosten für andere Legal Tech-Tools.
Dieser „Legal Tech-Dschungel“ macht es oft schwierig, die richtige Lösung zu finden, geschweige denn zu implementieren. Als General Counsel in schnell wachsenden SaaS-Scale-ups haben wir jedoch erkannt, wie wichtig es ist, wiederkehrende Anfragen und Themen zu automatisieren. Nur so bleibt man effizient und gewinnt Zeit für strategische Themen – und das mit knappen Budgets.
Bestehende Tools sind bereits integriert und erprobt, während neue Tools neue Risiken bergen und umfangreiche Prüfprozesse durchlaufen müssen. Zudem sind kein aufwändiges Onboarding und langwieriges Change Management erforderlich. Daraus ist die Idee entstanden, rechtliche Themen mit dem vorhandenen Tech-Stack zu lösen: DIY Legal Tech.
Konkrete Vorteile von DIY Legal Tech
DIY Legal Tech bietet eine Vielzahl handfester Vorteile, die Rechtsabteilungen helfen, effizienter und kostengünstiger zu arbeiten. Im Folgenden werden einige dieser Vorteile genauer beleuchtet:
1. Kosteneffizienz
DIY Legal Tech ist kosteneffizient. Anstatt hohe Summen für spezialisierte Tools auszugeben, können Unternehmen auf bestehende Softwarelösungen zurückgreifen, die bereits im Einsatz sind und keine zusätzlichen Kosten verursachen. Dies ist insbesondere für kleinere Rechtsabteilungen mit begrenztem Budget vorteilhaft.
2. Anpassungsfähigkeit und Individualisierung
Während spezialisierte Tools standardisierte Prozesse vorgeben, ermöglichen DIY-Lösungen eine maßgeschneiderte Anpassung an die spezifischen Anforderungen der eigenen Prozesse. Dies führt zu einer besseren Integration und Akzeptanz im Team.
3. Schnelle Implementierung und kurze Lernkurve
Die Implementierung von DIY Legal Tech erfolgt schneller als bei neuen Tools, weil die Mitarbeitenden bereits mit den verwendeten Tools vertraut sind. Dies verkürzt die Lernkurve und erleichtert den Übergang zu neuen Arbeitsmethoden. Außerdem lassen sich die meisten Anpassungen intern vornehmen, was den Bedarf an externem Support minimiert.
4. Leichteres Change-Management
Gewohnte Tools erleichtern das Change Management. Mitarbeitende müssen sich nicht an völlig neue Systeme gewöhnen, was die Akzeptanz und Umstellung erheblich erleichtert. Dies fördert erfahrungsgemäß wieder eine schnelle Implementierung.
5. Support durch die eigene IT
Die Unterstützung durch die eigene IT ist ein weiterer Vorteil, da diese bereits mit den eingesetzten Tools vertraut ist. Es besteht keine Abhängigkeit von externen Suppliern.
6. Verbesserung der Zusammenarbeit
DIY Legal Tech verbessert die Zusammenarbeit zwischen der Rechtsabteilung und anderen Unternehmensbereichen erheblich. Durch die Integration rechtlicher Workflows in bestehende Unternehmenstools wird eine nahtlose Zusammenarbeit gefördert. Darüber hinaus trägt DIY Legal Tech zur Compliance und Risikominimierung bei, weil die verwendeten Tools bereits sicherheitsgeprüft sind.

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DIY Legal Tech in der Praxis – Beispiele
Im Folgenden möchten wir einige konkrete Anwendungsbeispiele vorstellen, wie wir Rechtsabteilungen bei der Umsetzung von DIY Legal Tech unterstützt haben.
Jira und ClickUp für Legal Intake und Matter Management
Jira und ClickUp sind hervorragende Projektmanagement-Tools für Legal Intake-Prozesse und Matter Management. Mit umfangreichen Konfigurationsmöglichkeiten können diese Tools die spezifischen Anforderungen einer Rechtsabteilung abbilden, Tickets für neue Anfragen erstellen, Prioritäten setzen und Workflows definieren. Viele Rechtsabteilungen verwenden beispielsweise Jira, um eingehende Rechtsanfragen zu verwalten und deren Bearbeitungsstatus zu verfolgen.
SharePoint und Power Automate für Dokumenten- und Vertragsmanagement
SharePoint ist eine leistungsfähige Plattform für das Dokumenten- und Vertragsmanagement. In Kombination mit Power Automate können komplexe Vertragsworkflows erstellt und Genehmigungsprozesse beschleunigt werden. Power Automate automatisiert wiederkehrende Aufgaben wie das Versenden von Erinnerungen oder das Einholen von Unterschriften. Ein konkreter Anwendungsfall ist die Verwaltung und automatische, fristgerechte Verlängerung bzw. Kündigung bestehender Vertragsverhältnisse.
Confluence und SharePoint als Legal Front Door
Confluence und SharePoint dienen als zentrale Anlaufstelle für die Rechtsabteilung und bieten ein „Legal Front Door". FAQs, Richtlinien und Dokumentationen erleichtern den Zugang zu wichtigen Informationen und reduzieren die Anzahl der Anfragen an die Rechtsabteilung. Beispielsweise nutzen viele Rechtsabteilungen Confluence, um häufig gestellte Fragen und Standardverträge zur Verfügung zu stellen, sodass Mitarbeitende die Antworten selbständig in der aktuellen Version finden können.
Microsoft Copilot für AI-gestützte Automatisierung
Microsoft Copilot, ein KI-gestütztes Tool, kann in verschiedene Microsoft 365-Anwendungen integriert werden und bietet Rechtsabteilungen die Möglichkeit, repetitive Aufgaben noch effizienter zu gestalten. Beispielsweise kann Copilot eingesetzt werden, um Vertragsentwürfe zu erstellen, Dokumente auf Konsistenz zu prüfen oder bei der Erstellung von Berichten zu helfen. Ein spezifischer Anwendungsfall ist die automatisierte Erstellung von Vertragsvorlagen, die aus vorhandenen Daten und Textbausteinen generiert werden können.
Herausforderungen bei der Einführung von DIY Legal Tech
DIY Legal Tech erfordert besondere Expertise beim Scoping, um sicherzustellen, dass die geplanten Lösungen die identifizierten Pain Points passgenau abdecken und reibungslos funktionieren. DIY Legal Tech Lösungen erfordern zudem kontinuierliche Weiterentwicklung, um mit den sich ändernden technologischen und rechtlichen Entwicklungen Schritt zu halten.
Die Anpassung und Konfiguration von Tools wie Jira, ClickUp, SharePoint oder Power Automate für rechtliche Prozesse und die Kollaboration mit anderen Business Units erfordert außerdem technisches Know-how. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der IT-Abteilung und der Rechtsabteilung ist unerlässlich. Hier ist erfahrenes Projekt Management im Bereich DIY Legal Tech sehr hilfreich.
Umsetzung in sechs Schritten
Für eine erfolgreiche Umsetzung von DIY Legal Tech-Projekten haben sich nach unserer Erfahrung folgende Arbeitsschritte nachhaltig bewährt:
1. Discovery Phase
- Identifizierung der bestehenden rechtlichen Prozesse und Pain Points
- Durchführung einer Bestandsaufnahme der bereits im Unternehmen vorhandenen Lösungen
2. Scoping & Design Phase
- Analyse, welche der vorhandenen Tools für rechtliche Prozesse genutzt werden können
- Erarbeitung konkreter Konzepten, wie diese Tools die identifizierten Pain Points adressieren können
3. Ableitung einer konkreten DIY Roadmap
- Entwicklung eines detaillierten Plans zur Umsetzung der DIY Legal Tech-Strategie
- Definition von Meilensteinen und Ownership
4. Demo Phase
- Erstellung von Prototypen oder Workflows für die vorgeschlagenen Lösungen
- Präsentation vor internen Stakeholdern und Einholen von Feedback
5. Detaillierte Umsetzung
- Anpassung der Prototypen basierend auf dem Feedback
- Schrittweise Implementierung der Lösungen in die täglichen Prozesse der Rechtsabteilung und der Business-Teams
6. Go-Live Phase
- Durchführung finaler Tests und Behebung etwaiger Bugs
- Start der Nutzung der neuen DIY Legal Tech-Lösungen im Live-Betrieb
- Mitarbeiterschulung und Kommunikation zur Sicherstellung einer hohen Akzeptanz und eines ausreichenden Verständnisses
Fazit
Es lohnt sich, konkret über DIY Legal Tech nachzudenken. DIY Legal Tech bietet eine kostengünstige und flexible Alternative zu teuren spezialisierten Legal Tech-Tools. Durch die Nutzung bestehender Lösungen wie Jira, ClickUp, SharePoint, Power Automate, Confluence oder Microsoft Copilot können Rechtsabteilungen ihre Prozesse passgenau digitalisieren und optimieren, ohne auf externe Anbieter angewiesen zu sein. DIY Legal Tech fördert die Zusammenarbeit zwischen der Rechtsabteilung und anderen Business Units, reduziert Risiken und erfordert im Vergleich nur minimales Change Management. Das alles führt zu einer höheren Zufriedenheit innerhalb im gesamten Unternehmen.
Dr. Max von Schönfeld, Dr. Eduard Hofert und Maxim Letski
Die Autoren waren als General Counsel in diversen Tech-Unternehmen sowie internationalen Wirtschaftskanzleien tätig und betreiben eine auf die Beratung von SaaS-Geschäftsmodellen und auf Tech-Regulierung spezialisierte Boutique, LR29, sowie eine Legal Ops-Beratung, LEXCHANGE. Ihr Fokus liegt auf der technologiebasierten Optimierung von rechtlichen Prozessen sowie auf der Entwicklung von Legal Tech-Strategien. Sie beraten Scale-Ups und Konzerne in allen Bereichen des Technologierechts und bei der Digitalisierung ihrer rechtlichen Workflows.