Von Christian Orth
Interview mit Spracherkennungs-Spezialist Christian Orth
Lange Schriftsätze gehören für Anwälte zum Alltag. Vor allem beim Diktat sind konventionelle Workflows recht umständlich: Der Anwalt spricht den Schriftsatz auf ein Diktiergerät und gibt ihn dann an seine Assistenz weiter, um es transkribieren zu lassen. Hier verspricht das digitale Diktat mehr Effizienz. Doch was bringen derartige Produkte wirklich? Christian Orth leitet bei der Firma OEVERMANN Networks GmbH den Bereich „Digitales Diktat und Spracherkennung“. Im Interview erklärt er, wie und wann man derartige Tools nutzt.
Herr Orth, was genau ist ein digitales Diktat und was hat das mit Legal Tech zu tun?
Hier wird das Diktieren in die digitale Welt integriert. Während ein Text früher noch abgetippt werden musste, erlaubt es die Technologie der Spracherkennung, das Diktat direkt in ein Word-Dokument \"einzusprechen\". Ein analoger Prozess wird zu einem digitalen Workflow. Hieraus ergeben sich dann zahlreiche Vorteile. Die Technik stellt sicher, dass die Diktate in hoher Qualität bei der Assistenz ankommen. Auch komplexe Arbeitsvorgänge lassen sich automatisiert darstellen. Ein Beispiel für einen solchen Arbeitsablauf ist z. B. der Wechsel des Schreibpools, wenn eine Kollegin oder ein Kollege überlastet ist. Auch das automatische Zuordnen von Diktaten an bestimmte Personen (z. B. Personalabteilung) ist möglich.
Gibt es bestimmte Rechtsbereiche, für die sich ein digitales Diktat besonders empfiehlt?
Das digitale Diktat empfiehlt sich überall dort, wo Text erstellt werden muss. Insbesondere in der Kombination mit einer Spracherkennung (z. B. Dragon) ergeben sich deutliche Vorteile.
Worauf kommt es beim digitalen Diktat an? Muss man beim Diktieren auf eine bestimmte Weise sprechen o. Ä.?
Wer analog diktieren kann, kann es auch digital. Gute Spracherkennungssoftware hat heutzutage eine Genauigkeit von etwa 95 Prozent. Am Anfang muss die Software nur die Stimme des Diktanten kennen lernen. Dazu \"liest\" man ihr ein paar Wörter vor. Neue Fachausdrücke, die so nicht geläufig sind - zum Beispiel zu einem neuen Gesetz - müssen manchmal in das Vokabular der Software abgespeichert werden. Ist dies geschehen, muss man nur noch über den eindiktierten Text drüber schauen, um sprachliche Feinheiten zu prüfen und ggf. die Formatierung anzupassen.
Gibt es technische Voraussetzungen, die man zu erfüllen hat?
Ein modernes EDV-System erfüllt normalerweise die nötigen Anforderungen. Die technischen Anforderungen sollten aber dennoch individuell geprüft werden, weil man je nach Rechtsgebiet, Kanzlei und Workflow ganz unterschiedliche Anforderungen hat – allein schon beim Vokabular eines bestimmten Rechtsgebietes. Hier passen wir dann die Software individuell an.
Wie beeinflusst diese Technik den Workflow in einer Kanzlei insgesamt?
Fehlerquellen werden minimiert und Arbeitsabläufe beschleunigt. Wer beispielsweise vorher mit Kassetten aufgenommen hat, muss sich weder um die Beschriftung noch die Transkription kümmern. Zudem kann die Spracherkennung auch für andere Aufgabenbereiche eingesetzt werden: Wer mit dem Tippen nicht so schnell ist, verwendet die Software, um E-Mails einzusprechen. Das spart natürlich auch noch mal viel Zeit und ist deutlich bequemer.
Wie sind Ihre Erfahrungswerte: Wie viel Zeit sparen die Nutzer des digitalen Diktats in der Regel?
Eine genaue Zeitersparnis lässt sich schwer vorhersagen, da diese sehr stark von der Arbeitsweise und sonstigen individuellen Rahmenbedingungen abhängt. Mit ein paar Richtwerten lässt sich aber schon erahnen, wie viel Zeit sich mit Spracherkennung sparen lässt: Ein/-e gute/-r Sekretär/-in mit 10-Finger-Schreibsystem schafft etwa 60 Silben pro Minute. Das digitale Diktat schafft 120 Silben pro Minute! Wer die Formatierungsfeinheiten beherrscht und mit der Arbeitsweise vertraut ist, kann also auf jeden Fall über die Hälfte der Zeit einsparen, die er normalerweise für ein Diktat braucht. Hinzu kommen der hohe Anwendungskomfort. Man gewöhnt sich also schnell an die neue Arbeitsweise. Unsere Erfahrungen sind bisher durchweg positiv. Die Lösung sorgt für eine Steigerung der Zufriedenheit, sowohl bei den Schreibkräften als auch bei den Diktanten. Insbesondere in der Kombination mit einer Spracherkennung lässt sich hier noch einmal ein deutlicher Zeitvorteil erzielen.
Wie viel kostet eine solche Diktierlösung?
Da die Lösung von uns individuell an die Bedürfnisse des Kunden angepasst wird, lassen sich Pauschalpreise nicht so einfach nennen. Der Preis setzt sich aus ganz unterschiedlichen Faktoren zusammen: Mit welcher Kanzleisoftware arbeiten die Juristen? Haben Sie eine Cloud oder einen Server? Sollen Schnittstellen zu anderen Programmen geschaffen werden? Wie ist es mit der IT-Sicherheit? Möchte man das neueste Diktiergerät oder reicht ein älteres? Um ein seriöses Angebot zu erstellen, ist ein persönliches Beratungsgespräch, in dem der Bedarf analysiert wird, unabdingbar. Damit man jedoch eine ungefähre Idee bekommt, nenne ich folgendes Preisbeispiel: Sagen wir, es gibt eine Kanzlei mit zwei Anwälten und einer Assistenz, die mit einem aktuellen Windows-Betriebssysten arbeitet. Die Spracherkennungssoftware soll auf allen drei Rechnern funktionieren. Bei zwei Diktiergeräten, die auf juristische Terminologie spezialisierte Spracherkennungssoftware sowie der Installation und der technischen Abstimmung kann man mit etwa 2.000 bis 3.000 Euro rechnen. Es ist logisch, dass nicht jede Kanzlei das sofort investieren kann, aber ich würde es mir auf jeden Fall gut überlegen, wenn ich die Chance hätte, über die Hälfte meiner Arbeitszeit einzusparen. Wer heraufinden möchte, wie viel es für ihn kosten würde, kann sich gerne mal auf professionell-diktieren.de über die einzelnen Preise informieren. Für Fragen, stehen wir auch über Chat dort gerne zur Verfügung.
Seit Kurzem gibt es außerdem die Möglichkeit am Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie „go-digital“ teilzunehmen. Sie fördern kleine bis mittelständische Unternehmen, die ihre Arbeitsprozesse digitalisieren möchten. Dies bedeutet für den Teilnehmer, dass er 50 Prozent seiner Beratungs- und Umsetzungskosten sparen kann.
Das Interview führte Bettina Taylor.
Foto: Fotolia.com/Mikhail Glushkov
Christian Orth leitet bei der Firma OEVERMANN Networks GmbH den Bereich „Digitales Diktat und Spracherkennung“. Durch seine langjährige Erfahrung im Bereich Netzwerktechnik und digitales Diktat ist er Fachexperte für Projekte in großen und kleinen EDV-Umgebungen.