Foto (von links nach rechts): Jan-Henrik Busch, Philipp Neumer, Nils Böhm, nicht auf dem Bild: David Pflugpeil

Was Anwälte von Jura-Studenten lernen können: Das Legal Tech Lab im Interview

Von Legal Tech Lab

Während die meisten Universitäten noch am klassischen Jurastudium festhalten, gründen Studierende Initiativen, um sich intensiv mit Legal Tech und Innovation zu beschäftigen - und von ihren Fachveranstaltungen profitieren auch ausgebildete Anwältinnen und Anwälte. Wir haben mit den Initiatoren des Legal Tech Lab der Frankfurter Goethe-Universität gesprochen.

Wann und wie kam die Idee, das Legal Tech Lab zu gründen, zustande?

Jan-Henrik Busch: Philipp und ich sind beide unabhängig voneinander auf das Thema aufmerksam geworden, indem wir Artikel zu Legal Tech gelesen haben. Dies war ungefähr vor einem Jahr. Uns war ziemlich schnell klar, dass wir uns intensiver mit dem Thema „Zukunft der Rechtsbranche und des Rechts\" befassen wollten. Wir stellten dann jedoch schnell fest, dass an der Uni hierzu bisher, bis auf einen Vortrag, den wir besuchten, nichts angeboten wurde. Also beschlossen wir, die Initiative zu gründen, um das Thema präsenter zu machen und andere Studierende für Legal Tech und eine Auseinandersetzung mit den damit einhergehenden Chancen und Risiken zu begeistern.

Wie viele Mitglieder zählen Sie?

Philipp Neumer: Aktuell zählt der Verein knapp 40 Mitglieder. Neben Studierenden aus fünf Fachbereichen (Jura, Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Mathematik, Politikwissenschaften), die den Großteil der Mitglieder ausmachen, sind auch Referendare Mitglieder im Legal Tech Lab. Besonders stolz sind wir hierbei auf die Tatsache, dass wir bereits von Anfang an einen sehr guten Kontakt zum Bereich Informatik hatten und dieser auch bei den Mitgliedern recht stark vertreten ist.

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

David Pflugpeil: Momentan arbeiten wir sehr intensiv an unserem ersten studentischen Tutorium „Coding for Law Students“, bei dem wir Jurastudierenden die Grundzüge der Rechtsinformatik und besonders des Programmierens beibringen möchten. Starten werden wir im November. Das Projekt ist ein Pilotprojekt und wir sind gespannt, welche Erfahrungen wir damit machen werden! Ein anderes Projekt ist ein Kooperationsprojekt mit der Goethe-Uni Law Clinic. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Abfragetools für die Website der Law Clinic, mit denen Ratsuchende einfach feststellen können, ob sie mit ihrem rechtlichen Problem bei der Law Clinic richtig sind, oder ob sie zu einer anderen kostenlosen Beratungseinrichtung müssen. Technische Unterstützung erhalten wir hierfür von dem Düsseldorfer Tax Startup „recht-logisch”. Außerdem unterstützen wir im November einen Hackathon bei ReInvent Law.

Warum brauchen Jurastudenten ein Legal Tech Lab?

Jan-Henrik Busch: Wir sehen das Legal Tech Lab als Anlaufstelle für jeden, der sich tiefgehender mit Themen an der Schnittstelle von Jura und Informationstechnologie beschäftigen möchte. Das Legal Tech Lab brauchen Menschen, die in diesem Bereich neben dem Jurastudium über den Tellerrand hinausschauen möchte. Außerdem brauchen diejenigen Studierenden das Legal Tech Lab, die ganz bewusst den interdisziplinären Austausch zu anderen Fachbereichen - insbesondere zur Informatik - suchen! Und nicht jeder muss sich aktiv einbringen: Veranstaltungen und Events können auch Nicht-Mitglieder und fertig ausgebildete Anwälte besuchen!

Philipp Neumer: Was außerdem sehr von unseren Mitgliedern geschätzt wird, sind die von uns gebotenen Möglichkeiten, mit spannenden Persönlichkeiten in Kontakt zu kommen. Bei verschiedenen Veranstaltungsarten, zum Beispiel mit unseren Partnern, erhalten wir sowohl Einblick in Start-Ups aus dem Legal Tech-Bereich als auch in die Arbeitsweise von großen Kanzleien. So kann sich jeder selbst raussuchen, welche Branche und welche Menschen ihn besonders interessieren und so über das Legal Tech Lab in Kontakt treten.

Gibt es auch Kritiker unter Kommilitonen oder Professoren gegenüber der Initiative?

Nils Böhm: Es gibt durchaus einige Professoren und Kommilitonen, die nicht nachvollziehen können, warum wir machen, was wir machen. Neben diesen Bedenken existieren auch viele Vorurteile gegenüber neuen Technologien, vor allem hinsichtlich Prozessautomation und IT-Sicherheit. Als Initiative möchten wir auch ein Diskussionsforum für solche kritischen Punkte sein und laden daher jeden ein, mit uns darüber zu diskutieren. Insgesamt haben wir aber ein sehr gutes Verhältnis zu den Professoren und anderen Kommilitonen.

Was müssen Juristinnen und Juristen können, um morgen marktfähig zu bleiben?

Nils Böhm: Mit dieser Frage setzen wir uns natürlich intensiv auseinander. Man muss zunächst das Geschäftsmodell eines Anwalts in der Gegenwart sehr gut verstehen. Dies erfordert als Student allerdings viel Aufwand und eigene Anstrengungen, denn an der Universität spielen diese Fragen bis zum 1. Staatsexamen nahezu keine Rolle. Juristen sollten aus unserer Sicht offen gegenüber Neuem sein und sich einer noch unerprobten Technologie nicht sofort verschließen, nur weil Bedenken gegenüber dieser bestehen. Blindlings auf jede neue Technologie zu setzen ist allerdings genauso falsch. Juristen müssen daher stets bereit sein, ihr Arbeitsmodell zu hinterfragen, neue Technologien sinnvoll und realistisch bewerten und nach Möglichkeiten der Integration neuer Technologien in ihrem speziellen Geschäft suchen.

Philipp Neumer: Da kann ich Nils nur zustimmen. Zu erkennen, an welchen Stellen ihre Arbeit durch den Einsatz von Technologie effizienter gestaltet werden kann, wird von erheblichem Vorteil sein. Davon sind oft nicht die Kernfelder der juristischen Arbeit betroffen, sodass durch den Technologie-Einsatz mehr Zeit zur Konzentration auf das „Wesentliche“ bleibt. Dies bedeutet nicht, dass man in der Lage sein muss, diese Technologie selbst zu entwickeln. Allerdings stehen die Chancen für das Erkennen einer solchen Einsatzmöglichkeit höher, wenn ein Grundverständnis für technologische Lösungen vorhanden ist.

Sie schreiben auf Ihrer Webseite, dass Legal Tech für die Rechtsberatung sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Welche sind das?

David Pflugpeil: Durch die Digitalisierung der Rechtsbranche wird es eine Vielzahl an positiven Veränderungen für diese Branche geben. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, wie Branchen, die sich digitalisiert haben, einen enormen Produktivitätszuwachs erfahren haben. Dies erwarten wir auch für den Rechtsmarkt, was sich unter anderem darin äußern könnte, dass immer mehr Menschen Zugang zu (bezahlbarer) juristischer Beratung erhalten. Risiken liegen aus unserer Sicht vor allem in ungeklärten Fragen des Datenschutzes, der IT Sicherheit und der zu starken Substitution von rechtlicher Hilfe.  Beispiel: Wenn es Rechtsberatung irgendwann nur noch oder überwiegend im Internet gibt, werden diejenigen benachteiligt, die das Internet nicht nutzen wollen oder können. Dazu darf es nicht kommen.

Wie unterscheidet sich die kommende Juristen-Generation in Arbeitsweise und beruflicher Haltung von den vorherigen Generationen?

Jan-Henrik Busch: Die juristische Ausbildung und die vermittelten Inhalte haben sich in den letzten Jahren abgesehen von Änderungen in den Prüfungsordnungen kaum verändert. Ob das gut oder schlecht ist würde ich nicht bewerten wollen. Ich denke es kommt sehr stark auf die Ziele und Vorstellungen des Einzelnen an. Das Thema Arbeit und Familie zu vereinbaren wird mit Sicherheit auch in kommenden Juristen-Generationen eine große Rolle spielen und an Relevanz gewinnen. Dennoch glaube ich, dass der Teil der Juristen, der bereits im Studium mit Legal Tech, Legal Design Thinking und Informatik in Berührung gekommen ist, wesentlich besser mit anderen Disziplinen zusammenarbeiten kann. Diese Menschen werden mehr neue Chancen für die juristische Arbeit finden als dies frühere Generationen getan haben. Interdisziplinäres Zusammenarbeiten ist aus unserer Sicht der Schlüssel zum Erfolg in einer digitalisierten Welt.

Die Fragen wurden beantwortet von:

Nils Böhm: Jurastudent 4. Semester
Jan-Henrik Busch: Jurastudent 4. Semester, Mitglied im Vorstand des Legal Tech Lab Frankfurt am Main e.V.
Philipp Neumer: Jurastudent 4. Semester, Mitglied im Vorstand des Legal Tech Lab Frankfurt am Main e.V.
David Pflugpeil: WiWi-Student & Startup-Gründer, Mitglied im Vorstand des Legal Tech Lab Frankfurt am Main e.V.

Foto (von links nach rechts): Jan-Henrik Busch, Philipp Neumer, Nils Böhm, nicht auf dem Bild: David Pflugpeil

Quelle: Legal Tech Lab/Jan-Henrik Busch

Informationen zu den Veranstaltungen des Legal Tech Lab finden Sie auf legaltechlab.de.

Weitere Beiträge

Das Legal Tech Lab ist eine studentische Initiative an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, die sich praxisorientiert mit der Digitalisierung und den damit einhergehenden Veränderungen im Bereich des Rechts auseinandersetzt. Legal Tech und die Digitalisierung haben im Arbeitsalltag von Juristinnen und Juristen und Kanzleien Fuß gefasst – in den Hörsälen ist dies noch nicht der Fall! Die Initiative will Studierenden die Möglichkeit geben, sich besser auf die Arbeit mit dem Recht in ihrem zukünftigen Arbeitsumfeld vorzubereiten. Homepage des Legal Tech Lab

Nach oben scrollen

Immer up-to-date in Sachen Legal Tech
mit dem Legal Tech-Newsletter!

Abonnieren Sie jetzt unseren
Newsletter und erhalten Sie
alle Magazinausgaben und
die neusten Beiträge des Blogs direkt in Ihr Postfach: