Dass profitable Geschäftsmodelle und Rechtsprodukte meist dem „stinknormalen“ Kanzleialltag entspringen, zeigt die RGC Manager GmbH & Co. KG (www.rgc-manager.de). Wie aus einer Mandantenanfrage an die Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN Stück für Stück eine innovative Compliance-Software und schließlich ein eigenständiges Unternehmen wurde, erklärt Geschäftsführerin und Rechtsanwältin Dr. Franziska Lietz (LL.M.) im Interview.
Frau Dr. Lietz, könnten Sie den RGC Manager einmal in wenigen Worten vorstellen?
Der RGC Manager ist eine Web-Software, die vor allem große, produzierende Unternehmen bei der Ermittlung und Einhaltung des Energie-, Umwelt- und Arbeitsschutzrechts in Deutschland unterstützen soll. Diese besteht im Kern aus zwei Bereichen: dem Rechtsregister und dem Workflow-Management.
Der RGC Manager bietet ein stets aktuelles und personalisierbares Rechtsregister. Zu allen Vorschriften liefert der RGC Manager bei Rechtsänderungen Mitteilungen, deren Relevanz für das eigene Unternehmen und die eigenen Prozesse die Nutzer im System bewerten können. Ein Rechtsregister zu führen, wird fast allen Unternehmen heute aus irgendeinem Grund abverlangt, z. B. um ein Audit zu bestehen oder eine Zertifizierung zu erhalten. Mit dem RGC Manager können Unternehmen dies effizient, zeitsparend und lückenlos umsetzen. Darüber hinaus bietet der RGC Manager ein umfassendes Workflow-Managementsystem, mit dem sämtliche Rechtspflichten aus dem Energie-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsrecht leicht erfasst und mit Fristsetzung dem verantwortlichen Mitarbeiter übertragen werden können. Damit werden die vielfältigen und oft unübersichtlichen Pflichten der drei Rechtsgebiete für den Nutzer strukturiert sowie eine geordnete und fristgerechte Abarbeitung sichergestellt und dokumentiert. Derartige Angebote werden vielfach unter dem Stichwort „Compliance“ diskutiert.
Welche Unternehmen nutzen Ihre Software?
Unsere Kunden sind vor allem große Industrieunternehmen, z. B. aus der Stahl-, Kunststoff- und Textilindustrie, sowie Pharma- und Nahrungsmittelkonzerne. Sogar einige DAX-Unternehmen nutzen mittlerweile unser Tool.
Wie kam die Idee, die „klassische“ anwaltliche Beratung in der Kanzlei durch eine Software auszuweiten?
Die Idee zum RGC Manager ist in der Energie-, Umwelt- und Arbeitsrechtskanzlei Ritter Gent Collegen aus Hannover bereits vor einigen Jahren entwickelt worden, noch bevor ich selbst ins Team gekommen bin. Damals wurde die Kanzlei damit beauftragt, für Mandanten ein Register wichtiger Pflichten und Fristen aus dem Energierecht anzulegen. Umgesetzt wurde dies zunächst – wie auch heute noch in vielen Unternehmen üblich – mit einer Excel-Tabelle. Nach mehrfachen Anfragen nach dieser Leistung entschied man sich, einen Programmierer zu beauftragen, hierfür eine Online-Datenbank zu entwickeln, um das Rechtsregister effizient mehreren Mandanten zur Verfügung stellen zu können. Seither arbeiten wir stetig weiter an dem Tool, um dieses noch übersichtlicher und benutzerfreundlicher zu gestalten. Im Jahr 2016 wurde das Tool außerdem um das Gebiet Umweltrecht, im Jahr 2017 um das Gebiet Arbeitssicherheitsrecht erweitert. Im Jahr 2018 haben wir schließlich die RGC Manager GmbH & Co. KG gegründet, die dazu dient, das Produkt weiterzuentwickeln und zu vermarkten. Außerdem bietet die Kanzlei Ritter Gent Collegen ein auf die Anwendung angepasstes Schulungsprogramm an, welches dazu dient, die im Workflow-Bereich zur Verfügung gestellten Rechtspflichten zu erläutern und die Nutzer bei der Bearbeitung optimal zu unterstützen.
Als die Idee dann letztlich stand, wie haben Sie die Entwicklung der Software umgesetzt?
Wie bereits angedeutet, gab es keinen Startschuss mit einem Konzept, einem Businessplan oder einer ausgetüftelten Strategie. Vielmehr ist das alles ganz organisch entstanden und entwickelt sich auch weiterhin stetig fort. Vielfach sind es die Wünsche und Ideen unserer inzwischen zahlreichen Nutzer, die dazu führen, dass wir neue Funktionen entwickeln. Beispielweise haben uns unsere Nutzer darauf gebracht, dass für große Unternehmen, die viele Standorte haben, nicht immer ein einzelner Account sinnvoll ist, sondern der Bedarf besteht, Unter-Accounts für Konzernunternehmen und Standorte mit spezifischen Bedürfnissen anzulegen. Das setzen wir gerade um.
Als mittelgroße Anwaltskanzlei hatten Sie sicherlich nicht alle Kompetenzen, um die Software ins Leben zu rufen. Woher haben Sie diese bekommen?
Da sind wir sicherlich in der Anwaltswelt noch ein Sonderfall: Wir haben tatsächlich einen eigenen Programmierer eingestellt, der unsere Ideen immer direkt umsetzt.
Das war meines Erachtens eine sehr gute Entscheidung, denn so sind wir viel flexibler und können Ideen schneller realisieren, als wenn wir jede Änderung am Tool bei einem externen Dienstleister in Auftrag geben würden.
Wie lange hat die Entwicklung des RGC Managers gedauert?
Das ist praktisch nicht zu beantworten. Die Auseinandersetzung der Kanzlei mit IT-Tools hat etwa 2010 begonnen. Neben denjenigen, die es umgesetzt haben, also Programmierer, haben auch mehrere Anwälte jede Woche teilweise mehrere Stunden in die Entwicklung gesteckt, z. B. in Brainstormings, Meetings und der Formulierung unserer Ideen in einer Form, die der Programmierer letztlich auch umsetzen kann. Ich glaube, wenn mir jemand die Anzahl aller Arbeitsstunden, die bislang in das Tool geflossen sind, nennen würde, würde mir selbst die Luft wegbleiben.
Was hätten Sie am Anfang der Entwicklung gerne vorher gewusst bzw. was würden Sie anderen Kanzleien empfehlen, die ein ähnliches Produkt umsetzen möchten?
Die Partner unserer Kanzlei, die das Projekt damals initiiert haben, haben vermutlich nicht geahnt, wieviel Aufwand eigentlich in so einem Vorhaben steckt. Vielleicht hätte sie das abgeschreckt. Das wäre aber schade, denn heute betrachten wir das Tool als großen Erfolg, da wir bereits viele namhafte Kunden gewonnen haben und sich hierdurch das Projekt auch in wirtschaftlicher Hinsicht auf jeden Fall gelohnt hat.
Kann jede Kanzlei so ein Projekt umsetzen?
Sicherlich ist es heute wesentlich leichter als im Jahr 2010, sich als Kanzlei an ein Legal Tech-Projekt heranzuwagen. Das liegt schon daran, dass bereits viele Projekte umgesetzt wurden, von denen man sich inspirieren lassen kann.
Ich denke aber, dass es wichtig ist, dass die Anwälte, die sich an die Umsetzung machen, eine gewisse IT-Affinität mitbringen und Lust haben, sich auf dieses neue Terrain zu begeben. Nicht zuletzt sollte man bereit sein, sich auf die Kommunikation mit IT-lern einzulassen, was bei uns Juristen auch oft ein Umdenken erfordert.
Wie verlief die Arbeit mit Informatikern? War das immer reibungslos?
Es ist kein Gerücht, dass viele Juristen erstmal gewisse Schwierigkeiten haben, sich mit Technikern zu verständigen. Das ging auch mir so. Umso wichtiger ist meines Erachtens eine lange und beständige Zusammenarbeit. Wenn man sich kennt, dann lernt man auch, die Sprache des anderen zu verstehen. Ich hatte es da etwas leichter, weil ich vor meiner Tätigkeit für RGC vier Jahre an der Technischen Universität Clausthal Drittmittelprojekte im Energiebereich bearbeitet habe, wo ich vor allem mit Elektrotechnikern, Informatikern, Wirtschaftswissenschaftlern, aber auch Soziologen und Stadtplanern zusammenarbeiten durfte.
Ein typisches Missverständnis zwischen uns Anwälten und der IT war eigentlich immer das folgende:
Wenn wir Anwälte dachten, eine Änderung am System ist bestimmt ganz schwierig und dauert irre lange, dann war die Antwort oft: „Ach, das habe ich in einer Stunde geändert“. Wenn wir aber dachten, alles kein Problem, das kann gar nicht aufwändig sein, dann mussten wir uns anhören, dass ein Programmierer dafür viele Monate braucht.
Wie ist Ihre Prognose als Juristin: Wie wird Legal Tech das Berufsbild von Anwälten und Kanzleien in Zukunft verändern?
Ich glaube, die typischen „Unkenrufe“, dass Legal Tech irgendwann die Beratung durch einen menschlichen Anwalt vollkommen überflüssig machen wird, sind unbegründet. Es kann sicherlich so sein, dass uns Legal Tech die einfach strukturierten Fälle, bspw. eine einfache Schadensersatz- oder Kündigungsschutzklage oder das einfache Zusammentragen von rechtlichen Pflichten für einen bestimmten technischen Prozess in Zukunft abnimmt. Wird es aber komplizierter, z. B. in umfangreichen Gerichtsverfahren, dann wird man auf einen Anwalt aus Fleisch und Blut nicht verzichten können. Denn hierbei kommt es regelmäßig auf Wertungen, Abwägungen und Einschätzungen an, die uns die IT (noch) nicht abnehmen kann. Und außerdem werden auch bei wachsendem Legal Tech-Angebot weiterhin viele Juristen gebraucht, die diese Tools konzipieren und mit Inhalt füllen.
Ich gehe daher davon aus, dass zumindest in den nächsten 50 Jahren kein Jurist wegen Legal Tech um seinen Job fürchten muss.
Das Interview führte Bettina Taylor.
Foto: Adobe Stock/Gorodenkoff Productions OU
Dr. Franziska Lietz hat Rechtswissenschaften an der Leibniz Universität Hannover studiert. Nach einem Masterstudium im Umweltrecht und dem Referendariat im Oberlandesgerichtsbezirk Celle war sie in den Jahren 2012 und 2013 in einer auf Energie- und Medizinrecht spezialisierten Wirtschaftskanzlei als Rechtsanwältin tätig. Sie promovierte an der Universität Göttingen zum Thema Stromspeicherung und Power-to-Gas und erhielt für ihre Arbeit im Jahr 2017 den Fakultätspreis der rechtswissenschaftlichen Fakultät. Seit 2016 ist sie wieder als Rechtsanwältin für die Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN mit den Schwerpunkten Stromspeicherung, Elektromobilität und Umweltrecht tätig. Seit Juni 2018 ist sie Geschäftsführerin der RGC Manager GmbH & Co. KG.