Von Simon Ahammer
Die automatisierte Dokumentenerstellung mittels entsprechender Softwarelösungen gibt es bereits seit dem Erscheinen der ersten Textverarbeitungsprogramme in den 1980er-Jahren. Noch unter dem Betriebssystem MS-DOS enthielten diese Applikationen die Möglichkeit, bestimmte Inhaltsabschnitte als sogenannte „Textmarken“ zu kennzeichnen. Diese Bereiche konnten dann mittels Verknüpfung (zum Beispiel zu einer Excel-Datei) verwendet werden, um Serienbriefe zu erstellen, bei welchen in jedem einzelnen Dokument die Textmarken durch Daten (z. B. Anschriftsinformationen) aus der externen Datenquelle ersetzt wurden.
Im Laufe der Jahre wurde diese „Textmarkenfunktion“ immer weiter verfeinert und ausgebaut, sodass es in den aktuellen Versionen von Word nicht nur möglich ist, einfache Datenwerte aus externen Ressourcen in den Text einzubetten, sondern auch definierte Textblöcke in Abhängigkeit von Dateninformationen eingefügt oder gelöscht werden können.
Aber nicht nur Textverarbeitungssoftware aus dem Hause Microsoft unterstützt die Verwendung von Textblöcken und außerhalb gespeicherter Informationen im Rahmen der Erstellung von Dokumenten. Auch alle gängigen Kanzleisoftwarelösungen bieten die Möglichkeit an, mittels Platzhalter Falldaten oder Kontaktinformationen in Textvorlagen einzumischen und somit schnell und effektiv zumindest einfache Dokumente zu erstellen.
Wenn es also bereits seit einiger Zeit von verschiedenen Anbietern Programme gibt, die die Verwendung von Textbausteinen und Informationen aus anderen Datenquellen im Rahmen der Dokumentenerstellung unterstützen, warum gibt es weltweit mehr als 200 – meist cloudbasierte – zusätzliche Spezialapplikationen, die sich auf die Dokumentenerstellung bzw. -automatisierung für den Rechtsmarkt konzentrieren?
1. Grenzen der automatisierten Dokumentenerstellung mit Word und Standardkanzleisoftware
Wer sich bereits der Thematik „klauselbasierter Dokumentenerstellung“ mit den vorhandenen „Bordmitteln“ Microsoft Word und/oder Kanzleisoftware beschäftigt hat, wird meist sehr schnell an die „Grenzen“ der genannten Systeme in diesem Kontext stoßen.
1.1 Fehlende Möglichkeit der Abbildung von komplexen Textstrukturen
Insbesondere bei komplexeren Vorlagen, bei denen im Rahmen der automatischen Erstellung einzelne Textpassagen fallspezifisch verändert werden müssen können die gewünschten Festlegungen und Regeln nicht oder nur mit sehr hohen technischen und zeitlichen Aufwänden umgesetzt werden.
Ein Beispiel für ein solches Szenario: In einem Dokument muss – abhängig vom Fall – entweder Textblock A oder Textblock B eingefügt werden. Zusätzlich zu dieser Entscheidung muss auch definiert werden, ob im weiteren Erstellungsprozess innerhalb der zuvor ausgewählten Textvariante die möglichen Textblöcke C oder D eingefügt werden sollen.
1.2 Fehlende Unterstützung von grammatikalischen Regeln
Des Weiteren unterstützen Standardtextverarbeitungsprogramme viele grammatikalische Sprachregeln, die bei der Erstellung des Inhaltes zu berücksichtigen sind (z. B. Passivpronomen) oder fallspezifisch bei der Erstellung eines Dokuments angepasst werden müssen (z. B. er/sie) nur sehr unzureichend. Selbst wenn diese Funktionen unterstützt werden, so sind diese „Varianten“ meist nur mit hohem „Programmieraufwand“ bezüglich der einzufügenden Textfeldformeln umsetzbar.
1.3 Unkomfortable Aktualisierung von Textbausteinen und Vorlagen
Auch die Verwaltung und Pflege von Textvorlagen und Textklauseln gestaltet sich insbesondere bei Verwendung von Microsoft Word, aber auch bei vielen der auf dem Markt erhältlichen Kanzleisoftwarelösungen meist sehr komplex und aufwendig. Das führt dazu, dass Textinhalte und Erstellungsregeln nicht regelmäßig aktualisiert und ergänzt werden mit der Folge, dass Vorlagen, Textbausteine und Erstellungsregeln schnell nicht mehr der aktuellen Rechtslage entsprechen und daher unbrauchbar werden.
1.4 Fehlende Versionierung und Berechtigungsvergabe
Darüber hinaus fehlt es den oben genannten Systemen häufig an der Möglichkeit, Vorlagen und Textbausteine zu versionieren, um dadurch die Richtigkeit, die Vollständigkeit sowie die Historie der abgelegten Inhalte sicherzustellen. Zudem ist es nicht möglich, unterschiedliche Berechtigungsstufen bezüglich Nutzung und Bearbeitung von erstellten Vorlagen, Regeln und Textklauseln in den Systemen zu hinterlegen.
1.5 Ungenügende Anbindung an externe Systeme
Besonders bei Verwendung der Textblock und Textfeldfunktionalitäten in Microsoft Word bestehen meistens nicht ausreichende und stabile schnittstellenbasierte Verbindungsmöglichkeiten zu externen Datenquellen, um deren Informationen für fallspezifische Verwendung von Textblöcken und Anpassung von Dokumentinhalten zu nutzen. Dies gilt insbesondere für Informationen, welche in Kanzleisoftwarelösungen abgespeichert sind.
2. Funktionsumfang von speziellen Lösungen zur automatischen Dokumentenerstellung
Die speziellen Softwarelösungen für automatisierte Dokumentenerstellung haben sich zum Ziel gesetzt, neben Lösungen für genannte Problemstellungen, den Nutzern und Nutzerinnen eine intuitive und einfach anpassbare Benutzeroberfläche für die Datenerfassung von Informationen zur Verfügung zu stellen, die für den Erstellungsprozess eines Dokuments notwendig sind und nicht von Drittsystemen abgerufen werden können.
Die meisten der in den letzten Jahren auf dem Markt erschienenen Applikationen werden cloudbasiert, als so genannte „Software-as-a-Service“-Anwendungen angeboten.
Für die nutzenden Kanzleien und Rechtsabteilungen bedeutet dies zum einen nur geringe Kosten für die Einrichtung (Onboarding), da keine Programminstallationen in der Kanzlei vor Ort notwendig sind.
Zum anderen entfallen durch die Kanzlei selbst durchzuführende Updateprozesse bzgl. der Softwarelösung, da diese zentral vom Anbieter stets auf dem neusten Stand gehalten wird. Schließlich kann Cloud-Software auch außerhalb der Kanzleiräume einfach und sicher genutzt werden.
3. Vorteile des Einsatzes einer Lösung für automatisierte Dokumentenerstellung
Durch den Einsatz einer Dokumentenautomatisierungssoftware ergeben sich für Kanzleien (und auch Rechtsabteilungen) folgende Vorteile:
- Effizienzsteigerung
- Sicherung gleichbleibender Qualität
- Aufbau und Verbesserung eines kanzleiinternen
Wissensmanagements
3.1 Steigerung der Effizienz
Durch den Einsatz von Speziallösungen im Rahmen der Dokumentenerstellung wird die Bearbeitungszeit für die Ausarbeitung von Texten auf einen Bruchteil des Aufwandes reduziert, der anfallen würde, falls Verträge, Schriftsätze oder sonstige Schreiben jedes Mal manuell unter Nutzung eines zuvor erstellten Textes aus einem ähnlich gelagerten Fall erstellt werden würden.
Dieser Geschwindigkeitsvorteil ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Software den gewünschten Text unter Anwendung der hinterlegten Regeln, Daten aus externen Quellen und Verwendung der Eingaben des Users in den Abfragedialogen der Applikation immer komplett neu „zusammensetzt“.
Dadurch entfällt zum einen das zeitintensive Bearbeiten innerhalb eines vorhandenen kompletten „Ursprungstextes“ (Einfügen, Verändern, Löschen von im Ursprungsdokument vorhanden Textpassagen, Austausch von Informationen z. B. zu Vertragsparteien), sowie der zusätzliche Aufwand einer kontinuierlichen Überprüfung bzgl. der Validität des geänderten Dokuments (z. B. Überprüfung der Nummerierung nach Änderungen; Validierung, ob alle Daten aus der früheren Nutzung entfernt wurden usw.).
3.2 Sicherung gleichbleibender Qualität bei der Dokumentenerstellung
Durch die zentrale Speicherung mit Versionierung aller Vorlagen, Textbausteine und Erstellungsregeln, verbunden mit einem Berechtigungssystem für unterschiedliche Rollen (Autoren, Benutzer) wird in den Applikationen sichergestellt, dass für die Erstellung von Dokumenten unter Verwendung der im System hinterlegten Vorlagen immer nur die aktuell gültigen Textpassagen in der richtigen Art und Weise verwendet werden.
In einigen Anwendungen besteht darüber hinaus die Möglichkeit, Veränderungen des komplett erstellten Dokuments entweder gänzlich für bestimmte Usergruppen zu unterbinden und/oder auf bestimmte Passagen zu beschränken.
Da die Fehlerwahrscheinlichkeit – wie bereits beschrieben – infolge nicht mehr notwendiger manueller Überarbeitungen in den Vorlagentexten erheblich reduziert wird, führt dies insgesamt dazu, dass sich die Qualität der produzierten Dokumente sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich mit Einführung einer Speziallösung zur Dokumentenautomatisierung stark verbessert und in der Folgezeit gleichbleibend auf hohem Niveau verbleibt (entsprechende Pflege der Vorlagen und Textbausteine natürlich vorausgesetzt).
3.3 Aufbau eines kanzleiinternen Wissensmanagements
Der Aufbau einer Vorlage zur automatisierten Dokumentenerstellung erfolgt unter Verwendung von „Strukturierungsregeln“, die einem juristischen Prüfungsschemata gleichen. Verbunden mit dem juristischen Know-how bei der textlichen Formulierung der einzelnen Bausteine selbst wird somit in den Datenbanken der Speziallösungen strukturiert und recherchierbar umfangreiches rechtliches Wissen gespeichert und auch ständig aktualisiert. Dieses Know-how kann kanzleiweit (mit den entsprechenden Rechten) unabhängig von den Autoren und Autorinnen der Vorlagen aufgerufen, ausgewertet und erweitert werden.
Mehr zum Thema Legal Tech im Legal Tech-Magazin Spezial
„Automatisierte Dokumentenerstellung erfolgreich nutzen“
4. Sinnvoller Einsatz von Lösungen zur automatisierten Dokumentenerstellung für unterschiedliche Kanzleistrukturen
Grundsätzlich ist der Einsatz von Speziallösungen zur automatisierten Dokumentenerstellung für alle Kanzleien (unabhängig von der Organisationsgröße) sinnvoll, da die Erstellung von Schriftsätzen, Verträgen und sonstigen Dokumenten zu den Kernaufgaben einer jeden Kanzlei (und auch Rechtsabteilung) gehören.
Die Inhalte benötigen nur zu einem sehr geringen Anteil höchst individuelle schriftliche „Kunstwerke“, die nicht modularisiert für die wiederholte Verwendbarkeit geeignet sind (auch wenn dies derzeit noch einige Berufsträger und Berufsträgerinnen anders sehen).
Natürlich ist es meist nicht notwendig und sinnvoll, jede – derzeit in Word vorliegende – Vorlage einer Kanzlei sofort in eine Speziallösung zur Dokumentenautomatisierung zu migrieren. Aber nach meinen Erfahrungen gibt es in den meisten Kanzleieinheiten genügend Vorlagen, welche aufgrund von Wichtigkeit und Frequenz der Nutzung für eine Integration in einer Applikation zur automatisierten Dokumentenerstellung in Frage kämen und dadurch (unter Berücksichtigung der genannten Vorteile) eine Lizenzierung der entsprechenden Lösung rechtfertigen würden.
5. Tipps für die Suche nach einer passenden Lösung
Was sollte man bei der Auswahl einer Lösung zur automatischen Dokumentenerstellung beachten?
Neben einer intuitiven Bedienbarkeit der Anwendung sind es vor allem zwei Faktoren, auf die bei der Auswahl einer entsprechenden Lösung besonderes Augenmerk
gelegt werden sollte:
- Möglichkeit der Anbindung der Applikation zur automatisierten Dokumentenerstellung an bestehende Softwarelösungen, insbesondere Kanzleiorganisationsprogramme und – falls vorhanden – Dokumentmanagementsysteme
- Ausgestaltung des Vorlagen-Textbausteinmanagements bzgl. Aufwand für Einarbeitung und Pflege
5.1 Anbindung an Kanzleiorganisationssoftware und Dokumentenmanagement
Da in den Datenbanken der Lösungen zur Kanzleiorganisation (z. B. DATEV, AnNo-Text, RA-MICRO, advoware, ACTAPORT etc.) viele Informationen erfasst sind und aktualisiert werden – welche auch im Rahmen der Erstellung von Dokumenten mittels Spezialapplikationen benötigt werden – bedarf es dringend einer Möglichkeit, dass diese Daten auch der Applikation zur automatisierten Dokumentenerstellung mittels Schnittstelle zur Verfügung stehen, um doppelte und zeitaufwendige nochmalige manuelle Eingaben bei der Dokumentenerstellung unbedingt zu vermeiden.
Manche Lösungen bieten daneben zusätzlich die Funktion an, dass nach Fertigstellung eines Dokuments dieses per Schnittstelle auch direkt in die Kanzleiorganisationssoftware oder in ein separates Dokumentenmanagementsystem (DMS) übergeben wird.
Im Gegensatz zur Anbindung von Daten der Kanzleisoftware im Rahmen des Erstellungsvorganges eines Dokuments ist – nach meinen Erfahrungen – die Möglichkeit der automatischen Ablage des fertigen Dokuments per Schnittstelle in die Kanzleisoftware häufig verzichtbar, da eine manuelle Übertragung ausreicht.
5.2 Ausgestaltung des Verwaltungsbereichs
der Softwarelösung: Abwägung erforderlich
Der Erfolg bei Nutzung einer Softwarelösung zur automatisierten Dokumentenerstellung hängt maßgeblich vom Umfang und Aktualität der zur Verfügung gestellten Vorlagen ab. In Abhängigkeit, wie komplex die Erstellung von Vorlagen ausgestaltet werden kann, steigt mit der Anzahl der möglichen Optionen beim „Vorlagenbau“ auch die zwingend notwendige (Einarbeitungs)Zeit für die Bedienung des Systems auf Verwaltungs-/Autorenebene.
Hier gilt es deshalb eine sinnvolle Abwägung der benötigten Funktionalitäten einerseits und der realistisch dauerhaft zur Verfügung stehenden Ressourcen seitens der Kanzlei für Pflege und Ausbau anderseits durchzuführen.
Bild: Adobe Stock/©Feodora
Simon Ahammer ist seit 1998 zugelassener Rechtsanwalt. Bereits während seines Studiums entwickelte er Software für den Rechtsmarkt. Im Rahmen seiner bisherigen beruflichen Laufbahn war Simon Ahammer unter anderem mit der Leitung der internen Softwareentwicklung in einer deutschen Mittelstandskanzlei betraut, als Head of Legal Tech beim juristischen Fachverlag C.H. Beck und als Produktmanager bei Wolters Kluwer tätig. Er berät Kanzleien und Rechtsabteilungen zu Digitalisierungsstrategien. Unter der Adresse legal-tech-nerd.de bloggt er zu Legal Tech-Themen.