digitales Kanzleimanagement

Eine Einführung in das digitale Kanzleimanagement (Teil 2): Beispiele für die Digitalisierung des Kanzleimanagements

Von Simon Ahammer

Im ersten Teil der Artikelreihe über digitales Kanzleimanagement wurden mögliche Einsatzszenarien von digitalen Angeboten im Rahmen des Kanzleimanagements behandelt - und die Frage, wie klassische Kanzleisoftware mit spannenden neuen Applikationen kombiniert werden kann. Nun soll es in Teil 2 um konkrete Beispiele für die Digitalisierung anhand der Fallbearbeitung gehen - beispielsweise um die automatische Erstellung von Dokumenten mit Daten aus der elektronischen Akte.

Lösungen für eine digitalisierte Datenerfassung (Intake)

Während in anderen Branchen schon seit Längerem mittels „Selfservices“ den Kunden und Kundinnen mehr und mehr „Eigenleistungen“ auferlegt werden (z. B. Online-Check-In bei Flug- und Bahnreisen) erfolgt die (Erst-)Aufnahme von Falldaten in Kanzleien derzeit meist durch das Sekretariat der Kanzleien oder durch die Anwältin bzw. den Anwalt selbst. Benötigte Kontaktinformationen und fallspezifische Daten werden von der potenziellen Mandantschaft mündlich oder per E-Mail abgefragt und dann händisch in die vorhandene Kanzleisoftware übertragen.

Sogenannte „Intake“-Lösungen ermöglichen es, diese zeitaufwendige und monotone Tätigkeit auf den Mandanten bzw. die Mandantin zu übertragen. Die entsprechenden elektronischen Formulare können individuell angepasst werden. Derartige Applikationen ermöglichen zudem bereits im Rahmen der Erfassung, erste automatische Validitätsprüfungen durchzuführen und der Kanzlei die Ergebnisse, verbunden mit den erfassten Daten, intern zur Verfügung zu stellen.

Die seitens der Mandantschaft selbst erfassten Informationen können – nach einer internen Plausibilitätsprüfung – mit einem Klick in die Kanzleisoftware zur weiteren elektronischen Verwendung übertragen werden. Die Eingabeformulare derartiger Lösungen können entweder direkt in die Homepage der Kanzlei integriert oder – wenn eine größere Kontrolle über den Prozess erwünscht ist – per E-Mail als Link an den Mandanten oder die Mandantin übersandt werden.

Automatische Erstellung von Dokumenten

Bei den meisten auf dem Markt befindlichen Kanzleiorganisationsprogrammen besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Erstellung von Texten, Daten aus der elektronischen Akte, z. B. Anschriften oder Aktenzeichen, automatisch in die Dokumente einfließen zu lassen. Der komplette Zusammenbau von Dokumenten aus modularen Textmodulen unter Nutzung von datengetriebenen Entscheidungslogiken ist jedoch bei den meisten Lösungen von Kanzleisoftware nicht implementiert. Ebenso unterstützen viele derzeit auf dem Markt befindliche Softwarelösungen die Verwaltung, Aktualisierung und Versionierung von Dokumentvorlagen in nur sehr rudimentären Umfang.

Die eben genannten Funktionalitäten sind Kernbestandteile sogenannter „Dokument-Assembly-Lösungen“, die diese benutzerfreundlich mit einem stringenten Berechtigungskonzept umsetzen und im Rahmen des automatischen Dokumentenerstellungsprozesses via Schnittstelle auf die fallspezifischen Daten aus der Kanzleisoftware zugreifen können. Mittels dieser Programme ist es möglich, den Erstellungsprozess vor allem (aber nicht nur) bei standardisierten Mandatstypen, z. B. bei der Schadensregulierung von Verkehrsunfällen, Mietangelegenheiten, arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzverfahren, erheblich zu beschleunigen und dadurch die Effizienz der Bearbeitung zu steigern.

Optimiertes Workflowmanagement

Die Organisation eines Wiedervorlagen- und Fristenmanagements ist in jeder Kanzlei – schon aus berufs- und haftungsrechtlichen Gründen – zwingend notwendig. Fast alle auf dem Markt befindlichen Kanzleisoftwarelösungen bieten hierfür entsprechende Funktionalitäten an.

Bislang beschränken sich die Umsetzungen jedoch meist auf die Ausgabe von Hinweisen und Warnungen, verbunden mit einigen Reportfunktionalitäten (Beispiel: Übersichtsanzeige aller fälligen Fristen innerhalb der nächsten 14 Tage). Sogenannte „Workflow“- Anwendungen können dieses Wiedervorlagen- und Fristenmanagement erheblich effektiver und produktiver ausgestalten, in dem sie es Nutzern und Nutzerinnen  ermöglichen, neben der Anzeige des Ablaufdatums einer Frist weitere Aktionen bei Fälligkeit automatisch ablaufen zu lassen.

Beispielsweise können derartige Applikationen bei Fristende automatisch prüfen, ob ein Mandant oder eine Mandantin bereits alle notwendigen Informationen für einen Fall übersandt hat und gegebenenfalls, ohne weiteres Tätigwerden durch das Sekretariat, noch fehlende Daten mittels automatisch erstellter E-Mail bei der Mandantschaft anfordern. Zusätzlich könnte eine weitere Wiedervorlage mit einer neuen Fälligkeit im System hinterlegt werden. Sind hingegen alle Daten vorhanden, so kann in einer solchen Workflow-Lösung eingestellt werden, dass automatisch ein Schreiben mit den nun vorliegenden Informationen entworfen und dem Anwalt oder der Anwältin zur Sichtung und Unterzeichnung bereitgestellt wird.

Wie aus dem eben beschriebenen Beispiel ersichtlich, können durch den Einsatz entsprechender Applikationen erhebliche Optimierungen bei den Arbeitsabläufen einer Kanzlei umgesetzt werden. Dabei ist die Nutzung derartiger Systeme jedoch nicht nur auf das Wiedervorlagen- und Fristenmanagement beschränkt: Vielmehr können eine Vielzahl kanzleiinterner Prozesse im Rahmen des Lebenszyklus eines Mandats automatisiert werden.

Interne und externe Kommunikation

Bislang erfolgte die externe Kommunikation mit Mandanten und Mandantinnen meist über Telefon und E-Mail. Intern wird häufig (vor allem seit der Corona-Pandemie) für Arbeitsanweisungen ebenfalls auf diese Kommunikationsmedien gesetzt.

Die Verwendung von E-Mails hat unter anderem jedoch den Nachteil, dass im Rahmen eines Austausches schnell der Kontext verlorengeht. Dies gilt vor allem dann, wenn bei der Beantwortung einer E-Mail nicht direkt auf die eingehende Nachricht geantwortet wird, sondern eine neue E-Mail erstellt und versandt wird. Das hat zur Folge, dass beim Empfänger bzw. der Empfängerin einer solchen „losgelösten“ Antwort „die Recherche“ beginnt, was mit dieser Nachricht „eigentlich gemeint sei“.

Der Einsatz von Kollaborationslösungen wie Microsoft Teams oder Slack haben demgegenüber den Vorteil, dass immer die gesamte Kommunikation zu einem bestimmten Thema vollständig im Chatverlauf hinterlegt und damit dokumentiert ist.

Darüber hinaus bieten sich derartige Lösungen für die interne Kommunikation – besonders in Zeiten der Arbeit im Homeoffice – auch deshalb an, da diese eine offene Systemarchitektur haben und zusehends Drittanbieter von Softwarelösungen hiervon Gebrauch machen, um relevante Informationen aus deren Anwendungen im Rahmen einer Chat-Kommunikation anzuzeigen und bearbeitungsfähig zu machen. Das Chatprogramm wird damit zur zentralen „Anlaufstelle“ für alle Interaktionen des Benutzers bzw. der Benutzerin. Es gibt bereits erste in Entwicklung befindliche Lösungen für den Rechtsmarkt, die ein Wiedervorlagen- und Fristenmanagement innerhalb eines Chat-Verlaufs ermöglichen. Auch die Erstellung von Dokumenten kann innerhalb einer Chat-Kommunikation angestoßen werden.

Für den User entfällt dadurch der Wechsel zwischen unterschiedlichen Programmen mit unterschiedlichen Bildschirmoberflächen, der häufig als nervig und störend empfunden wird.

Da viele Kollaborationslösungen es ermöglichen, externe Personen zu bestimmten Kommunikationskanälen einzuladen, kann zudem der Informationsaustausch mit externen Parteien erheblich vereinfacht und optimiert werden.

Effizientes Wissensmanagement

Große und mittelständische Kanzleien leisten sich „den Luxus“, dezidierte Teams einzusetzen, um Wissen für die Kanzlei aus erstellten Dokumenten und abgeschlossenen Mandaten zu extrahieren und in aufbereiteter Form, zum Beispiel durch Anonymisierung von Textvorlagen, wieder für zukünftige Fallbearbeitungen zur Verfügung zu stellen.

Kleineren Kanzleien fehlen hierfür meist die Zeit sowie die notwendigen Ressourcen, um einen entsprechenden Aufbau eines personenunabhängigen Wissenspools umzusetzen. Ein digitales Kanzleimanagement kann jedoch dazu beitragen, dass es auch für kleinere Einheiten möglich wird, wichtiges Know-how zu sammeln und wiederzuverwenden. Bei einem hauptsächlich digitalisiert umgesetzten Fallbearbeitungsmanagement unter Nutzung von Applikationen zur Workflowsteuerung, Dokumentenerstellung und Fallldatenerfassung verbunden mit einer modernen Kanzleisoftware liegen sehr viele Informationen, die im Rahmen eines Mandats erhalten, erstellt und weiterverarbeitet wurden, strukturiert in elektronischer Form vor. Diese lassen sich dadurch sehr viel einfacher als bisher suchen, auswerten und wiederverwenden.

Fazit: Digitales Kanzleimanagement führt zu mehr Kanzleierfolg

Digitales Kanzleimanagement bedeutet erheblich mehr als die Nutzung einer Kanzleisoftware zur Verwaltung von Frist- und Wiedervorlagen und zur Speicherung von Mandatsinformationen. Durch moderne cloudbasierte Lösungen, die vernetzt zusammenarbeiten, können die Arbeitsprozesse innerhalb der Kanzlei und die interne und externe Kommunikation erheblich „entschlackt“ und optimiert werden, was zu einem besseren Arbeitsumfeld (Reduzierung von stupiden, wiederkehrenden Tätigkeiten), besserer Wirtschaftlichkeit und dadurch größerer Wettbewerbsfähigkeit einer Kanzlei führt.

Während die Digitalisierung des Rechtsmarkts lange im „Dornröschenschlaf“ verharrt war, nimmt diese nun zunehmend an Fahrt auf. Jede Anwaltskanzlei sollte daher auch digitales Kanzleimanagement als Zeichen der Zeit erkennen und diese möglichst bald zukunftsfähig, d. h. zunehmend digitalisiert, ausrichten.

 

Foto: Adobe Stock/©Olesia_g
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Simon Ahammer ist seit 1998 zugelassener Rechtsanwalt. Bereits während seines Studiums entwickelte er Software für den Rechtsmarkt. Im Rahmen seiner bisherigen beruflichen Laufbahn war Simon Ahammer unter anderem mit der Leitung der internen Softwareentwicklung in einer deutschen Mittelstandskanzlei betraut, als Head of Legal Tech beim juristischen Fachverlag C.H. Beck und als Produktmanager bei Wolters Kluwer tätig. Er berät Kanzleien und Rechtsabteilungen zu Digitalisierungsstrategien. Unter der Adresse legal-tech-nerd.de bloggt er zu Legal Tech-Themen.

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