Legal Meets Watson: Reisebericht mit Tipps für Ihre Legal Tech-Strategie

Von Ilona Cosack

Wie können auch kleine und mittlere Kanzleien von Legal Tech profitieren? Eine Reise zum IBM Research Lab nach Zürich brachte Aufklärung.

Veranstalter der Reise im Vorfeld des Anwaltszukunftskongresses 2018 waren die Hans Soldan GmbH und Wolters Kluwer Deutschland. Schnell waren die 30 Teilnehmerplätze ausgebucht. Die Gruppe war bunt gemischt: Einzelanwälte, mittlere Kanzleien und Vertreter von Großkanzleien waren dabei. Auch Verlage, Software- und IT-Unternehmen sowie der DAV mit zwei Anwaltsvereins-Vorsitzenden und der Legal Tech-Ausschuss der BRAK („wir haben nichts mit dem beA zu tun“) schickten kundige Personen, um Watson kennenzulernen.

Bekannt wurde Watson 2011, als er in der Spielshow „Jeopardy“ gegen menschliche Teilnehmer gewann. Watson unterstützt viele Branchen, aber kann Watson auch Jura? IBM gab uns einen exklusiven Einblick. Bei der Führung erfahren wir, dass die einstöckigen Gebäude des Forschungszentrums extra so in die Landschaft eingepasst wurden, dass Vibrationen weitgehend vermieden werden, um die Forschung zu erleichtern.

Status Quo der Watson Entwicklung

Dr. Stefan Mück, CTO Cognitive Process Transformation DACH, informierte über die aktuelle Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI), die Watson ausmacht. Ähnlich wie der Mensch muss die KI lernen. Bestimmte Begriffe werden markiert und Bezüge zueinander hergestellt. Watson wird permanent weiterentwickelt, Fragen und Antworten werden mit kognitiven Schritten eingelesen und, falls nicht ausreichend, mit Zusatzinformationen versehen. Die wichtigste Erkenntnis: Watson sucht sich aus dem gigantischen Datenbestand Antworten aus und dabei versteht das System Dinge, die man vorher nicht trainiert hat.

Erwartungshaltung hat sich verändert

Dr. Costas Bekas, Leiter der Gruppe Foundations of Cognitive Computing bei IBM, stellte die Erwartungshaltung der Young Generation vor: „I want it, I click it, I get it“. Damit ich es bekomme, muss ich meine Daten geben. Wer profitiert von den Daten? Die aktuelle Entwicklung bei Facebook zeigt, dass noch viele Fragen zu klären sind. Dr. Bekas wies darauf hin, dass viele unstrukturierte Daten benötigt würden, um mit Hilfe von KI strukturierte Daten zu finden. Im Gegensatz zu Google könne Watson als Besonderheit erkennen, wenn in einem Bild auch Text vorhanden ist. Die KI könne durch eine Kombination von vielen Algorithmen und schon gelernten Dokumenten auch für jeden Paragrafen Lösungen anbieten.

Bucerius meets Watson

Dirk Hartung, Executive Director Legal Technology bei der Bucerius Law School, zeigte, wie Studenten dort lernen, mit Watson zu arbeiten und selbst eine Anwendung zu programmieren. 2017 haben Jura- und Informatikstudierende innerhalb von drei Wochen mit der Aufgabenstellung „Create a web app!“ gemeinsam mit dem Watson Knowledge Studio und dem Sprachtool ein LawNet Tool entwickelt, das Gerichtsentscheidungen nach Aktenzeichen, Normen und Verweisen durchsucht. Mit LawStats wurden Statistiken entwickelt, welche Landgerichtsentscheidungen erfolgreich oder nicht erfolgreich mit der Revision angefochten werden konnten. Die erste Variante dieses Tools hat noch nicht ganz funktioniert, zu viele unklare Entscheidungen verwässerten das Ganze. 2018 konnte mit LawStats 2.0 ein funktionierendes Revisionstool entwickelt werden.

IBM Watson & Prime Legal

Mit Spannung erwartet wurde der Legal Tech-Pionier und Rechtsanwalt Michael Friedmann. Er revolutionierte bereits im Jahr 2000 mit 123recht.net und 2004 mit frag-einen-anwalt.de die Rechtsberatung. Mittlerweile gibt es für alle Rechtsgebiete eine Beratung zum Festpreis. Ab dem 3. Quartal 2018 soll Prime Legal mit Hilfe von Watson rechtliche Fragen schnell und in hoher Qualität beantworten. Dazu werden die Daten aus über 180.000 Beratungen genutzt. Darüber hinaus soll ein exzellenter Kundenservice erfolgen. Wissen für Anwälte soll demokratisiert werden. Friedmann machte deutlich, dass in „sehr naher Zukunft“ intelligente Expertensysteme Juristen bei der Arbeit unterstützen und teilweise ersetzen werden. Einfache Rechtsprobleme könnten über Chat-Systeme gelöst werden. Neue juristische Berufe würden entstehen: Schnittstelle zwischen IT und Recht, aber Juristen würden nach wie vor das „Interface“ sein.

Krönender Abschluss der Tour war ein gemeinsamer Workshop. Im Vorfeld konnten die Teilnehmer sich an der Watson-Konsole anmelden und dann im Livebetrieb selbst mit Watson experimentieren. Anhand von 500 durch Michael Friedmann zur Verfügung gestellten Dokumenten im Familienrecht konnten die Teilnehmer die Tauglichkeit des Systems anhand von Fragen überprüfen.

Ausblick für Kanzleien – Zehn Schritte zur Weiterentwicklung

Dunkle Wolken oder Licht am Horizont? Das Soldan Institut kam beim Berufsrechtsbarometer 20171 zur Erkenntnis, dass 44 Prozent der befragten Kanzleien befürchten, dass Legal Tech-Anbieter Anwälte aus dem klassischen Geschäft drängen und 33 Prozent sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt haben.

Im Rückblick auf die 2013 erschienene DAV-Zukunftsstudie „Anwalt 2030“ stellt der scheidende DAV-Geschäftsführer Dr. Cord Brügmann2 fest, dass 2013 noch niemand von Legal Tech sprach. Das Wissensmonopol der Anwälte schrumpft weiter. Die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten.

So nutzen Sie Legal Tech für sich:

  1. Keine Angst vor Digitalisierung und Legal Tech!
  2. Auch ein Gegner, Kollege, Richter oder eben Legal Tech ist einfacher einzuschätzen, wenn man ihn kennt. Befassen Sie sich mit dem Thema.
  3. Überprüfen Sie Ihr Geschäftsmodell: Wo ist Handlungsbedarf?
  4. Wären Sie gerne Mandant in Ihrer Kanzlei? (Finden Sie Schwächen und beseitigen Sie sie).
  5. Legen Sie ein Budget fest.
  6. Beginnen Sie mit kleinen Schritten.
  7. Überprüfen Sie regelmäßig (z.B. quartalsmäßig) den Erfolg.
  8. Lassen Sie sich durch Rückschritte nicht entmutigen.
  9. Nutzen Sie Netzwerke und Gemeinschaften.
  10. Beginnen Sie jetzt! Es gibt nie einen besseren Zeitpunkt. Erstellen Sie Ihren eigenen Zeitplan und halten Sie ihn wie eine Notfrist ein!
1 AnwBl 3/2018, S. 160-161
2 AnwBl 4/2018, S. 242-243
Fotos: Ilona Cosack

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Ilona Cosack, Inhaberin der ABC Anwalts-
Beratung Cosack Fachberatung für Rechtsanwälte und Notare, berät und begleitet seit 1998 Anwaltskanzleien ganzheitlich als Expertin mit dem Schwerpunkt Anwältin und Anwalt als Unternehmer. Sie ist Autorin des Praxishandbuches Anwaltsmarketing und des Leitfadens für jede Anwaltskanzlei Digitalisierung erfolgreich umsetzen. Darüber hinaus gibt sie in Fachpublikationen und als Referentin, auch zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach, wertvolle Hinweise zum praktischen Einsatz in der Kanzlei.

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