Urteile Künstliche Intelligenz

Gerichtsentscheidungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz

Fünf wegweisende Urteile im Überblick

Da der Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) im Vergleich zu manch anderen Gebieten noch sehr jung ist, gab es lange Zeit noch gar keine Urteile zu dieser Thematik. Mittlerweile ergingen jedoch einige – zum Teil sogar wegweisende – Urteile. Einige davon sollen hier nun überblicksartig vorgestellt werden.

1. Meta darf personenbezogene Daten für KI-Trai­ning ver­wenden (OLG Köln - Beschluss vom 23.05.2025 - Az. UKI. 2/25)

In diesem Urteil ging es darum, ob Meta die personenbezogenen Daten der Nutzer und Nutzerinnen ihrer Plattformdienste Facebook und Instagram ohne Einwilligung für das Training ihres KI-Modells nutzen darf. Im April hatte Meta angekündigt, ab dem 27. Mai 2025 die öffentlichen Daten (z. B. Name, Nutzername, Profilbilder etc.) ihrer volljährigen Nutzerinnen und Nutzer für das Training ihres Sprachmodells „LLaMA" zu verwenden. Wer davon nicht betroffen sein wollte, konnte bis zum 26. Mai 2025 widersprechen. Die Verbraucherzentrale NRW sah in dieser Vorgehensweise einen Verstoß gegen die DSGVO und mahnte Meta daraufhin erfolglos ab. Am 12.05.2025 beantragte sie deshalb beim OLG Köln die einstweilige Verfügung.

Das OLG Köln hält die Datenverarbeitung für gerechtfertigt nach Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 Buchst. f DSGVO, da ein berechtigtes Interesse daran besteht, KI-Modelle mit Nutzerdaten trainieren zu lassen. Die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen in diesem Fall ebenfalls nicht.

Angesichts der derzeitigen Entwicklungen und den mit großen KI-Modellen einhergehenden wirtschaftlichen Möglichkeiten besteht nämlich ein legitimer Zweck dafür, dass Unternehmen Daten für KI-Trainingszwecke nutzen. Dieser Zweck wird sogar in Erwägungsgrund 8 der Verordnung über Künstliche Intelligenz (AI Act) anerkannt. Die Datenverarbeitung hielt das Gericht außerdem für erforderlich. Ein gleich geeignetes, milderes Mittel, wie eine zuverlässige Anonymisierung der großen Datenbestände, gibt es nämlich nicht. Darüber hinaus hält Meta sich auch an die Vorgaben des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA). Dort werden verschiedene Maßnahmen aufgezeigt, wie die Verarbeitung von KI-Trainingsdaten datenschutzkonform gestaltet werden kann.

Damit darf Meta die Daten der Facebook- und Instagram-User für das KI-Training nutzen. Ein Widerspruch ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar noch möglich. Alle Daten, die jedoch einmal in die KI eingeflossen sind, können jedoch nur schwer wieder zurückgeholt werden.

2. Erstellung von KI-Trainingsdatensätzen ist urheberrechtlich unbedenklich (LG Hamburg – Urteil vom 27.09.2024 – Az. 310 O 227/23)

Der Fotograf Robert Kneschke klagte gegen den gemeinnützigen Verein LAION, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) durch Bereitstellung von offenen Datensätzen zu fördern. Der Verein hatte ein Bild des Fotografen  für den Trainingsdatensatz verwendet. Gefunden hatte der Verein das Bild auf der Website Bigstock, auf welcher Robert Kneschke das Bild hochgeladen hatte. In den Nutzungsbedingungen von Bigstock steht allerdings, dass die Bilder nicht für „automated programms" genutzt werden dürfen. Es stellte sich also die Frage, ob die Nutzung des Fotos durch LAION zulässig war.

Das LG Hamburg war der Meinung, dass die Vervielfältigung der Bilddaten unter die Schrankenregelung des § 60d UrhG für wissenschaftliches Text- und Datamining (TDM) fällt und fällte damit ein geradezu wegweisendes Urteil im Bereich KI. Zum einen wurde nämlich bereits in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, dass gerade das maschinelle Lernen als Basis-Technologie für KI von besonderer Bedeutung ist. Zum anderen verweist das Gericht auf die im August 2024 eingeführte KI-Verordnung (EU-Verordnung 2024/1689), in welcher in Artikel 53 Abs. 1 gerade betont wird, dass auch die Erstellung von Datensätzen für das Training künstlicher neuronaler Netze unter die Schrankenregelung des Text-und-Datamining fällt. Bislang kursierte oft die Meinung, dass das Text- und Datamining nicht auf die Erstellung von Trainingsdatensätzen anwendbar ist, weil der Gesetzgeber die KI bei der Schaffung der Schrankenregelung des § 44b UrhG und § 60d UrhG schließlich bewusst nicht berücksichtigt hat. Diese Meinung ist allerdings durch den Verweis in der KI-Verordnung auf das Text- und Data-Mining in Art. 4 DSM-Richtlinie als hinfällig anzusehen.

3. Künstliche Intelligenz ist kein Erfinder (BGH – Beschluss vom 11.06.2024 - Az. 11 W (pat) 5/21)

Im diesem Beschluss des BGH geht es um die Künstliche Intelligenz namens „DABUS“ oder auch: Device for the Autonomous Bootstrapping of Unified Sentience. Diese KI sollte im Rahmen einer Patentanmeldung für einen Lebensmittel- bzw. Getränkebehälter als Erfinder eingetragen werden, was das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) allerdings ablehnte, da es der Meinung ist, dass Erfinder oder Erfinderinnen nur natürliche Personen sein können. Der Entwickler von DABUS  – Stephen Thaler – legte gegen diese Entscheidung Beschwerde zum Bundespatentgericht (BPatG) ein. Dabei sollte die Erfinderbenennung jedoch folgendermaßen ergänzt werden: „Stephen Thaler, der die künstliche Intelligenz DABUS dazu veranlasst hat, die Erfindung zu generieren“. Diese Formulierung ließ das BPatG als „Erfinder" zu, da diese Formulierung mit den gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Benennung gemäß § 7 Abs. 2 Patentverordnung (PatV) vereinbar ist.

Gegen diese Entscheidung wiederum legte die Präsidentin des DPMA Rechtsbeschwerde zum BGH ein. Der zuständige X. Zivilsenat bestätigte jedoch die Entscheidung des BPatG. Erfinder gemäß § 37 Abs. 1 PatG kann zwar nur eine natürliche Person sein, denn ein maschinelles, aus Hard- oder Software bestehendes System kann auch dann nicht als Erfinder benannt werden, wenn es über Funktionen künstlicher Intelligenz verfügt. Es genügt jedoch, wenn ein menschlicher Beitrag den Gesamterfolg wesentlich beeinflusst. Aus Sicht des Senats kommt es dabei letztlich nicht auf Art und Intensität des menschlichen Beitrages an. Derzeit sind Systeme ohne jedwede menschliche Einflussnahme nämlich nicht existent, sodass die Herleitung der Erfinderstellung auch bei Einsatz von KI in jedem Fall möglich ist. Künstliche Intelligenzen können laut BGH derzeit also noch nicht ganz ohne menschlichen Einfluss etwas erfinden. Vorliegend wird DABUS gerade nicht als Miterfinder genannt, sondern nur als Mittel. Als Erfinder wird eindeutig Stephen Thaler benannt. Dies stellte der Senat in seiner Leitsatzentscheidung noch einmal klar.

4. Keine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats bei der Einführung von ChatGPT (ArbG Hamburg - Beschluss vom 16.01.2024 - Az: 24 BVGa 1/24)

Ein Hamburger Medizintechnikhersteller, der rund 1600 Mitarbeitende am Stammsitz beschäftigt, wollte seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern generative KI als neues Werkzeug zur Unterstützung bei der Arbeit anbieten. Anschließend veröffentlichte es nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ChatGPT die geltenden Richtlinien für die Nutzung der neuen Dienste auf seiner Intranet-Plattform. Darin war vermerkt, dass die Mitarbeitenden mögliche Kosten selbst zu tragen haben. Außerdem hat das Unternehmen keine Kenntnis darüber, welche Mitarbeitenden wann und in welchem Umfang die  angebotenen KI-Dienste nutzen. Der Betriebsrat kritisierte dabei, dass er bei der Einführung von Chat GPT hätte mitbestimmen müssen. Er wollte deshalb den Einsatz von KI-Technologien im Unternehmen durch einstweiligen Rechtsschutz unterbinden.

Das Arbeitsgericht in Hamburg war jedoch der Meinung, dass es sich bei der KI-Nutzung in diesem Fall um ein sogenanntes mitbestimmungsfreies Arbeitsverhalten handelt. Es entsteht nämlich keinerlei Überwachungsdruck von Seiten des Arbeitgebers. Der Betriebsrat hat somit kein Mitspracherecht bei der Implementierung von KI-Systemen, wie ChatGPT.

5. Nutzung von KI im universitären Bereich (VG München – Beschluss vom 28.11.2023 - Az.: M 3 E 23.4371)

In vorliegendem Fall hatten die Münchener Richter des Verwaltungsgerichts zu entscheiden, ob ein Student im Rahmen seiner Bewerbung für einen Masterstudiengang an der Technischen Universität München (TUM) künstliche Intelligenz zur Erstellung seines Essays eingesetzt hatte. Für die Bewerbung reichte der Student ein Essay ein, das potenziell mithilfe von KI erstellt wurde. Die TUM lehnte daraufhin die Bewerbung ab, da sie in der Einreichung eines KI-generierten Essays einen Täuschungsversuch sah.

Laut Universität waren 45 Prozent des Textes durch künstliche Intelligenz verfasst worden. Dies konnte durch eine Plagiatssoftware sowie durch die Bewertung akademischer Prüfer festgestellt werden:

Nach der Stellungnahme von Prof. S. fiel das vom Antragsteller eingereichte Essay im Vergleich zu den Essays anderer Bewerberinnen und Bewerber durch die sehr stark strukturierte Form auf. Erfahrungsgemäß sind bei längeren schriftlichen Arbeiten von Studierenden selbst bei intensiver Betreuung gewisse Brüche in Struktur und Logik zu erkennen. Bei dieser Arbeit hingegen stach vor allem die Kürze und Inhaltsdichte der Sätze und Abschnitte ins Auge. Im Vergleich zu den Essays nahezu sämtlicher weiterer Bewerberinnen und Bewerber war die Arbeit deutlich kürzer, enthielt jedoch alle relevanten Aspekte. Genau darin liegt die wesentliche Stärke von KI Programmen: Inhalte können extrem komprimiert dargestellt werden. Bachelorabsolventen neigen dagegen eher zu verschachtelten Sätzen sowie zur Überlänge. So haben selbst erfahrene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen  teils Probleme damit, Forschungsartikel in der gegebenen Kürze abzufassen.

Zudem wurden die Prüfer auch deshalb hellhörig, da die Bewerbung sich sehr von dem Essay unterschied, mit dem der Bewerber sich im Jahr zuvor schon einmal vergeblich an der Hochschule beworben hat. Bei einer Befragung konnte der Kläger außerdem keine überzeugenden Argumente vorbringen, die die Behauptungen der Prüfer widerlegt hätten.

Das Gericht folgte somit der Einschätzung der TUM und der akademischen Prüfer und wies den Antrag des Klägers auf Zulassung zum Studium ab. Die Richter argumentierten, dass die Verwendung von KI bei der Erstellung des Essays den wesentlichen Charakter einer persönlichen und eigenständigen Leistung untergräbt, die von Bewerbern und Bewerberinnen normalerweise erwartet wird. Es war davon überzeugt, dass das Essay unter Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis erstellt wurde und lehnte somit den Antrag ab, da keine unerlaubten Hilfsmittel – und darunter fällt die Verwendung von KI - im Bewerbungsprozess verwendet werden dürfen. Insgesamt ging die Täuschung laut Gericht sogar noch über eine unerlaubte Zuhilfenahme von KI hinaus, da der Kläger vorgab, die Arbeit selbständig erstellt zu haben.

Bild: Adobe Stock/© M9 Design - generiert mit KI
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Pia Nicklas hat Rechtswissenschaften in Bayreuth und Wirtschaftsrecht an der Fernuniversität Hagen studiert. Sie arbeitete erst als Werkstudentin und nach Ihrem Abschluss als Wirtschaftsjuristin im Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen. Nach einem kurzen Ausflug in die Kanzleiwelt und in ein großes Wirtschaftsunternehmen, ist sie seit Anfang 2020 als freiberufliche Fachtexterin im juristischen Bereich tätig.

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