Von Sabine Ecker
Seit der Begriff „Legal Tech“ durch den Anwaltsmarkt geistert, finden Sie – wie immer bei Neuerungen, vor allem technischer Art – zwei Lager: Die einen verteufeln den Einsatz der Technik als Untergang des Berufsstandes, die anderen jubilieren und stellen die Technik über alles. So auch bei der Präsentation der verschiedenen Softwareangebote zur Vertragserstellung.
Vertragssoftware als Vernichter anwaltlicher Arbeit?
Gerade im Zusammenhang mit Vertragssoftware werden von manchen Horrorszenarien arbeitsloser Anwälte heraufbeschworen. Andere jubeln, weil sie glauben, Geld verdienen zu können, ohne selber denken zu müssen.
Von solcher Schwarz-Weiß-Malerei sollte man sich nicht beeindrucken lassen, sondern vielmehr mit der lange antrainierten, ja besonders Juristen eigenen, analytischen Sachlichkeit und Nüchternheit betrachten, was Vertragserstellungssoftware nun wirklich leisten kann.
Beispiele für Vertragsgeneratoren
Beispielhaft sehen wir uns einmal unterschiedliche Softwareangebote zur Vertragserstellung an, um besser zu begreifen, was diese Software tatsächlich kann, und ob das ausreicht, um Anwälte aus Fleisch und Blut zu ersetzen.
Bei www.knowledgetools.de wird aus den eigenen Vertragsmustern der Vertragsgenerator. Die eigenen Vertragsmuster werden zerlegt in Themen und Unterthemen und bilden dann zu allen Regelungsgegenständen die verfügbaren Klausel-Alternativen ab. Anschließend gestaltet man den eigenen, individuellen Vertrag selbst. Im Unterschied zu herkömmlichen Formularen, die jeweils einen \"fertigen\" Vertrag als Monolith anbieten, wählt man hierbei ein Thema und dann Klausel für Klausel selbst aus. Je nach konkreter Situation und konkretem Interesse der Parteien stellt man durch einfachen Mausklick die gewünschten Regelungen zusammen und fügt sie Klick für Klick nachvollziehbar in einen sich aufbauenden Vertrag ein. Sind alle erforderlichen und gewünschten Regelungsgegenstände berücksichtigt, wird auf Knopfdruck der fertige Vertrag ausgegeben.
Das Tool von www.smartlaw.de umfasst mehr als 190 Rechtsdokumente und Verträge. Jedes einzelne dieser Dokumente kann man mit einem intuitiven Frage-Antwort-Dialog in wenigen Minuten selbst erstellen, ganz ohne juristisches Know-how des Bedieners. Smartlaw verweist auf ihre juristischen Profis, die die Klauseln entworfen, geprüft und mit dem Tool das Gespräch mit dem Rechtsanwalt nachempfunden haben.
Bei www.agreement24.de wird ein Frage-Antwort-Dialog geführt. Auch hier wird das Anwalt-Mandanten-Gespräch nachempfunden. So entsteht Schritt für Schritt ein maßgeschneidertes Dokument. Anschließend erhält man das so erstellte Dokument unterschriftsreif im PDF-Format zum direkt Ausdrucken oder Abspeichern – mit allen Informationen zur richtigen Verwendung des Dokuments.
Besinnen auf die anwaltliche Kernkompetenz
So weit so gut. Bei genauem Hinsehen zeigt sich aber doch, dass die eigentliche juristische Kreativtätigkeit eben nicht obsolet geworden ist. Sicherlich bringt der Einsatz solcher Software eine enorme Zeitersparnis und damit Effizienz in die Kanzlei. Langes Suchen nach Musterverträgen, das Vergleichen verschiedener Musterverträge, das Suchen und Einsetzen der erforderlichen Daten, das Schreiben und Formatieren der Texte usw. entfällt. Der Vertragstext, der sich am Bildschirm in formatierter Form generiert, muss am Ende nur noch abgespeichert werden.
Dann beginnt aber erst die kreative, anwaltliche Dienstleistung, für die man immer noch und auch in Zukunft guten Gewissens Honorar verlangen kann: Die Anpassung von Versatzstücken auf die individuelle Situation der Beteiligten.
Denn wie bei jedem „Vertragsmuster“ stellen sich viele Fragen, wie z.B.
- Ist in dem generierten Vertragstext wirklich das formuliert, was der Mandant will?
- Regelt dieser Vertrag wirklich umfassend die Bedürfnisse des ganz konkreten Sachverhaltes?
- Sind die Klauseln konform mit der neuesten Rechtsprechung?
Wer schon öfter für Mandanten – selbst wenn es vorinformierte Unternehmer sind – Vertragstexte entworfen hat, weiß, wie schwierig es ist, das vom Mandaten gewünschte so zu formulieren , dass der Mandat es versteht, sich verstanden fühlt, es akzeptiert und trotzdem die juristisch notwendige Sprache gewahrt wird. Gerade diese „Überzeugungsarbeit“ im Gespräch mit dem Mandanten ist oft das Wichtigste der anwaltlichen Arbeit, das Formulieren des Vertragstextes meist die leichteste Übung.
Genau deswegen werden die aktuellen Vertragsgeneratoren nach (meiner) Auffassung der Autorin auch keine Mandate verhindern. Wer bisher als Rechtssuchender zu geizig war, sich fachkundigen Rat zu holen, hat auch vorher schon auf Musterverträge zurückgegriffen, ohne zu begreifen, dass gerade solche Verträge seine besonderen Bedürfnisse nicht regeln, und ist nicht zum Anwalt gegangen. Jegliche „Panikmache“ zu künftigen Mandatsverlusten ist daher unangebracht.
Fazit
Wir Anwälte sollten uns gerade jetzt wieder daran erinnern, dass wir Kreativarbeit leisten, gerade die tückischen Feinheiten des Einzelfalles herausarbeiten, die rationellen und emotionalen Bedürfnisse des Mandanten bedienen und den Text darauf abstellen können.
Darin liegen unser Wert und unser Nutzen – nur muss dieser Mehrwert künftig deutlicher kommuniziert werden als bisher. Wenn nämlich Software zur Vertragserstellung helfen kann, damit anwaltliche Arbeit (kosten)effizienter wird, rechtfertigt sich der Einsatz technischer Neuerungen: zum Nutzen des Mandanten und zum eigenen Nutzen!
Foto: Fotolia/Robert Kneschke
Sabine Ecker
Sabine Ecker ist Rechtsanwältin und als "Leitende Beraterin Rechtsanwaltsmarkt" bei der DATEV tätig. Sie beobachtet Trends und Entwicklungen im Anwaltsmarkt und ist Ansprechpartnerin für den elektronischen Rechtsverkehr. www.datev.de.