Einführung eAkte Gericht

Die elektronische Akte beim LG Köln Teil II: Die Arbeit mit der eAkte

Von Dr. Christian Schlicht Dr. Eike Wiemer

Am 7. September 2020 wurde die elektronische Akte beim Landgericht Köln eingeführt. Mittlerweile arbeiten insgesamt 16 Kammern in allen Neuverfahren mit der eAkte. In diesem Jahr sollen die verbleibenden 24 Zivilkammern und elf Kammern für Handelssachen folgen. Dr. Eike Wiemer ist der für das Projekt verantwortliche IT-Dezernent, Dr. Christian Schlicht sein Stellvertreter. Sie berichten in einem zweiteiligen Artikel über die Vorbereitungen und den erfolgreichen Start. Lesen Sie den ersten Teil der Artikelreihe hier.

Es gibt nicht mehr nur „eine Akte“

Gewisse Reibungsverluste entstehen bei Gerichten „in der Papierwelt“ zuweilen, weil die Akte nicht vorliegt: Nach der Sitzung muss das Protokoll gefertigt werden, die Akte ist beim Sachverständigen oder Referendar, der Vorsitzende würde sich gerne schon mal einen Überblick verschaffen, aber der Beisitzer votiert noch. Das alles ist passé. Denn die eAkte ist jederzeit für jeden Zugriffsberechtigten verfügbar, ob bei Gericht oder zu Hause per VPN; RechtsanwältInnen und sonstigen Beteiligten kann die eAkte bequem als PDF-Datei überlassen werden. Dadurch können bestimmte Abläufe künftig parallel ablaufen und das Verfahren kann beschleunigt betrieben werden.

Der gute alte Papierschnipsel in der Akte, der den Bearbeiter auf den Grund für die Vorlage der Akte hinweist, wird durch digitale „Aufgaben“ ersetzt. Wählt man diese in seinem Pensum aus, öffnet sich die entsprechende eAkte an der richtigen Stelle. Jeder Berechtigte kann anderen Aufgaben zuschreiben, z. B. die Servicekraft dem Richter bei einem Neueingang oder der Richter der Servicekraft zur Ausführung einer Verfügung.

Die Anwendung ermöglicht es auch, Aufgabenketten (sog. Workflows) zu erzeugen. So können etwa Redaktions- und Signaturumläufe in der Kammer initiiert und nachverfolgt werden.

Effizientere Arbeitsabläufe durch die eAkte

Das Programm ist sehr benutzerfreundlich gestaltet: Kurze, schnelle Verfügungen, die bisher per Hand erfolgten, können durch digitale Stempel ebenso zügig erstellt werden, zumal die Möglichkeit besteht, eigene Stempelvorlagen zu entwerfen und mit einem Klick wiederzuverwenden. Die zuvor in der Justiz genutzten Programme wurden integriert, sodass die Anwender in weiten Teilen mit denselben Oberflächen weiterarbeiten können wie bisher. Zudem sind die gängigen Arbeitsprogramme (Word, Excel, Browser) innerhalb der Anwendung verfügbar. Auch Videos und Audiodateien können in die eAkte geladen werden.

Es besteht fortan die Möglichkeit, die eAkte mit verschiedensten Werkzeugen zu strukturieren. Hierzu zählen insbesondere virtuelle Markierungen, Lesezeichen, Textanmerkungen, die persönlich oder für die Kammer – nicht jedoch für Außenstehende – sichtbar sind. Möglich ist es auch, Verknüpfungen innerhalb der eAkte oder auf Websites zu erstellen. Zum Beispiel öffnet sich durch einen Klick auf die Erwähnung der Anlage 15 in einer Klageschrift die betreffende Anlage automatisch. Wird im Text ein Urteil zitiert, kann ein Hyperlink auf das Urteil, z. B. in der Datenbank von juris, erzeugt werden.

Sehr komfortabel ist auch die Suchfunktion in der einzelnen eAkte oder im gesamten Aktenbestand. Wie oft sucht man händisch nach dem Vortrag der Gegenseite zu einem bestimmten Aspekt und weiß noch ziemlich genau, was wörtlich vorgetragen wurde, aber nicht mehr, in welchem Schriftsatz die entscheidende Passage stand.

Zugleich bietet das Programm eine sogenannte Normanalyse an. Sie erkennt selbstständig alle in den Schriftsätzen zitierten Vorschriften, listet sie in einer gesonderten Übersicht auf und erzeugt automatisch eine Verlinkung zum jeweiligen Gesetzestext.

Gerade für die Sitzung bietet sich das Feature an, aus dem Akteninhalt verschiedene Sammlungen zu erzeugen. Dazu kann per Drag&Drop ein Schriftsatz oder eine bestimmte Anlage als Duplikat in eine frei erstellbare Sammlung verschoben werden. So kann etwa die Zeugenvernehmung optimal vorbereitet werden. Ohne lange in der Akte suchen zu müssen, können z. B. Lichtbilder von einem Verkehrsunfall vorgehalten werden. Dies funktioniert über die Präsentationstechnik im Sitzungssaal.

In einem weiteren Schritt können Markierungen, Lesezeichen etc. in eine übersichtliche Struktur überführt werden. Hier können der Kläger- und Beklagtenvortrag in einen individuell gestalteten Aufbau eingebunden und gegenübergestellt werden. Hat der Richter die zentralen Passagen etwa zu bestimmten Mängelbehauptungen markiert, kann er sie in diese Struktur überführen und sich eine optisch ansprechende Übersicht erstellen (lassen). Diese Form der Darstellung kann es erheblich erleichtern, in einem weiteren Schritt z. B. zu prüfen, hinsichtlich welcher Mängelbehauptungen Beweis zu erheben ist.

Referendare erhalten die eAkte für häusliche Arbeiten als PDF-Kopie auf einem hardwareverschlüsselten USB-Stick und können auf diese Weise parallel zum Richter an der Akte arbeiten.

Fazit: Mehr Flexibilität und Attraktivität

Unsere Erwartungen an die Einführung der eAkte sind übertroffen worden. Der bisherige Rollout verlief reibungslos. Dies ist ganz wesentlich auf die große Bereitschaft unter den MitarbeiterInnen des Landgerichts zurückzuführen, sich auf das Projekt einzulassen. In diesem Sinne ist das „Projekt eAkte“ ein Gemeinschaftswerk aller Beteiligten, die kollegial und mit viel Engagement zusammengearbeitet haben.

Die eAkte steht für eine Umstrukturierung der Arbeitsabläufe in der Justiz, die es so noch nie gegeben hat. Sie befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Gewohntem und Fortschritt, das zunächst Unsicherheiten und auch Ängste hervorruft. In diesem Spannungsfeld bedeutet die eAkte jedoch keinen Widerspruch zur richterlichen Unabhängigkeit, sondern erweitert sie. Denn sie ermöglicht noch flexibleres Arbeiten, was Ort und Zeit betrifft. Damit steigert die eAkte die Attraktivität des Berufsbildes und leistet zugleich einen Beitrag für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Lesen Sie hier im ersten Teil der Artikelreihe mehr über Konzept und Rollout der eAkte am Landgericht Köln.

 

Foto: Adobe.Stock/Nicolas Herrbach
Weitere Beiträge

Dr. Christian Schlicht ist Richter am Landgericht Köln. Er ist stellvertretender Vorsitzender einer Versicherungskammer und Personaldezernent für die Proberichter:innen. Zuvor war er als IT-Dezernent insbesondere mit der Einführung der E-Akte befasst. Er ist Mitgründer der "digitalen richterschaft".

Weitere Beiträge

Dr. Eike Wiemer ist Richter am Landgericht in Köln und Mitglied einer Berufungszivilkammer. Neben seiner Richtertätigkeit ist der Autor IT-Dezernent des Landgerichts und Projektleiter für die Einführung der elektronischen Akte am Landgericht Köln.

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