Von Stefan Schimkat
Sicher haben auch Sie sich diese Frage schon einmal gestellt, da sich diesem Thema nicht nur Hackathons, Seminare und Webseiten immer öfter widmen, sondern auch Startups wie geblitzt.de oder wirkaufendeinenflug.de, die Rechtsanwälten Marktanteile streitig machen können.
Eine gute Marktübersicht bieten etwa legal-tech-in-deutschland.de oder legal-tech-verzeichnis.de oder – international – die Legaltechlist der Stanford University.
Die Antwort lautet – wie immer – „es kommt darauf an!“, aber worauf? Legal Tech-Lösungen im Sinne dieses Beitrags sind nicht bloße Hilfsmittel wie juris oder beck-online. Legal Tech-Lösungen sollen häufig vorkommende Arbeitsabläufe ganz oder teilweise so automatisieren, dass Sie sich auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren können: die juristische Subsumption und die Nutzung Ihres taktischen Erfahrungswissens.Ablaufoptimierung und Mandantentools
Ob die Kontaktaufnahme des Mandanten über Terminbuchungstools oder Chatbots, die Vorbereitung des Erstgesprächs durch Datenübermittlung, etwa in der Form eines Online-Fragebogens, die automatische Auswertung von Unterlagen oder die automatisierte Dokumentenerstellung, juristische Recherche durch Webcrawling oder die laufende Information des Mandanten über die Web-Akte – Möglichkeiten der Optimierung im Kanzleiablauf gibt es zuhauf. Je nach Schwerpunkt der eigenen Tätigkeit und erwartbarer Mandantenakzeptanz sollte dabei sorgfältig ausgewählt die entsprechenden Lösungen an die eigene Kanzleistruktur angepasst werden.
Daneben sollte erwogen werden, für häufig wiederkehrende, gleichgelagerte Mandate eine automatisierte Online-Lösung anzubieten. So haben sich etwa im Zusammenhang mit dem Abgasskandal gleich mehrere konkurrierende Anbieter der Durchsetzung der sich daraus ergebenden Ansprüche angenommen. Die Anspruchsprüfung ist komplexer als bei den erstgenannten Lösungen, das anfallende Honorar ebenfalls. Gelingt es, einen nennenswerten „Marktanteil“ an bestimmten Fallgruppen „abzuschöpfen“, kann dies ein zusätzliches Vergleichspotential eröffnen.
Vorhandene Legal Tech-Lösungen
Die bisher auf dem deutschen Markt vorhandenen Lösungen bedienen vor allem Großkanzleien mit ihren Bedürfnissen etwa nach Dokumentenerstellung und -verwaltung oder Verbraucherinteressen.
Lösungen für kleine und mittlere Kanzleien sowie für kleine und mittlere Unternehmen auf Mandantenseite stehen dagegen bisher noch nicht im Fokus des Interesses.
Doch gerade hier liegen die besonderen Chancen und Risiken: Solche Produkte sind geeignet, wirtschaftlich interessante Marktsegmente disruptiv umzugestalten. Dem „First Moover“ wird dabei ein entscheidender Marktvorteil nur dann verbleiben, wenn er seinen Service stetig an die sich ändernden Markterwartungen anpasst und so seinen Konkurrenten stets voraus ist. Legal Tech ist daher ein Prozess, kein bloßes Produkt.
So identifizieren Sie Ihr eigenes Geschäftsfeld
Prüfen Sie Ihre Mandatsstruktur daraufhin, welche Mandate besonders lukrativ sind und welche „Routinetätigkeiten“ darstellen. Für erstere optimieren Kanzleitools Ihre Abläufe, für letztere entwickeln Sie Mandantentools. Alternativ können Sie Ihr Prüfungsergebnis zum Anlass nehmen, sich strategisch völlig neu auszurichten. Denn durch die Digitalisierung verändert sich auch der Rechtsmarkt erheblich.
So entwickle ich meine eigene Legal Tech-Lösung
Sofern Sie nicht – wie in der Großkanzlei – über eigene Expertise in der Programmierung verfügen, sollten Sie sich zunächst beraten lassen, ob und ggf. mit welchem Aufwand sich Ihre Idee technisch umsetzen lässt. Lassen Sie dann einen Prototypen (Minimum Viable Product) programmieren und führen Sie einen Akzeptanztest durch, idealerweise durch exklusive Befragung technikaffiner Mandanten. Dieses Feedback lassen Sie in die Optimierung des Angebotes einfließen und entscheiden dann, ob eine Website, eine App, oder eine Progressive Web App (ein Kompromiss zwischen beidem) weiterentwickelt werden soll.
Legal Tech ist ein Prozess
Wenn Ihr Legal Tech-Tool fertiggestellt ist, müssen Sie neuere technische Entwicklungen wie Smart Contracts auf der Basis von Blockchain oder Artificial Intelligence im Blick haben und stetig prüfen, wie sich der Markt verändert. Nur dann werden Sie dauerhaft im digitalisierten Rechtsmarkt Erfolg haben.
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Stefan Schimkat ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht, insbesondere Datenschutz und Datensicherheit (anwalt-it-sicherheit.de) und Geschäftsführer des Legal-Tech-Unternehmens AdvoCoder UG in Hamburg. Er verfügt über Programmierkenntnisse in HTML, CSS, JavaScript, Python und PHP und ist in der IT-Szene gut vernetzt.